Göttliche Güte mit Dank geniessen, ist besser, als Jhn begreifen wollen.
Der Menschen Geist wüßt', ohne Körper, nichts; Die Sinnen sind allein die Quellen seines Lichts. Es hat der weise Gott ein Mittel ausgefunden, Und durch den Leib uns mit der Welt verbunden. Warum verachtet denn der Geist so freventlich Die Sinnen und den Leib, die doch sein eignes Jch Zusammen halten und ernähren, Ergetzen, nützen und belehren? Will, auf der Welt, der Mensch bloß den Verstand allein, Mit seines Körpers Ausschluß, brauchen; So werden wir schon hier den Todten ähnlich seyn. Man lebte, sonder Leib, als wär man schon gestorben; Sechs achtel Theile sind dadurch von uns verdorben.
"Der Schöpfer hat uns in dieser Welt "Gewürdigt, so mancherley Güter zu häufen. "Wie daß so viel Schönes uns denn nicht gefällt! "Wir sollen geniessen; wir wollen begreifen.
"Er hat uns in solchen Stand gestellt, "Die Wunder der Körper, durch Körper, zu kennen; "Jn Werken den Meister bewundern zu können, "Jn ihnen uns tausend Vergnügen zu gönnen. "Die sinnlichen Kräfte vom Geiste zu trennen, "Da Gott sie, zur herrlichen Absicht, vereint; "Lauft wider die Ordnung der Schöpfung, und scheint,
Jndem
Goͤttliche Guͤte mit Dank genieſſen,
Goͤttliche Guͤte mit Dank genieſſen, iſt beſſer, als Jhn begreifen wollen.
Der Menſchen Geiſt wuͤßt’, ohne Koͤrper, nichts; Die Sinnen ſind allein die Quellen ſeines Lichts. Es hat der weiſe Gott ein Mittel ausgefunden, Und durch den Leib uns mit der Welt verbunden. Warum verachtet denn der Geiſt ſo freventlich Die Sinnen und den Leib, die doch ſein eignes Jch Zuſammen halten und ernaͤhren, Ergetzen, nuͤtzen und belehren? Will, auf der Welt, der Menſch bloß den Verſtand allein, Mit ſeines Koͤrpers Ausſchluß, brauchen; So werden wir ſchon hier den Todten aͤhnlich ſeyn. Man lebte, ſonder Leib, als waͤr man ſchon geſtorben; Sechs achtel Theile ſind dadurch von uns verdorben.
“Der Schoͤpfer hat uns in dieſer Welt “Gewuͤrdigt, ſo mancherley Guͤter zu haͤufen. “Wie daß ſo viel Schoͤnes uns denn nicht gefaͤllt! “Wir ſollen genieſſen; wir wollen begreifen.
“Er hat uns in ſolchen Stand geſtellt, “Die Wunder der Koͤrper, durch Koͤrper, zu kennen; “Jn Werken den Meiſter bewundern zu koͤnnen, “Jn ihnen uns tauſend Vergnuͤgen zu goͤnnen. “Die ſinnlichen Kraͤfte vom Geiſte zu trennen, “Da Gott ſie, zur herrlichen Abſicht, vereint; “Lauft wider die Ordnung der Schoͤpfung, und ſcheint,
Jndem
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Goͤttliche Guͤte mit Dank genieſſen,
Goͤttliche Guͤte mit Dank genieſſen,
iſt beſſer,
als Jhn begreifen wollen.
Der Menſchen Geiſt wuͤßt’, ohne Koͤrper, nichts;
Die Sinnen ſind allein die Quellen ſeines Lichts.
Es hat der weiſe Gott ein Mittel ausgefunden,
Und durch den Leib uns mit der Welt verbunden.
Warum verachtet denn der Geiſt ſo freventlich
Die Sinnen und den Leib, die doch ſein eignes Jch
Zuſammen halten und ernaͤhren,
Ergetzen, nuͤtzen und belehren?
Will, auf der Welt, der Menſch bloß den Verſtand allein,
Mit ſeines Koͤrpers Ausſchluß, brauchen;
So werden wir ſchon hier den Todten aͤhnlich ſeyn.
Man lebte, ſonder Leib, als waͤr man ſchon geſtorben;
Sechs achtel Theile ſind dadurch von uns verdorben.
“Der Schoͤpfer hat uns in dieſer Welt
“Gewuͤrdigt, ſo mancherley Guͤter zu haͤufen.
“Wie daß ſo viel Schoͤnes uns denn nicht gefaͤllt!
“Wir ſollen genieſſen; wir wollen begreifen.
“Er hat uns in ſolchen Stand geſtellt,
“Die Wunder der Koͤrper, durch Koͤrper, zu kennen;
“Jn Werken den Meiſter bewundern zu koͤnnen,
“Jn ihnen uns tauſend Vergnuͤgen zu goͤnnen.
“Die ſinnlichen Kraͤfte vom Geiſte zu trennen,
“Da Gott ſie, zur herrlichen Abſicht, vereint;
“Lauft wider die Ordnung der Schoͤpfung, und ſcheint,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/562>, abgerufen am 22.02.2025.
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