Jch sehe so viel Wunder-Ding', aus allen Orten, jetzt entspriessen, (Da recht als wie ein Wunder-Meer aus Wasser, Luft und Erde quillt) Daß ihre mannigfache Zier und Pracht mein ganzes We- sen füllt. Jch fühle mein gefülltes Herz von Anmuth gleichsam überfliessen. Dabey fällt, mitten in der Lust, der wohlgemeynte Wunsch mir ein: "Ach wär, bey allgemeiner Schönheit der Welt, die Lust auch allgemein!
Jch wiederhole denn zum Schluß, bey meiner oft ge- führten Klage Ob unsrer Unempfindlichkeit, die euch vielleicht verhaßte Frage: "Da die Natur an tausend Orten, wie ihr es allenthal- ben höret, "Zugleich auch allenthalben seht, daß in der Werke Schmuck und Schein "Sie uns den Schöpfer deutlich zeigt, auch das ja, was Er ist, uns lehret; "Wie kann man blind vor ihrer Schönheit, und taub vor ihrer Lehre seyn?
Hartes
Die verdrießliche Frage.
Jch ſehe ſo viel Wunder-Ding’, aus allen Orten, jetzt entſprieſſen, (Da recht als wie ein Wunder-Meer aus Waſſer, Luft und Erde quillt) Daß ihre mannigfache Zier und Pracht mein ganzes We- ſen fuͤllt. Jch fuͤhle mein gefuͤlltes Herz von Anmuth gleichſam uͤberflieſſen. Dabey faͤllt, mitten in der Luſt, der wohlgemeynte Wunſch mir ein: “Ach waͤr, bey allgemeiner Schoͤnheit der Welt, die Luſt auch allgemein!
Jch wiederhole denn zum Schluß, bey meiner oft ge- fuͤhrten Klage Ob unſrer Unempfindlichkeit, die euch vielleicht verhaßte Frage: “Da die Natur an tauſend Orten, wie ihr es allenthal- ben hoͤret, “Zugleich auch allenthalben ſeht, daß in der Werke Schmuck und Schein “Sie uns den Schoͤpfer deutlich zeigt, auch das ja, was Er iſt, uns lehret; “Wie kann man blind vor ihrer Schoͤnheit, und taub vor ihrer Lehre ſeyn?
Hartes
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Die verdrießliche Frage.
Jch ſehe ſo viel Wunder-Ding’, aus allen Orten, jetzt
entſprieſſen,
(Da recht als wie ein Wunder-Meer aus Waſſer, Luft
und Erde quillt)
Daß ihre mannigfache Zier und Pracht mein ganzes We-
ſen fuͤllt.
Jch fuͤhle mein gefuͤlltes Herz von Anmuth gleichſam
uͤberflieſſen.
Dabey faͤllt, mitten in der Luſt, der wohlgemeynte Wunſch
mir ein:
“Ach waͤr, bey allgemeiner Schoͤnheit der Welt, die Luſt
auch allgemein!
Jch wiederhole denn zum Schluß, bey meiner oft ge-
fuͤhrten Klage
Ob unſrer Unempfindlichkeit, die euch vielleicht verhaßte
Frage:
“Da die Natur an tauſend Orten, wie ihr es allenthal-
ben hoͤret,
“Zugleich auch allenthalben ſeht, daß in der Werke
Schmuck und Schein
“Sie uns den Schoͤpfer deutlich zeigt, auch das ja,
was Er iſt, uns lehret;
“Wie kann man blind vor ihrer Schoͤnheit, und taub
vor ihrer Lehre ſeyn?
Hartes
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/541>, abgerufen am 03.12.2024.
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