Jndem ich, nach verfloßner Nacht, Und einer sanften Ruh', erwacht; Erblickt' ich, an der Wand, die meiner Augen Ziel, Von einem Linden-Baum, den Phöbus Licht bestrahlt, Und den der Wind bewegt, ein scherzend Schatten-Spiel; Jndem der Blätter Heer daran sich deutlich mahlt, Und, unaufhörlich, eine Stelle Bald dunkel macht, bald wieder helle.
Jch dachte diesem nach, und fand, daß auf der Erden, Dergleichen Aendrungen, die Licht und Schatten macht, Jn Tag und Nacht, Beständig, auch gefunden werden. Denn, daß sie langsamer, und nicht so schnell, geschehn, Wie wir es hier im Spiel der Blätter sehn, Bestreitet dieses Gleichniß nicht. Die Zeit, worinn die Aenderung geschicht, Thut, an und für sich selbst, fast nichts dazu; da man, Mit Recht, von unsrer Zeit ja sagen kann: Daß eigentlich Die Zeit, für sich, (Aufs wenigste, wie wir sie kennen) Nicht kurz, nicht lang, zu nennen.
Wenn wir demnach, nach dieser Zeit, Nicht eine Ewigkeit Zu hoffen hätten; könnten wir, Nebst unsrer Zeit und Dauer hier, So wie der Tag und Nacht auf Erden, Mit diesem Licht- und Schatten-Spiel, Nicht ungereimt, verglichen werden.
Zu-
Gleichniß.
Jndem ich, nach verfloßner Nacht, Und einer ſanften Ruh’, erwacht; Erblickt’ ich, an der Wand, die meiner Augen Ziel, Von einem Linden-Baum, den Phoͤbus Licht beſtrahlt, Und den der Wind bewegt, ein ſcherzend Schatten-Spiel; Jndem der Blaͤtter Heer daran ſich deutlich mahlt, Und, unaufhoͤrlich, eine Stelle Bald dunkel macht, bald wieder helle.
Jch dachte dieſem nach, und fand, daß auf der Erden, Dergleichen Aendrungen, die Licht und Schatten macht, Jn Tag und Nacht, Beſtaͤndig, auch gefunden werden. Denn, daß ſie langſamer, und nicht ſo ſchnell, geſchehn, Wie wir es hier im Spiel der Blaͤtter ſehn, Beſtreitet dieſes Gleichniß nicht. Die Zeit, worinn die Aenderung geſchicht, Thut, an und fuͤr ſich ſelbſt, faſt nichts dazu; da man, Mit Recht, von unſrer Zeit ja ſagen kann: Daß eigentlich Die Zeit, fuͤr ſich, (Aufs wenigſte, wie wir ſie kennen) Nicht kurz, nicht lang, zu nennen.
Wenn wir demnach, nach dieſer Zeit, Nicht eine Ewigkeit Zu hoffen haͤtten; koͤnnten wir, Nebſt unſrer Zeit und Dauer hier, So wie der Tag und Nacht auf Erden, Mit dieſem Licht- und Schatten-Spiel, Nicht ungereimt, verglichen werden.
Zu-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0578"n="564"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Gleichniß.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">J</hi>ndem ich, nach verfloßner Nacht,</l><lb/><l>Und einer ſanften Ruh’, erwacht;</l><lb/><l>Erblickt’ ich, an der Wand, die meiner Augen Ziel,</l><lb/><l>Von einem Linden-Baum, den Phoͤbus Licht beſtrahlt,</l><lb/><l>Und den der Wind bewegt, ein ſcherzend Schatten-Spiel;</l><lb/><l>Jndem der Blaͤtter Heer daran ſich deutlich mahlt,</l><lb/><l>Und, unaufhoͤrlich, eine Stelle</l><lb/><l>Bald dunkel macht, bald wieder helle.</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Jch dachte dieſem nach, und fand, daß auf der Erden,</l><lb/><l>Dergleichen Aendrungen, die Licht und Schatten macht,</l><lb/><l>Jn Tag und Nacht,</l><lb/><l>Beſtaͤndig, auch gefunden werden.</l><lb/><l>Denn, daß ſie langſamer, und nicht ſo ſchnell, geſchehn,</l><lb/><l>Wie wir es hier im Spiel der Blaͤtter ſehn,</l><lb/><l>Beſtreitet dieſes Gleichniß nicht.</l><lb/><l>Die Zeit, worinn die Aenderung geſchicht,</l><lb/><l>Thut, an und fuͤr ſich ſelbſt, faſt nichts dazu; da man,</l><lb/><l>Mit Recht, von unſrer Zeit ja ſagen kann:</l><lb/><l>Daß eigentlich</l><lb/><l>Die Zeit, fuͤr ſich,</l><lb/><l>(Aufs wenigſte, wie wir ſie kennen)</l><lb/><l>Nicht kurz, nicht lang, zu nennen.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Wenn wir demnach, nach dieſer Zeit,</l><lb/><l>Nicht eine Ewigkeit</l><lb/><l>Zu hoffen haͤtten; koͤnnten wir,</l><lb/><l>Nebſt unſrer Zeit und Dauer hier,</l><lb/><l>So wie der Tag und Nacht auf Erden,</l><lb/><l>Mit dieſem Licht- und Schatten-Spiel,</l><lb/><l>Nicht ungereimt, verglichen werden.</l></lg></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Zu-</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[564/0578]
Gleichniß.
Jndem ich, nach verfloßner Nacht,
Und einer ſanften Ruh’, erwacht;
Erblickt’ ich, an der Wand, die meiner Augen Ziel,
Von einem Linden-Baum, den Phoͤbus Licht beſtrahlt,
Und den der Wind bewegt, ein ſcherzend Schatten-Spiel;
Jndem der Blaͤtter Heer daran ſich deutlich mahlt,
Und, unaufhoͤrlich, eine Stelle
Bald dunkel macht, bald wieder helle.
Jch dachte dieſem nach, und fand, daß auf der Erden,
Dergleichen Aendrungen, die Licht und Schatten macht,
Jn Tag und Nacht,
Beſtaͤndig, auch gefunden werden.
Denn, daß ſie langſamer, und nicht ſo ſchnell, geſchehn,
Wie wir es hier im Spiel der Blaͤtter ſehn,
Beſtreitet dieſes Gleichniß nicht.
Die Zeit, worinn die Aenderung geſchicht,
Thut, an und fuͤr ſich ſelbſt, faſt nichts dazu; da man,
Mit Recht, von unſrer Zeit ja ſagen kann:
Daß eigentlich
Die Zeit, fuͤr ſich,
(Aufs wenigſte, wie wir ſie kennen)
Nicht kurz, nicht lang, zu nennen.
Wenn wir demnach, nach dieſer Zeit,
Nicht eine Ewigkeit
Zu hoffen haͤtten; koͤnnten wir,
Nebſt unſrer Zeit und Dauer hier,
So wie der Tag und Nacht auf Erden,
Mit dieſem Licht- und Schatten-Spiel,
Nicht ungereimt, verglichen werden.
Zu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/578>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.