"Nichts kann unsers eignen Wesens Stand und Größ' uns mehr enthüllen, "Als wenn Seiner Creaturen Größen unsre Seelen füllen, "Und sie dadurch selbst vergrößern." Um uns selbst nun zu erhöhn, Jn des Schöpfers Wunder-Werken, wenn wir Jhn darinn ersehn; Tret' ich eine neue Bahn, "(gieb, o Gott, daß es gelinge, "Wenn ich in der Allmacht Tiefen, mit erstaunter Ehr- furcht, dringe!) Durch ein neues Dichten, an. Vorurtheile zu bekämpfen, Und, nach aller Möglichkeit, die Unachtsamkeit zu dämpfen; Auch zugleich von Gottes Wundern, wie Er Sich, auf dieser Welt, Jn denselben, so unendlich majestätisch dargestellt, Ob es viele gleich nicht merken, etwas würdigs zu erzehlen: Jst, bey folgender Geschicht, bloß die Absicht meiner Seelen.
Erzehlung.
Der weise Silvius, verfolgt von falschen Freunden, Beneidet und gehaßt von ungerechten Feinden, Hatt' eine lange Zeit, in einer weiten Höhle, An eines Berges Fuß, der sein verwegnes Haupt Bis an die Wolken streckt, von Fichten rings belaubt, Den jungen Cernamir erzogen: dessen Seele, Von der Natur, zum Sitz der Wissenschaft bestimmt, Worinn der Weisheit Feur von Jugend auf geglimmt; Und der, seit kurzem nur, ins siebenzehnte Jahr Nunmehr getreten war.
Die
Neu-Jahrs-Gedicht auf das 1745ſte Jahr.
“Nichts kann unſers eignen Weſens Stand und Groͤß’ uns mehr enthuͤllen, “Als wenn Seiner Creaturen Groͤßen unſre Seelen fuͤllen, “Und ſie dadurch ſelbſt vergroͤßern.„ Um uns ſelbſt nun zu erhoͤhn, Jn des Schoͤpfers Wunder-Werken, wenn wir Jhn darinn erſehn; Tret’ ich eine neue Bahn, “(gieb, o Gott, daß es gelinge, “Wenn ich in der Allmacht Tiefen, mit erſtaunter Ehr- furcht, dringe!) Durch ein neues Dichten, an. Vorurtheile zu bekaͤmpfen, Und, nach aller Moͤglichkeit, die Unachtſamkeit zu daͤmpfen; Auch zugleich von Gottes Wundern, wie Er Sich, auf dieſer Welt, Jn denſelben, ſo unendlich majeſtaͤtiſch dargeſtellt, Ob es viele gleich nicht merken, etwas wuͤrdigs zu erzehlen: Jſt, bey folgender Geſchicht, bloß die Abſicht meiner Seelen.
Erzehlung.
Der weiſe Silvius, verfolgt von falſchen Freunden, Beneidet und gehaßt von ungerechten Feinden, Hatt’ eine lange Zeit, in einer weiten Hoͤhle, An eines Berges Fuß, der ſein verwegnes Haupt Bis an die Wolken ſtreckt, von Fichten rings belaubt, Den jungen Cernamir erzogen: deſſen Seele, Von der Natur, zum Sitz der Wiſſenſchaft beſtimmt, Worinn der Weisheit Feur von Jugend auf geglimmt; Und der, ſeit kurzem nur, ins ſiebenzehnte Jahr Nunmehr getreten war.
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Neu-Jahrs-Gedicht auf das 1745ſte Jahr.
“Nichts kann unſers eignen Weſens Stand und Groͤß’
uns mehr enthuͤllen,
“Als wenn Seiner Creaturen Groͤßen unſre Seelen
fuͤllen,
“Und ſie dadurch ſelbſt vergroͤßern.„ Um uns ſelbſt
nun zu erhoͤhn,
Jn des Schoͤpfers Wunder-Werken, wenn wir Jhn
darinn erſehn;
Tret’ ich eine neue Bahn, “(gieb, o Gott, daß es
gelinge,
“Wenn ich in der Allmacht Tiefen, mit erſtaunter Ehr-
furcht, dringe!)
Durch ein neues Dichten, an. Vorurtheile zu bekaͤmpfen,
Und, nach aller Moͤglichkeit, die Unachtſamkeit zu daͤmpfen;
Auch zugleich von Gottes Wundern, wie Er Sich, auf
dieſer Welt,
Jn denſelben, ſo unendlich majeſtaͤtiſch dargeſtellt,
Ob es viele gleich nicht merken, etwas wuͤrdigs zu erzehlen:
Jſt, bey folgender Geſchicht, bloß die Abſicht meiner
Seelen.
Erzehlung.
Der weiſe Silvius, verfolgt von falſchen Freunden,
Beneidet und gehaßt von ungerechten Feinden,
Hatt’ eine lange Zeit, in einer weiten Hoͤhle,
An eines Berges Fuß, der ſein verwegnes Haupt
Bis an die Wolken ſtreckt, von Fichten rings belaubt,
Den jungen Cernamir erzogen: deſſen Seele,
Von der Natur, zum Sitz der Wiſſenſchaft beſtimmt,
Worinn der Weisheit Feur von Jugend auf geglimmt;
Und der, ſeit kurzem nur, ins ſiebenzehnte Jahr
Nunmehr getreten war.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/427>, abgerufen am 22.02.2025.
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