Es scheint, der Wolf sey mehr zur Strafe, als zum Ver- gnügen, auf der Welt; Denn er ist nicht nur mördrisch, grausam, wild, tückisch, blutbegierig, gräßlich, Und sonderlich fatal den Schafen, er ist dazu noch scheußlich, häßlich, Dabey auch fürchterlich zu hören, wenn er im Winter heu- lend bellt; So, daß man fast bey diesem Thier' auf die Gedanken kom- men sollte, Gott würd' im Wolfe nicht geehrt, und wenn man ihn auch ehren wollte, Weil der zu häßlich und zu schädlich. Allein, man muß hier wohl erwägen, Daß, ob bey ihm des Schöpfers Wege sich nicht so klar zu Tage legen, Wir darum gleich nicht schließen müssen: Wenn auf der Welt kein Wolf vorhanden, So wär' es besser, oder denken, vielleicht wär' er von selbst entstanden. O nein! Denn daß wir es nicht wissen, wozu er eigentlich gemacht, Zeigt deutlich unsern Unverstand, umschränkten Geist, und Unbedacht, Doch keinen Fehl der Schöpfung an. Zudem, wenn wir es wohl ergründen, Sind auch in Wölfen viele Dinge zu unserm Nutzen noch zu finden. Wir haben nicht nur ihrer Bälge im scharfen Frost uns zu erfreuen; Es dienen ihrer Glieder viele zu großem Nutz in Arzeneyen.
Die
uͤber das Reich der Thiere.
Der Wolf.
Es ſcheint, der Wolf ſey mehr zur Strafe, als zum Ver- gnuͤgen, auf der Welt; Denn er iſt nicht nur moͤrdriſch, grauſam, wild, tuͤckiſch, blutbegierig, graͤßlich, Und ſonderlich fatal den Schafen, er iſt dazu noch ſcheußlich, haͤßlich, Dabey auch fuͤrchterlich zu hoͤren, wenn er im Winter heu- lend bellt; So, daß man faſt bey dieſem Thier’ auf die Gedanken kom- men ſollte, Gott wuͤrd’ im Wolfe nicht geehrt, und wenn man ihn auch ehren wollte, Weil der zu haͤßlich und zu ſchaͤdlich. Allein, man muß hier wohl erwaͤgen, Daß, ob bey ihm des Schoͤpfers Wege ſich nicht ſo klar zu Tage legen, Wir darum gleich nicht ſchließen muͤſſen: Wenn auf der Welt kein Wolf vorhanden, So waͤr’ es beſſer, oder denken, vielleicht waͤr’ er von ſelbſt entſtanden. O nein! Denn daß wir es nicht wiſſen, wozu er eigentlich gemacht, Zeigt deutlich unſern Unverſtand, umſchraͤnkten Geiſt, und Unbedacht, Doch keinen Fehl der Schoͤpfung an. Zudem, wenn wir es wohl ergruͤnden, Sind auch in Woͤlfen viele Dinge zu unſerm Nutzen noch zu finden. Wir haben nicht nur ihrer Baͤlge im ſcharfen Froſt uns zu erfreuen; Es dienen ihrer Glieder viele zu großem Nutz in Arzeneyen.
Die
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uͤber das Reich der Thiere.
Der Wolf.
Es ſcheint, der Wolf ſey mehr zur Strafe, als zum Ver-
gnuͤgen, auf der Welt;
Denn er iſt nicht nur moͤrdriſch, grauſam, wild, tuͤckiſch,
blutbegierig, graͤßlich,
Und ſonderlich fatal den Schafen, er iſt dazu noch ſcheußlich,
haͤßlich,
Dabey auch fuͤrchterlich zu hoͤren, wenn er im Winter heu-
lend bellt;
So, daß man faſt bey dieſem Thier’ auf die Gedanken kom-
men ſollte,
Gott wuͤrd’ im Wolfe nicht geehrt, und wenn man ihn auch
ehren wollte,
Weil der zu haͤßlich und zu ſchaͤdlich. Allein, man muß
hier wohl erwaͤgen,
Daß, ob bey ihm des Schoͤpfers Wege ſich nicht ſo klar
zu Tage legen,
Wir darum gleich nicht ſchließen muͤſſen: Wenn auf der
Welt kein Wolf vorhanden,
So waͤr’ es beſſer, oder denken, vielleicht waͤr’ er von
ſelbſt entſtanden.
O nein! Denn daß wir es nicht wiſſen, wozu er eigentlich
gemacht,
Zeigt deutlich unſern Unverſtand, umſchraͤnkten Geiſt,
und Unbedacht,
Doch keinen Fehl der Schoͤpfung an. Zudem, wenn wir
es wohl ergruͤnden,
Sind auch in Woͤlfen viele Dinge zu unſerm Nutzen noch
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Wir haben nicht nur ihrer Baͤlge im ſcharfen Froſt uns
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/271>, abgerufen am 22.02.2025.
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