Jm fünf und vierzigsten nach siebzehn hundert Jahr[e] ward mir, schon mitten im April, Ein wunderschöner Rosenstock, der völlig aufgeblüht, geschenket. Jch stund, bey der besondern Schönheit, vor Lust gerührt erstaunet still, Und ward, in der empfundnen Lust, zum Ruhm des Schöpfers hingelenket, Der ein so schön geformt Geschöpf, der Blätter, Knosp- und Bluhmen Pracht, Aus hartem Holze steigen läßt: der Menschen Seele[n] sinnlich macht, Den Körpern Nas' und Augen schenkt; damit wir, a[n] der Erde Schätzen, So, sonder Sinn, nicht möglich wär, uns zu vergnügen, zu ergetzen, Jhn zu bewundern, fähig wären. Darauf verband ich Geist und Sinnen, Roch achtsam, sahe mit Bedacht den Schmuck, von aussen und von innen, Der, Blätter, Knosp- und Bluhmen deckt. Da dann, vor andern, aus dem Grünen, Der kleinen Knospen glänzend Roth, wie kleine fun- kelnde Rubinen, Mir tief in meine Seele strahlten. Jch sahe sie bedacht- sam an, Und fand, daß ihre Lieblichkeit darinn hauptsächlich mit bestand, Daß ein gedämpfter weisser Rand,
Da[,]
Der fruͤh bluͤhende Roſenſtock.
Jm fuͤnf und vierzigſten nach ſiebzehn hundert Jahr[e] ward mir, ſchon mitten im April, Ein wunderſchoͤner Roſenſtock, der voͤllig aufgebluͤht, geſchenket. Jch ſtund, bey der beſondern Schoͤnheit, vor Luſt geruͤhrt erſtaunet ſtill, Und ward, in der empfundnen Luſt, zum Ruhm des Schoͤpfers hingelenket, Der ein ſo ſchoͤn geformt Geſchoͤpf, der Blaͤtter, Knoſp- und Bluhmen Pracht, Aus hartem Holze ſteigen laͤßt: der Menſchen Seele[n] ſinnlich macht, Den Koͤrpern Naſ’ und Augen ſchenkt; damit wir, a[n] der Erde Schaͤtzen, So, ſonder Sinn, nicht moͤglich waͤr, uns zu vergnuͤgen, zu ergetzen, Jhn zu bewundern, faͤhig waͤren. Darauf verband ich Geiſt und Sinnen, Roch achtſam, ſahe mit Bedacht den Schmuck, von auſſen und von innen, Der, Blaͤtter, Knoſp- und Bluhmen deckt. Da dann, vor andern, aus dem Gruͤnen, Der kleinen Knoſpen glaͤnzend Roth, wie kleine fun- kelnde Rubinen, Mir tief in meine Seele ſtrahlten. Jch ſahe ſie bedacht- ſam an, Und fand, daß ihre Lieblichkeit darinn hauptſaͤchlich mit beſtand, Daß ein gedaͤmpfter weiſſer Rand,
Da[,]
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Der fruͤh bluͤhende Roſenſtock.
Jm fuͤnf und vierzigſten nach ſiebzehn hundert Jahre
ward mir, ſchon mitten im April,
Ein wunderſchoͤner Roſenſtock, der voͤllig aufgebluͤht,
geſchenket.
Jch ſtund, bey der beſondern Schoͤnheit, vor Luſt geruͤhrt
erſtaunet ſtill,
Und ward, in der empfundnen Luſt, zum Ruhm des
Schoͤpfers hingelenket,
Der ein ſo ſchoͤn geformt Geſchoͤpf, der Blaͤtter, Knoſp-
und Bluhmen Pracht,
Aus hartem Holze ſteigen laͤßt: der Menſchen Seelen
ſinnlich macht,
Den Koͤrpern Naſ’ und Augen ſchenkt; damit wir, an
der Erde Schaͤtzen,
So, ſonder Sinn, nicht moͤglich waͤr, uns zu vergnuͤgen,
zu ergetzen,
Jhn zu bewundern, faͤhig waͤren. Darauf verband ich
Geiſt und Sinnen,
Roch achtſam, ſahe mit Bedacht den Schmuck, von
auſſen und von innen,
Der, Blaͤtter, Knoſp- und Bluhmen deckt. Da dann,
vor andern, aus dem Gruͤnen,
Der kleinen Knoſpen glaͤnzend Roth, wie kleine fun-
kelnde Rubinen,
Mir tief in meine Seele ſtrahlten. Jch ſahe ſie bedacht-
ſam an,
Und fand, daß ihre Lieblichkeit darinn hauptſaͤchlich mit
beſtand,
Daß ein gedaͤmpfter weiſſer Rand,
Da,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/80>, abgerufen am 22.02.2025.
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