Die Weisheit ist: Von allen Sachen, Sowohl die körperlich, als geistig, sich richtige Begriffe machen. Um nun zur selben zu gelangen; so müssen wir die Ei- genschaft Der, von dem Schöpfer, unsern Seelen einst anerschaff- nen Wunder-Kraft, Uns etwas in uns vorzustellen, zu untersuchen uns bemühen, Und, um von allem Jrrthum, Trug und Widerspruch uns abzuziehen, Die Phantasie verbessern lernen, zumal, da alles auf der Welt, Für uns, das, was es ist, nicht ist; nein, das, was man sich vorgestellt.
Nun sind die Sinnen eigentlich, wenn man es recht erwegt, die Thüren, Wodurch die Körper unsre Seelen, und unsre Seelen sie, berühren. Die Thüren müssen denn geöffnet, gerad', und nicht ge- krümmet, stehn, Damit die Vorwürf' auch gerad' und richtig durch die- selbe gehn. Es muß kein Dunst von Leidenschaft und Vorurtheil die Gäng' erfüllen; Kein Spinnen-Webe der Gewohnheit den freyen Durch- gang uns verhüllen:
Weil,
Die Weisheit.
Die Weisheit iſt: Von allen Sachen, Sowohl die koͤrperlich, als geiſtig, ſich richtige Begriffe machen. Um nun zur ſelben zu gelangen; ſo muͤſſen wir die Ei- genſchaft Der, von dem Schoͤpfer, unſern Seelen einſt anerſchaff- nen Wunder-Kraft, Uns etwas in uns vorzuſtellen, zu unterſuchen uns bemuͤhen, Und, um von allem Jrrthum, Trug und Widerſpruch uns abzuziehen, Die Phantaſie verbeſſern lernen, zumal, da alles auf der Welt, Fuͤr uns, das, was es iſt, nicht iſt; nein, das, was man ſich vorgeſtellt.
Nun ſind die Sinnen eigentlich, wenn man es recht erwegt, die Thuͤren, Wodurch die Koͤrper unſre Seelen, und unſre Seelen ſie, beruͤhren. Die Thuͤren muͤſſen denn geoͤffnet, gerad’, und nicht ge- kruͤmmet, ſtehn, Damit die Vorwuͤrf’ auch gerad’ und richtig durch die- ſelbe gehn. Es muß kein Dunſt von Leidenſchaft und Vorurtheil die Gaͤng’ erfuͤllen; Kein Spinnen-Webe der Gewohnheit den freyen Durch- gang uns verhuͤllen:
Weil,
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Die Weisheit.
Die Weisheit iſt: Von allen Sachen,
Sowohl die koͤrperlich, als geiſtig, ſich richtige
Begriffe machen.
Um nun zur ſelben zu gelangen; ſo muͤſſen wir die Ei-
genſchaft
Der, von dem Schoͤpfer, unſern Seelen einſt anerſchaff-
nen Wunder-Kraft,
Uns etwas in uns vorzuſtellen, zu unterſuchen uns
bemuͤhen,
Und, um von allem Jrrthum, Trug und Widerſpruch
uns abzuziehen,
Die Phantaſie verbeſſern lernen, zumal, da alles auf der
Welt,
Fuͤr uns, das, was es iſt, nicht iſt; nein, das, was
man ſich vorgeſtellt.
Nun ſind die Sinnen eigentlich, wenn man es recht
erwegt, die Thuͤren,
Wodurch die Koͤrper unſre Seelen, und unſre Seelen ſie,
beruͤhren.
Die Thuͤren muͤſſen denn geoͤffnet, gerad’, und nicht ge-
kruͤmmet, ſtehn,
Damit die Vorwuͤrf’ auch gerad’ und richtig durch die-
ſelbe gehn.
Es muß kein Dunſt von Leidenſchaft und Vorurtheil die
Gaͤng’ erfuͤllen;
Kein Spinnen-Webe der Gewohnheit den freyen Durch-
gang uns verhuͤllen:
Weil,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/589>, abgerufen am 22.02.2025.
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