Der verhaßte Nam' allein, welchen man von unge- fehr, Liebstes Blühmchen, dir gegeben, hat die Schuld, daß ich bisher Dich, wie du doch wohl verdienst, nicht betrachtet, nicht besungen.
Ob mir gleich dein buntes Prangen, zwischen andrer Bluhmen Pracht, Oefters, ins Gesicht gedrungen; Sah ich dich doch, ohn Bedacht, Folglich mit halb blinden Augen, ohne mich an deinen Schätzen, Deiner Form- und Farben Schmuck, zu vergnügen, zu ergetzen, So wie Menschen alle Bluhmen, leider! sehn, verächtlich an.
Jetzt, da meine jüngste Tochter viele davon abge- pflücket, Und sie mir vor Augen leget; find' ich sie so schön ge- schmücket, Daß ich mich, sie zu bewundern, ferner nicht enthalten kann.
Jch bewunderte zuerst ihrer Farben große Menge, Mischung, Unterscheid und Pracht. Jch bewunderte die Länge Der, ganz ausserordentlich, rings umher belaubten Stangen, Woran die gefärbten Kinder aufwärts stehn, nicht abwärts hangen.
Ueberall,
Die Hochmuths-Bluhme.
Der verhaßte Nam’ allein, welchen man von unge- fehr, Liebſtes Bluͤhmchen, dir gegeben, hat die Schuld, daß ich bisher Dich, wie du doch wohl verdienſt, nicht betrachtet, nicht beſungen.
Ob mir gleich dein buntes Prangen, zwiſchen andrer Bluhmen Pracht, Oefters, ins Geſicht gedrungen; Sah ich dich doch, ohn Bedacht, Folglich mit halb blinden Augen, ohne mich an deinen Schaͤtzen, Deiner Form- und Farben Schmuck, zu vergnuͤgen, zu ergetzen, So wie Menſchen alle Bluhmen, leider! ſehn, veraͤchtlich an.
Jetzt, da meine juͤngſte Tochter viele davon abge- pfluͤcket, Und ſie mir vor Augen leget; find’ ich ſie ſo ſchoͤn ge- ſchmuͤcket, Daß ich mich, ſie zu bewundern, ferner nicht enthalten kann.
Jch bewunderte zuerſt ihrer Farben große Menge, Miſchung, Unterſcheid und Pracht. Jch bewunderte die Laͤnge Der, ganz auſſerordentlich, rings umher belaubten Stangen, Woran die gefaͤrbten Kinder aufwaͤrts ſtehn, nicht abwaͤrts hangen.
Ueberall,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0171"n="157"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Die Hochmuths-Bluhme.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">D</hi>er verhaßte Nam’ allein, welchen man von unge-<lb/><hirendition="#et">fehr,</hi></l><lb/><l>Liebſtes Bluͤhmchen, dir gegeben, hat die Schuld, daß<lb/><hirendition="#et">ich bisher</hi></l><lb/><l>Dich, wie du doch wohl verdienſt, nicht betrachtet, nicht<lb/><hirendition="#et">beſungen.</hi></l></lg><lb/><lgn="2"><l>Ob mir gleich dein buntes Prangen, zwiſchen andrer<lb/><hirendition="#et">Bluhmen Pracht,</hi></l><lb/><l>Oefters, ins Geſicht gedrungen;</l><lb/><l>Sah ich dich doch, ohn Bedacht,</l><lb/><l>Folglich mit halb blinden Augen, ohne mich an deinen<lb/><hirendition="#et">Schaͤtzen,</hi></l><lb/><l>Deiner Form- und Farben Schmuck, zu vergnuͤgen,<lb/><hirendition="#et">zu ergetzen,</hi></l><lb/><l>So wie Menſchen alle Bluhmen, leider! ſehn, veraͤchtlich an.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Jetzt, da meine juͤngſte Tochter viele davon abge-<lb/><hirendition="#et">pfluͤcket,</hi></l><lb/><l>Und ſie mir vor Augen leget; find’ ich ſie ſo ſchoͤn ge-<lb/><hirendition="#et">ſchmuͤcket,</hi></l><lb/><l>Daß ich mich, ſie zu bewundern, ferner nicht enthalten kann.</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Jch bewunderte zuerſt ihrer Farben große Menge,</l><lb/><l>Miſchung, Unterſcheid und Pracht. Jch bewunderte<lb/><hirendition="#et">die Laͤnge</hi></l><lb/><l>Der, ganz auſſerordentlich, rings umher belaubten<lb/><hirendition="#et">Stangen,</hi></l><lb/><l>Woran die gefaͤrbten Kinder aufwaͤrts ſtehn, nicht abwaͤrts<lb/><hirendition="#et">hangen.</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ueberall,</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[157/0171]
Die Hochmuths-Bluhme.
Der verhaßte Nam’ allein, welchen man von unge-
fehr,
Liebſtes Bluͤhmchen, dir gegeben, hat die Schuld, daß
ich bisher
Dich, wie du doch wohl verdienſt, nicht betrachtet, nicht
beſungen.
Ob mir gleich dein buntes Prangen, zwiſchen andrer
Bluhmen Pracht,
Oefters, ins Geſicht gedrungen;
Sah ich dich doch, ohn Bedacht,
Folglich mit halb blinden Augen, ohne mich an deinen
Schaͤtzen,
Deiner Form- und Farben Schmuck, zu vergnuͤgen,
zu ergetzen,
So wie Menſchen alle Bluhmen, leider! ſehn, veraͤchtlich an.
Jetzt, da meine juͤngſte Tochter viele davon abge-
pfluͤcket,
Und ſie mir vor Augen leget; find’ ich ſie ſo ſchoͤn ge-
ſchmuͤcket,
Daß ich mich, ſie zu bewundern, ferner nicht enthalten kann.
Jch bewunderte zuerſt ihrer Farben große Menge,
Miſchung, Unterſcheid und Pracht. Jch bewunderte
die Laͤnge
Der, ganz auſſerordentlich, rings umher belaubten
Stangen,
Woran die gefaͤrbten Kinder aufwaͤrts ſtehn, nicht abwaͤrts
hangen.
Ueberall,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/171>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.