Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Gleichniß von der Zweyseitigkeit aller Dinge. Jn einer Oper sah ich einst ein Paar Schnee-weisser Masquen kommen, Mit sanftem Schritt; sie hatten sich einander bey der Hand genommen: Sie tanzeten mit leichtem Fuß; sie schienen ungemein vergnügt, Und recht, als hätte Fried' und Eintracht sie sich einan- der zugefügt. Jnzwischen drehete sich eine, als wie von ungefehr, herüm; Da war sie schwarz, wie Pech und Kohlen. Die andre hatt' es kaum gesehn; So schiene sie darob erstaunt, und in Verwunderung zu stehn: Allein, kaum wendete sie sich; so war sie ja so schwarz, so schlimm, So daß die erste, durch den Anblick, denselben Schrecken jetzt verspührte, Den jene, durch der erstern Schwärze gewirket, kurz vorhero rührte. Sie merkten endlich alle beyde, daß sie, an Weiß- und Schwärze, reich, An gut- und bösen Eigenschaften einander fast vollkom- men gleich. Darüber schienen sie zuletzt sich mit einander zu vergleichen. Man sahe sie, mit neuer Freundschaft, einander sich die Hände reichen, Und
Gleichniß von der Zweyſeitigkeit aller Dinge. Jn einer Oper ſah ich einſt ein Paar Schnee-weiſſer Maſquen kommen, Mit ſanftem Schritt; ſie hatten ſich einander bey der Hand genommen: Sie tanzeten mit leichtem Fuß; ſie ſchienen ungemein vergnuͤgt, Und recht, als haͤtte Fried’ und Eintracht ſie ſich einan- der zugefuͤgt. Jnzwiſchen drehete ſich eine, als wie von ungefehr, heruͤm; Da war ſie ſchwarz, wie Pech und Kohlen. Die andre hatt’ es kaum geſehn; So ſchiene ſie darob erſtaunt, und in Verwunderung zu ſtehn: Allein, kaum wendete ſie ſich; ſo war ſie ja ſo ſchwarz, ſo ſchlimm, So daß die erſte, durch den Anblick, denſelben Schrecken jetzt verſpuͤhrte, Den jene, durch der erſtern Schwaͤrze gewirket, kurz vorhero ruͤhrte. Sie merkten endlich alle beyde, daß ſie, an Weiß- und Schwaͤrze, reich, An gut- und boͤſen Eigenſchaften einander faſt vollkom- men gleich. Daruͤber ſchienen ſie zuletzt ſich mit einander zu vergleichen. Man ſahe ſie, mit neuer Freundſchaft, einander ſich die Haͤnde reichen, Und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0466" n="452"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Gleichniß von der Zweyſeitigkeit<lb/> aller Dinge.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">J</hi>n einer Oper ſah ich einſt ein Paar Schnee-weiſſer<lb/><hi rendition="#et">Maſquen kommen,</hi></l><lb/> <l>Mit ſanftem Schritt; ſie hatten ſich einander bey der<lb/><hi rendition="#et">Hand genommen:</hi></l><lb/> <l>Sie tanzeten mit leichtem Fuß; ſie ſchienen ungemein<lb/><hi rendition="#et">vergnuͤgt,</hi></l><lb/> <l>Und recht, als haͤtte Fried’ und Eintracht ſie ſich einan-<lb/><hi rendition="#et">der zugefuͤgt.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Jnzwiſchen drehete ſich eine, als wie von ungefehr,<lb/><hi rendition="#et">heruͤm;</hi></l><lb/> <l>Da war ſie ſchwarz, wie Pech und Kohlen. Die andre<lb/><hi rendition="#et">hatt’ es kaum geſehn;</hi></l><lb/> <l>So ſchiene ſie darob erſtaunt, und in Verwunderung<lb/><hi rendition="#et">zu ſtehn:</hi></l><lb/> <l>Allein, kaum wendete ſie ſich; ſo war ſie ja ſo ſchwarz,<lb/><hi rendition="#et">ſo ſchlimm,</hi></l><lb/> <l>So daß die erſte, durch den Anblick, denſelben Schrecken<lb/><hi rendition="#et">jetzt verſpuͤhrte,</hi></l><lb/> <l>Den jene, durch der erſtern Schwaͤrze gewirket, kurz<lb/><hi rendition="#et">vorhero ruͤhrte.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Sie merkten endlich alle beyde, daß ſie, an Weiß-<lb/><hi rendition="#et">und Schwaͤrze, reich,</hi></l><lb/> <l>An gut- und boͤſen Eigenſchaften einander faſt vollkom-<lb/><hi rendition="#et">men gleich.</hi></l><lb/> <l>Daruͤber ſchienen ſie zuletzt ſich mit einander zu vergleichen.</l><lb/> <l>Man ſahe ſie, mit neuer Freundſchaft, einander ſich<lb/><hi rendition="#et">die Haͤnde reichen,</hi></l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [452/0466]
Gleichniß von der Zweyſeitigkeit
aller Dinge.
Jn einer Oper ſah ich einſt ein Paar Schnee-weiſſer
Maſquen kommen,
Mit ſanftem Schritt; ſie hatten ſich einander bey der
Hand genommen:
Sie tanzeten mit leichtem Fuß; ſie ſchienen ungemein
vergnuͤgt,
Und recht, als haͤtte Fried’ und Eintracht ſie ſich einan-
der zugefuͤgt.
Jnzwiſchen drehete ſich eine, als wie von ungefehr,
heruͤm;
Da war ſie ſchwarz, wie Pech und Kohlen. Die andre
hatt’ es kaum geſehn;
So ſchiene ſie darob erſtaunt, und in Verwunderung
zu ſtehn:
Allein, kaum wendete ſie ſich; ſo war ſie ja ſo ſchwarz,
ſo ſchlimm,
So daß die erſte, durch den Anblick, denſelben Schrecken
jetzt verſpuͤhrte,
Den jene, durch der erſtern Schwaͤrze gewirket, kurz
vorhero ruͤhrte.
Sie merkten endlich alle beyde, daß ſie, an Weiß-
und Schwaͤrze, reich,
An gut- und boͤſen Eigenſchaften einander faſt vollkom-
men gleich.
Daruͤber ſchienen ſie zuletzt ſich mit einander zu vergleichen.
Man ſahe ſie, mit neuer Freundſchaft, einander ſich
die Haͤnde reichen,
Und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |