Es hatte jüngst der schön gefärbte Bogen Das ganze Firmament umzogen, Da mich desselben buntes Glänzen und Schimmer-reicher Farben Pracht Auf folgende Gedanken bracht:
Hier siehet man die Sonnen-Strahlen, Die ihnen wesentliche Farben, so sonst nicht sichtbar, deutlich mahlen. Hier zeiget sich, dem menschlichen Gesicht, Das eigentliche Sonnen-Licht; Es legt sich Purpur, Violet, und Roth, und Gelb, und Grün, und Blau, Jn dieser Regel-rechten Ründe des halben Zirkels, uns zur Schau: Denn andre Farben hat es nicht.
Wer wird, durch diese Pracht, nicht inniglich gerühret? Doch wird mein ganz dadurch durchdrungner Geist, Da er sich aller Macht des Vorurtheils entreißt, Zu Gottes Ruhm, viel weiter noch, geführet. Er denkt an aller Sonnen Menge, Und schließt: Es wird, von jeglicher, der Schein, An Farben, unterschieden seyn; Es wird, in jeglichem Planeten, ein anders schimmern- des Gepränge, Die Kraft, das Licht zu reflectiren, Verändert, herrlicher zu spühren, Die Aendrung unerschöpflich, seyn.
O Gott!
Der Regenbogen.
Es hatte juͤngſt der ſchoͤn gefaͤrbte Bogen Das ganze Firmament umzogen, Da mich deſſelben buntes Glaͤnzen und Schimmer-reicher Farben Pracht Auf folgende Gedanken bracht:
Hier ſiehet man die Sonnen-Strahlen, Die ihnen weſentliche Farben, ſo ſonſt nicht ſichtbar, deutlich mahlen. Hier zeiget ſich, dem menſchlichen Geſicht, Das eigentliche Sonnen-Licht; Es legt ſich Purpur, Violet, und Roth, und Gelb, und Gruͤn, und Blau, Jn dieſer Regel-rechten Ruͤnde des halben Zirkels, uns zur Schau: Denn andre Farben hat es nicht.
Wer wird, durch dieſe Pracht, nicht inniglich geruͤhret? Doch wird mein ganz dadurch durchdrungner Geiſt, Da er ſich aller Macht des Vorurtheils entreißt, Zu Gottes Ruhm, viel weiter noch, gefuͤhret. Er denkt an aller Sonnen Menge, Und ſchließt: Es wird, von jeglicher, der Schein, An Farben, unterſchieden ſeyn; Es wird, in jeglichem Planeten, ein anders ſchimmern- des Gepraͤnge, Die Kraft, das Licht zu reflectiren, Veraͤndert, herrlicher zu ſpuͤhren, Die Aendrung unerſchoͤpflich, ſeyn.
O Gott!
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Der Regenbogen.
Es hatte juͤngſt der ſchoͤn gefaͤrbte Bogen
Das ganze Firmament umzogen,
Da mich deſſelben buntes Glaͤnzen und Schimmer-reicher
Farben Pracht
Auf folgende Gedanken bracht:
Hier ſiehet man die Sonnen-Strahlen,
Die ihnen weſentliche Farben, ſo ſonſt nicht ſichtbar,
deutlich mahlen.
Hier zeiget ſich, dem menſchlichen Geſicht,
Das eigentliche Sonnen-Licht;
Es legt ſich Purpur, Violet, und Roth, und Gelb, und
Gruͤn, und Blau,
Jn dieſer Regel-rechten Ruͤnde des halben Zirkels, uns
zur Schau:
Denn andre Farben hat es nicht.
Wer wird, durch dieſe Pracht, nicht inniglich geruͤhret?
Doch wird mein ganz dadurch durchdrungner Geiſt,
Da er ſich aller Macht des Vorurtheils entreißt,
Zu Gottes Ruhm, viel weiter noch, gefuͤhret.
Er denkt an aller Sonnen Menge,
Und ſchließt: Es wird, von jeglicher, der Schein,
An Farben, unterſchieden ſeyn;
Es wird, in jeglichem Planeten, ein anders ſchimmern-
des Gepraͤnge,
Die Kraft, das Licht zu reflectiren,
Veraͤndert, herrlicher zu ſpuͤhren,
Die Aendrung unerſchoͤpflich, ſeyn.
O Gott!
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/160>, abgerufen am 22.02.2025.
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