Untersuchung eines vom Körper getrenneten Geistes.
Jch mag auch denken, was ich will; Die ganze Welt bleibt vor sich still, Und fühlet nichts von meinem Denken: Nichts kann sich ändern, regen, lenken. Es wird, auf unsrer ganzen Erden, Dadurch nichts ausgerichtet werden, Wo, durch ein körperlichs Bewegen, An mir sich keine Theile regen.
Hieraus erhellet, daß der Geist, Wie, oder was man Seele heißt, Für sich, nichts mit der Welt zu schaffen. Es ist demnach ein Mittel-Wesen Zu dieser Absicht bloß erlesen. Dieß scheint das sinnliche Vermögen, Das unsre Seelen in sich hegen, Daß solches sich mit ihr verbinde: Und daß man anders keinen Band Mit unsrer Welt, und den Verstand, Als bloß das Sinnliche, befinde.
Hier aber möchte mancher sprechen, Und unser künftigs Hoffen schwächen: Hört, bey vollbrachtem Lebens-Lauf, Bey uns das Sinnliche nun auf; So scheint die Welt und Geist getrennet: Die Welt wird, nebst der Pracht des Lichts, Für ihn sodann ein leeres Nichts, Jndem er nichts von ihr mehr kennet.
Ja,
Unterſuchung eines vom Koͤrper getrenneten Geiſtes.
Jch mag auch denken, was ich will; Die ganze Welt bleibt vor ſich ſtill, Und fuͤhlet nichts von meinem Denken: Nichts kann ſich aͤndern, regen, lenken. Es wird, auf unſrer ganzen Erden, Dadurch nichts ausgerichtet werden, Wo, durch ein koͤrperlichs Bewegen, An mir ſich keine Theile regen.
Hieraus erhellet, daß der Geiſt, Wie, oder was man Seele heißt, Fuͤr ſich, nichts mit der Welt zu ſchaffen. Es iſt demnach ein Mittel-Weſen Zu dieſer Abſicht bloß erleſen. Dieß ſcheint das ſinnliche Vermoͤgen, Das unſre Seelen in ſich hegen, Daß ſolches ſich mit ihr verbinde: Und daß man anders keinen Band Mit unſrer Welt, und den Verſtand, Als bloß das Sinnliche, befinde.
Hier aber moͤchte mancher ſprechen, Und unſer kuͤnftigs Hoffen ſchwaͤchen: Hoͤrt, bey vollbrachtem Lebens-Lauf, Bey uns das Sinnliche nun auf; So ſcheint die Welt und Geiſt getrennet: Die Welt wird, nebſt der Pracht des Lichts, Fuͤr ihn ſodann ein leeres Nichts, Jndem er nichts von ihr mehr kennet.
Ja,
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Unterſuchung
eines vom Koͤrper getrenneten Geiſtes.
Jch mag auch denken, was ich will;
Die ganze Welt bleibt vor ſich ſtill,
Und fuͤhlet nichts von meinem Denken:
Nichts kann ſich aͤndern, regen, lenken.
Es wird, auf unſrer ganzen Erden,
Dadurch nichts ausgerichtet werden,
Wo, durch ein koͤrperlichs Bewegen,
An mir ſich keine Theile regen.
Hieraus erhellet, daß der Geiſt,
Wie, oder was man Seele heißt,
Fuͤr ſich, nichts mit der Welt zu ſchaffen.
Es iſt demnach ein Mittel-Weſen
Zu dieſer Abſicht bloß erleſen.
Dieß ſcheint das ſinnliche Vermoͤgen,
Das unſre Seelen in ſich hegen,
Daß ſolches ſich mit ihr verbinde:
Und daß man anders keinen Band
Mit unſrer Welt, und den Verſtand,
Als bloß das Sinnliche, befinde.
Hier aber moͤchte mancher ſprechen,
Und unſer kuͤnftigs Hoffen ſchwaͤchen:
Hoͤrt, bey vollbrachtem Lebens-Lauf,
Bey uns das Sinnliche nun auf;
So ſcheint die Welt und Geiſt getrennet:
Die Welt wird, nebſt der Pracht des Lichts,
Fuͤr ihn ſodann ein leeres Nichts,
Jndem er nichts von ihr mehr kennet.
Ja,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/570>, abgerufen am 22.02.2025.
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