Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Zustand der Welt.
Wenn wir der Erde stetes Drehn,
Mit einiger Aufmerksamkeit, besehn,
Und, was dadurch geschicht, erwegen;
So findet sich, daß, immerfort,
Zu einer Zeit es früh, am andern Ort
Es späte sey: daß hier sich Menschen niederlegen;
Die andern dort, zur selben Zeit,
Mit schon erschlafner Munterkeit,
Von ihren Lager-Stäten
Auf ihre Beine treten.
Dieß unauf hörliche Gewühl auf dieser Welt,
Das mir die Phantasey, im Geist, vor Augen stellt,
Rührt meinen Geist auf eine fremde Weise:
"So, daß ich Den, mit froher Ehrfurcht, preise,
"Der das, was sonder Ordnung scheint,
"Auf eine Art, die einfach ist, vereint,
"Und eine Welt, worinn sich unser Geist verliert,
"So wunderbar, so ordentlich, regiert;
"Ja, welcher, die Verschiedenheit
"So vieler Handlungen, zu einer Zeit,
"Auf einmal übersieht, Geschöpfe schaffet, lenket,
"Und ihnen ihre Daur, so wie ihr Wesen, schenket.


Die
N n 3
Zuſtand der Welt.
Wenn wir der Erde ſtetes Drehn,
Mit einiger Aufmerkſamkeit, beſehn,
Und, was dadurch geſchicht, erwegen;
So findet ſich, daß, immerfort,
Zu einer Zeit es fruͤh, am andern Ort
Es ſpaͤte ſey: daß hier ſich Menſchen niederlegen;
Die andern dort, zur ſelben Zeit,
Mit ſchon erſchlafner Munterkeit,
Von ihren Lager-Staͤten
Auf ihre Beine treten.
Dieß unauf hoͤrliche Gewuͤhl auf dieſer Welt,
Das mir die Phantaſey, im Geiſt, vor Augen ſtellt,
Ruͤhrt meinen Geiſt auf eine fremde Weiſe:
“So, daß ich Den, mit froher Ehrfurcht, preiſe,
“Der das, was ſonder Ordnung ſcheint,
“Auf eine Art, die einfach iſt, vereint,
“Und eine Welt, worinn ſich unſer Geiſt verliert,
“So wunderbar, ſo ordentlich, regiert;
“Ja, welcher, die Verſchiedenheit
“So vieler Handlungen, zu einer Zeit,
“Auf einmal uͤberſieht, Geſchoͤpfe ſchaffet, lenket,
“Und ihnen ihre Daur, ſo wie ihr Weſen, ſchenket.


Die
N n 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0579" n="565"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Zu&#x017F;tand der Welt.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>enn wir der Erde &#x017F;tetes Drehn,</l><lb/>
                <l>Mit einiger Aufmerk&#x017F;amkeit, be&#x017F;ehn,</l><lb/>
                <l>Und, was dadurch ge&#x017F;chicht, erwegen;</l><lb/>
                <l>So findet &#x017F;ich, daß, immerfort,</l><lb/>
                <l>Zu einer Zeit es fru&#x0364;h, am andern Ort</l><lb/>
                <l>Es &#x017F;pa&#x0364;te &#x017F;ey: daß hier &#x017F;ich Men&#x017F;chen niederlegen;</l><lb/>
                <l>Die andern dort, zur &#x017F;elben Zeit,</l><lb/>
                <l>Mit &#x017F;chon er&#x017F;chlafner Munterkeit,</l><lb/>
                <l>Von ihren Lager-Sta&#x0364;ten</l><lb/>
                <l>Auf ihre Beine treten.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Dieß unauf ho&#x0364;rliche Gewu&#x0364;hl auf die&#x017F;er Welt,</l><lb/>
                <l>Das mir die Phanta&#x017F;ey, im Gei&#x017F;t, vor Augen &#x017F;tellt,</l><lb/>
                <l>Ru&#x0364;hrt meinen Gei&#x017F;t auf eine fremde Wei&#x017F;e:</l><lb/>
                <l>&#x201C;So, daß ich Den, mit froher Ehrfurcht, prei&#x017F;e,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Der das, was &#x017F;onder Ordnung &#x017F;cheint,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Auf eine Art, die einfach i&#x017F;t, vereint,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Und eine Welt, worinn &#x017F;ich un&#x017F;er Gei&#x017F;t verliert,</l><lb/>
                <l>&#x201C;So wunderbar, &#x017F;o ordentlich, regiert;</l><lb/>
                <l>&#x201C;Ja, welcher, die Ver&#x017F;chiedenheit</l><lb/>
                <l>&#x201C;So vieler Handlungen, zu einer Zeit,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Auf einmal u&#x0364;ber&#x017F;ieht, Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe &#x017F;chaffet, lenket,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Und ihnen ihre Daur, &#x017F;o wie ihr We&#x017F;en, &#x017F;chenket.</l>
              </lg>
            </lg>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">N n 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Die</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[565/0579] Zuſtand der Welt. Wenn wir der Erde ſtetes Drehn, Mit einiger Aufmerkſamkeit, beſehn, Und, was dadurch geſchicht, erwegen; So findet ſich, daß, immerfort, Zu einer Zeit es fruͤh, am andern Ort Es ſpaͤte ſey: daß hier ſich Menſchen niederlegen; Die andern dort, zur ſelben Zeit, Mit ſchon erſchlafner Munterkeit, Von ihren Lager-Staͤten Auf ihre Beine treten. Dieß unauf hoͤrliche Gewuͤhl auf dieſer Welt, Das mir die Phantaſey, im Geiſt, vor Augen ſtellt, Ruͤhrt meinen Geiſt auf eine fremde Weiſe: “So, daß ich Den, mit froher Ehrfurcht, preiſe, “Der das, was ſonder Ordnung ſcheint, “Auf eine Art, die einfach iſt, vereint, “Und eine Welt, worinn ſich unſer Geiſt verliert, “So wunderbar, ſo ordentlich, regiert; “Ja, welcher, die Verſchiedenheit “So vieler Handlungen, zu einer Zeit, “Auf einmal uͤberſieht, Geſchoͤpfe ſchaffet, lenket, “Und ihnen ihre Daur, ſo wie ihr Weſen, ſchenket. Die N n 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/579
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/579>, abgerufen am 03.12.2024.