Bewundre, Mensch, den Kreis der Luft! der dir nicht nur das helle Licht Der Sonne, das sich sonst verspreiten, Und, sonder Luft, im leeren Raum zerschlagen würd', in dein Gesicht Allein vermögend ist, zu leiten; Nein, welche täglich, spat und früh, so gut als wie der Mond, dir dient, Dir den sonst kürzern Tag verlängt: Und, da sie früh den Sonnen-Strahl viel eh, als unsre Erd', empfängt, Des Abends länger auch behält; Denselben, eben wie der Mond, von sich läßt wieder abwärts prallen, Und, auf die sonst viel eh und später in dunkle Nacht gesenkte Welt, Jm Wiederschein, herunter fallen, Und uns die Dämmerung gebiert: da, wenn dasselbe nicht geschähe, Man, nach der Sonnen Untergang, vor ihrem Aufgang auch, nicht sähe.
So schaue dann, voll Dank und Andacht, be- wundernd, künftig, jedermann, Die Luft, als einen wahren Mond, zum Ruhm des weisen Schöpfers, an!
Tirsan-
8 Theil. L
Der neue Mond.
Bewundre, Menſch, den Kreis der Luft! der dir nicht nur das helle Licht Der Sonne, das ſich ſonſt verſpreiten, Und, ſonder Luft, im leeren Raum zerſchlagen wuͤrd’, in dein Geſicht Allein vermoͤgend iſt, zu leiten; Nein, welche taͤglich, ſpat und fruͤh, ſo gut als wie der Mond, dir dient, Dir den ſonſt kuͤrzern Tag verlaͤngt: Und, da ſie fruͤh den Sonnen-Strahl viel eh, als unſre Erd’, empfaͤngt, Des Abends laͤnger auch behaͤlt; Denſelben, eben wie der Mond, von ſich laͤßt wieder abwaͤrts prallen, Und, auf die ſonſt viel eh und ſpaͤter in dunkle Nacht geſenkte Welt, Jm Wiederſchein, herunter fallen, Und uns die Daͤmmerung gebiert: da, wenn daſſelbe nicht geſchaͤhe, Man, nach der Sonnen Untergang, vor ihrem Aufgang auch, nicht ſaͤhe.
So ſchaue dann, voll Dank und Andacht, be- wundernd, kuͤnftig, jedermann, Die Luft, als einen wahren Mond, zum Ruhm des weiſen Schoͤpfers, an!
Tirſan-
8 Theil. L
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Der neue Mond.
Bewundre, Menſch, den Kreis der Luft! der dir
nicht nur das helle Licht
Der Sonne, das ſich ſonſt verſpreiten,
Und, ſonder Luft, im leeren Raum zerſchlagen wuͤrd’,
in dein Geſicht
Allein vermoͤgend iſt, zu leiten;
Nein, welche taͤglich, ſpat und fruͤh, ſo gut als wie der
Mond, dir dient,
Dir den ſonſt kuͤrzern Tag verlaͤngt:
Und, da ſie fruͤh den Sonnen-Strahl viel eh, als unſre
Erd’, empfaͤngt,
Des Abends laͤnger auch behaͤlt;
Denſelben, eben wie der Mond, von ſich laͤßt wieder
abwaͤrts prallen,
Und, auf die ſonſt viel eh und ſpaͤter in dunkle Nacht
geſenkte Welt,
Jm Wiederſchein, herunter fallen,
Und uns die Daͤmmerung gebiert: da, wenn daſſelbe
nicht geſchaͤhe,
Man, nach der Sonnen Untergang, vor ihrem Aufgang
auch, nicht ſaͤhe.
So ſchaue dann, voll Dank und Andacht, be-
wundernd, kuͤnftig, jedermann,
Die Luft, als einen wahren Mond, zum Ruhm
des weiſen Schoͤpfers, an!
Tirſan-
8 Theil. L
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/175>, abgerufen am 21.12.2024.
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