Auch ist der Chamäleon, mancher Ursach' halber, werth, Daß in seinem sondern Bau man bey ihm den Schöpfer ehrt. Wunderbar an diesem Thier ist die wandelbare Haut, Als worinn man alle Farben, in beständ'ger Aendrung, schaut, Die dieselbe von den Körpern, die ihr nahe liegen, nimmt. Seine Augen scheinen gleichfalls zur Verwunderung be- stimmt, Da die Aepfel sich nicht drehn, wie an allen andern Thieren, Wenn er sehen will, so muß er das ganze Auge rühren, Und zwar beyde nicht zugleich, sondern, wenn er eines dreht, Wird man insgemein gewahr, daß das andre stille steht. Aus dem nie geschloßnen Maul schießt er eine lange Zunge Mit so großer Schnelligkeit, daß man sie kaum sieht. Die Lunge Jst an ihm besonders groß. Alle Würmer, Fliegen, Mücken Weis er durch die Schnelligkeit seiner Zunge zu berücken. Zwar ist nicht viel Fleisch an ihnen, Doch soll den Cochinchinesern es zur süßen Nahrung dienen. Es wird auch in Arzeneyen von verschiedenen genommen, Jn sehr vielerley Gebrechen soll es uns zu Nutzen kommen; Jn den Fiebern, Podagra, auch in denen bösen Seuchen, Sollen sie, wie mans erfahren, öfters schnelle Hülf uns reichen.
Der
Betrachtungen
Der Chamaͤleon.
Auch iſt der Chamaͤleon, mancher Urſach’ halber, werth, Daß in ſeinem ſondern Bau man bey ihm den Schoͤpfer ehrt. Wunderbar an dieſem Thier iſt die wandelbare Haut, Als worinn man alle Farben, in beſtaͤnd’ger Aendrung, ſchaut, Die dieſelbe von den Koͤrpern, die ihr nahe liegen, nimmt. Seine Augen ſcheinen gleichfalls zur Verwunderung be- ſtimmt, Da die Aepfel ſich nicht drehn, wie an allen andern Thieren, Wenn er ſehen will, ſo muß er das ganze Auge ruͤhren, Und zwar beyde nicht zugleich, ſondern, wenn er eines dreht, Wird man insgemein gewahr, daß das andre ſtille ſteht. Aus dem nie geſchloßnen Maul ſchießt er eine lange Zunge Mit ſo großer Schnelligkeit, daß man ſie kaum ſieht. Die Lunge Jſt an ihm beſonders groß. Alle Wuͤrmer, Fliegen, Muͤcken Weis er durch die Schnelligkeit ſeiner Zunge zu beruͤcken. Zwar iſt nicht viel Fleiſch an ihnen, Doch ſoll den Cochinchineſern es zur ſuͤßen Nahrung dienen. Es wird auch in Arzeneyen von verſchiedenen genommen, Jn ſehr vielerley Gebrechen ſoll es uns zu Nutzen kommen; Jn den Fiebern, Podagra, auch in denen boͤſen Seuchen, Sollen ſie, wie mans erfahren, oͤfters ſchnelle Huͤlf uns reichen.
Der
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Betrachtungen
Der Chamaͤleon.
Auch iſt der Chamaͤleon, mancher Urſach’ halber,
werth,
Daß in ſeinem ſondern Bau man bey ihm den Schoͤpfer
ehrt.
Wunderbar an dieſem Thier iſt die wandelbare Haut,
Als worinn man alle Farben, in beſtaͤnd’ger Aendrung,
ſchaut,
Die dieſelbe von den Koͤrpern, die ihr nahe liegen, nimmt.
Seine Augen ſcheinen gleichfalls zur Verwunderung be-
ſtimmt,
Da die Aepfel ſich nicht drehn, wie an allen andern Thieren,
Wenn er ſehen will, ſo muß er das ganze Auge ruͤhren,
Und zwar beyde nicht zugleich, ſondern, wenn er eines dreht,
Wird man insgemein gewahr, daß das andre ſtille ſteht.
Aus dem nie geſchloßnen Maul ſchießt er eine lange Zunge
Mit ſo großer Schnelligkeit, daß man ſie kaum ſieht.
Die Lunge
Jſt an ihm beſonders groß. Alle Wuͤrmer, Fliegen,
Muͤcken
Weis er durch die Schnelligkeit ſeiner Zunge zu beruͤcken.
Zwar iſt nicht viel Fleiſch an ihnen,
Doch ſoll den Cochinchineſern es zur ſuͤßen Nahrung dienen.
Es wird auch in Arzeneyen von verſchiedenen genommen,
Jn ſehr vielerley Gebrechen ſoll es uns zu Nutzen kommen;
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Sollen ſie, wie mans erfahren, oͤfters ſchnelle Huͤlf uns
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/314>, abgerufen am 22.02.2025.
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