Wenn wir des Abends schlafen gehn, wir gleichsam uns der Welt entziehn: Da nämlich unsere Bekannten von uns, und wir von ihnen, fliehn, Die besten Freunde sich von uns, und wir von ihnen gleichfals, scheiden; Die Sinnen selber uns verlassen, und wir, von allen ihren Freuden, Vom Licht, von Hören, Schmecken, Riechen, und Füh- len, uns beraubet sehn, Gedächtniß und Verstand verlieren: muß man dann nicht mit Recht gestehn, Daß wir die Welt, mit aller Pracht, so oft wir schlafen gehn, verlassen?
Was ist denn für ein Unterscheid, wenn wir, im letz- ten Schlaf, erblassen, Als daß wir nicht so bald erwachen? Daß aber dieß einst wird geschehn, Und, von dem künftigen Erwachen, zu einem Freuden- reichen Leben; Davon, Gott Lob! kann jeder Morgen uns ein beleh- rend Beyspiel geben, Das, (dadurch, daß wir, wenn wir schlafen, dennoch aufs neu erwachen können) Um unsre Hoffnung hier zu stärken, uns Gott auf Erden wollen gönnen.
Der
Der Schlaf, eine Abbildung des Todes.
Wenn wir des Abends ſchlafen gehn, wir gleichſam uns der Welt entziehn: Da naͤmlich unſere Bekannten von uns, und wir von ihnen, fliehn, Die beſten Freunde ſich von uns, und wir von ihnen gleichfals, ſcheiden; Die Sinnen ſelber uns verlaſſen, und wir, von allen ihren Freuden, Vom Licht, von Hoͤren, Schmecken, Riechen, und Fuͤh- len, uns beraubet ſehn, Gedaͤchtniß und Verſtand verlieren: muß man dann nicht mit Recht geſtehn, Daß wir die Welt, mit aller Pracht, ſo oft wir ſchlafen gehn, verlaſſen?
Was iſt denn fuͤr ein Unterſcheid, wenn wir, im letz- ten Schlaf, erblaſſen, Als daß wir nicht ſo bald erwachen? Daß aber dieß einſt wird geſchehn, Und, von dem kuͤnftigen Erwachen, zu einem Freuden- reichen Leben; Davon, Gott Lob! kann jeder Morgen uns ein beleh- rend Beyſpiel geben, Das, (dadurch, daß wir, wenn wir ſchlafen, dennoch aufs neu erwachen koͤnnen) Um unſre Hoffnung hier zu ſtaͤrken, uns Gott auf Erden wollen goͤnnen.
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Der Schlaf,
eine Abbildung des Todes.
Wenn wir des Abends ſchlafen gehn, wir gleichſam
uns der Welt entziehn:
Da naͤmlich unſere Bekannten von uns, und wir von
ihnen, fliehn,
Die beſten Freunde ſich von uns, und wir von ihnen
gleichfals, ſcheiden;
Die Sinnen ſelber uns verlaſſen, und wir, von allen
ihren Freuden,
Vom Licht, von Hoͤren, Schmecken, Riechen, und Fuͤh-
len, uns beraubet ſehn,
Gedaͤchtniß und Verſtand verlieren: muß man dann
nicht mit Recht geſtehn,
Daß wir die Welt, mit aller Pracht, ſo oft wir ſchlafen
gehn, verlaſſen?
Was iſt denn fuͤr ein Unterſcheid, wenn wir, im letz-
ten Schlaf, erblaſſen,
Als daß wir nicht ſo bald erwachen? Daß aber dieß
einſt wird geſchehn,
Und, von dem kuͤnftigen Erwachen, zu einem Freuden-
reichen Leben;
Davon, Gott Lob! kann jeder Morgen uns ein beleh-
rend Beyſpiel geben,
Das, (dadurch, daß wir, wenn wir ſchlafen, dennoch
aufs neu erwachen koͤnnen)
Um unſre Hoffnung hier zu ſtaͤrken, uns Gott auf Erden
wollen goͤnnen.
Der
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/512>, abgerufen am 22.02.2025.
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