Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorzüge der Mahlerey.
Mit der Kunst noch nicht zufrieden, so im Lesen als
im Schreiben

Die Gedanken zu verkörpern; fand die gütige Natur,
Uns zum Nutzen und Ergetzen, annoch eine neue Spuhr,
Jhre Güte gegen uns weit- und höher noch zu treiben.
Da wir, sonder Mühe nicht, auch nicht ohne Zeit, erst
lesen,

Was desjenigen, der schrieb, Zweck und Absicht sey
gewesen;

Schenkt sie uns die Mahlerey:
Wo wir, sonder tiefes Denken, ohne Müh, durch bloßes
Sehen,

Was des Künstlers Geist gedacht, was sein Zweck
gewesen sey,

Jn der größten Deutlichkeit, gleich im Augenblick, ver-
stehen.
Sprich dann, edler Ridinger, ob nicht unsrer Dich-
terey,

Deines Griff- und Pinsels Werk, billig vorzuziehen sey?


Die
Vorzuͤge der Mahlerey.
Mit der Kunſt noch nicht zufrieden, ſo im Leſen als
im Schreiben

Die Gedanken zu verkoͤrpern; fand die guͤtige Natur,
Uns zum Nutzen und Ergetzen, annoch eine neue Spuhr,
Jhre Guͤte gegen uns weit- und hoͤher noch zu treiben.
Da wir, ſonder Muͤhe nicht, auch nicht ohne Zeit, erſt
leſen,

Was desjenigen, der ſchrieb, Zweck und Abſicht ſey
geweſen;

Schenkt ſie uns die Mahlerey:
Wo wir, ſonder tiefes Denken, ohne Muͤh, durch bloßes
Sehen,

Was des Kuͤnſtlers Geiſt gedacht, was ſein Zweck
geweſen ſey,

Jn der groͤßten Deutlichkeit, gleich im Augenblick, ver-
ſtehen.
Sprich dann, edler Ridinger, ob nicht unſrer Dich-
terey,

Deines Griff- und Pinſels Werk, billig vorzuziehen ſey?


Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0461" n="447"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Vorzu&#x0364;ge der Mahlerey.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">M</hi>it der Kun&#x017F;t noch nicht zufrieden, &#x017F;o im Le&#x017F;en als<lb/><hi rendition="#et">im Schreiben</hi></l><lb/>
                <l>Die Gedanken zu verko&#x0364;rpern; fand die gu&#x0364;tige Natur,</l><lb/>
                <l>Uns zum Nutzen und Ergetzen, annoch eine neue Spuhr,</l><lb/>
                <l>Jhre Gu&#x0364;te gegen uns weit- und ho&#x0364;her noch zu treiben.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Da wir, &#x017F;onder Mu&#x0364;he nicht, auch nicht ohne Zeit, er&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">le&#x017F;en,</hi></l><lb/>
                <l>Was desjenigen, der &#x017F;chrieb, Zweck und Ab&#x017F;icht &#x017F;ey<lb/><hi rendition="#et">gewe&#x017F;en;</hi></l><lb/>
                <l>Schenkt &#x017F;ie uns die Mahlerey:</l><lb/>
                <l>Wo wir, &#x017F;onder tiefes Denken, ohne Mu&#x0364;h, durch bloßes<lb/><hi rendition="#et">Sehen,</hi></l><lb/>
                <l>Was des Ku&#x0364;n&#x017F;tlers Gei&#x017F;t gedacht, was &#x017F;ein Zweck<lb/><hi rendition="#et">gewe&#x017F;en &#x017F;ey,</hi></l><lb/>
                <l>Jn der gro&#x0364;ßten Deutlichkeit, gleich im Augenblick, ver-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tehen.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>Sprich dann, edler <hi rendition="#fr">Ridinger,</hi> ob nicht un&#x017F;rer Dich-<lb/><hi rendition="#et">terey,</hi></l><lb/>
                <l>Deines Griff- und Pin&#x017F;els Werk, billig vorzuziehen &#x017F;ey?</l>
              </lg>
            </lg>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Die</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0461] Vorzuͤge der Mahlerey. Mit der Kunſt noch nicht zufrieden, ſo im Leſen als im Schreiben Die Gedanken zu verkoͤrpern; fand die guͤtige Natur, Uns zum Nutzen und Ergetzen, annoch eine neue Spuhr, Jhre Guͤte gegen uns weit- und hoͤher noch zu treiben. Da wir, ſonder Muͤhe nicht, auch nicht ohne Zeit, erſt leſen, Was desjenigen, der ſchrieb, Zweck und Abſicht ſey geweſen; Schenkt ſie uns die Mahlerey: Wo wir, ſonder tiefes Denken, ohne Muͤh, durch bloßes Sehen, Was des Kuͤnſtlers Geiſt gedacht, was ſein Zweck geweſen ſey, Jn der groͤßten Deutlichkeit, gleich im Augenblick, ver- ſtehen. Sprich dann, edler Ridinger, ob nicht unſrer Dich- terey, Deines Griff- und Pinſels Werk, billig vorzuziehen ſey? Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/461
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/461>, abgerufen am 21.12.2024.