Was hat die Menschheit doch für Recht, daß sie sich selbst vernünftig nennet: Da doch der Mensch und die Vernunft sich stets, fast unvereinbar, trennet; Da er nicht in- nicht ausser sich, kaum das geringste, gründlich kennet?
Wir scheinen dazu nicht geschaffen, wie wir (doch bloß aus Stolz nur) wollen, Daß wir der Dinge Grund und Wesen, nach ihrem Ur- stand, kennen sollen: Auf diesem unsern Erd-Planeten scheint ein so ausge- dehnter Witz, Als wir uns zuzueignen suchen, uns nicht ertheilet, auch nicht nütz.
Vermuthlich wird, nach diesem Leben, Der Schöpfer, nach der weisen Ordnung, uns ein gewis- sers Wissen geben. "Genug, daß wir, Jhn zu bewundern, uns Sein zu freuen, so viel Gaben, "Vor allen andern Thier- und Wesen, in solchem Maß, empfangen haben.
Der
8 Theil. J i
Gedemuͤthigter Stolz der Menſchen.
Was hat die Menſchheit doch fuͤr Recht, daß ſie ſich ſelbſt vernuͤnftig nennet: Da doch der Menſch und die Vernunft ſich ſtets, faſt unvereinbar, trennet; Da er nicht in- nicht auſſer ſich, kaum das geringſte, gruͤndlich kennet?
Wir ſcheinen dazu nicht geſchaffen, wie wir (doch bloß aus Stolz nur) wollen, Daß wir der Dinge Grund und Weſen, nach ihrem Ur- ſtand, kennen ſollen: Auf dieſem unſern Erd-Planeten ſcheint ein ſo ausge- dehnter Witz, Als wir uns zuzueignen ſuchen, uns nicht ertheilet, auch nicht nuͤtz.
Vermuthlich wird, nach dieſem Leben, Der Schoͤpfer, nach der weiſen Ordnung, uns ein gewiſ- ſers Wiſſen geben. “Genug, daß wir, Jhn zu bewundern, uns Sein zu freuen, ſo viel Gaben, “Vor allen andern Thier- und Weſen, in ſolchem Maß, empfangen haben.
Der
8 Theil. J i
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0511"n="497"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Gedemuͤthigter Stolz der Menſchen.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">W</hi>as hat die Menſchheit doch fuͤr Recht, daß ſie ſich<lb/><hirendition="#et">ſelbſt vernuͤnftig nennet:</hi></l><lb/><l>Da doch der Menſch und die Vernunft ſich ſtets, faſt<lb/><hirendition="#et">unvereinbar, trennet;</hi></l><lb/><l>Da er nicht in- nicht auſſer ſich, kaum das geringſte,<lb/><hirendition="#et">gruͤndlich kennet?</hi></l></lg><lb/><lgn="2"><l>Wir ſcheinen dazu nicht geſchaffen, wie wir (doch<lb/><hirendition="#et">bloß aus Stolz nur) wollen,</hi></l><lb/><l>Daß wir der Dinge Grund und Weſen, nach ihrem Ur-<lb/><hirendition="#et">ſtand, kennen ſollen:</hi></l><lb/><l>Auf dieſem unſern Erd-Planeten ſcheint ein ſo ausge-<lb/><hirendition="#et">dehnter Witz,</hi></l><lb/><l>Als wir uns zuzueignen ſuchen, uns nicht ertheilet, auch<lb/><hirendition="#et">nicht nuͤtz.</hi></l></lg><lb/><lgn="3"><l>Vermuthlich wird, nach dieſem Leben,</l><lb/><l>Der Schoͤpfer, nach der weiſen Ordnung, uns ein gewiſ-<lb/><hirendition="#et">ſers Wiſſen geben.</hi></l><lb/><l>“Genug, daß wir, Jhn zu bewundern, uns Sein<lb/><hirendition="#et">zu freuen, ſo viel Gaben,</hi></l><lb/><l>“Vor allen andern Thier- und Weſen, in ſolchem Maß,<lb/><hirendition="#et">empfangen haben.</hi></l></lg></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="sig">8 Theil. J i</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Der</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[497/0511]
Gedemuͤthigter Stolz der Menſchen.
Was hat die Menſchheit doch fuͤr Recht, daß ſie ſich
ſelbſt vernuͤnftig nennet:
Da doch der Menſch und die Vernunft ſich ſtets, faſt
unvereinbar, trennet;
Da er nicht in- nicht auſſer ſich, kaum das geringſte,
gruͤndlich kennet?
Wir ſcheinen dazu nicht geſchaffen, wie wir (doch
bloß aus Stolz nur) wollen,
Daß wir der Dinge Grund und Weſen, nach ihrem Ur-
ſtand, kennen ſollen:
Auf dieſem unſern Erd-Planeten ſcheint ein ſo ausge-
dehnter Witz,
Als wir uns zuzueignen ſuchen, uns nicht ertheilet, auch
nicht nuͤtz.
Vermuthlich wird, nach dieſem Leben,
Der Schoͤpfer, nach der weiſen Ordnung, uns ein gewiſ-
ſers Wiſſen geben.
“Genug, daß wir, Jhn zu bewundern, uns Sein
zu freuen, ſo viel Gaben,
“Vor allen andern Thier- und Weſen, in ſolchem Maß,
empfangen haben.
Der
8 Theil. J i
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/511>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.