Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Kletten-Kraut.
Wie ich, an einem heitern Tage,
Jn stiller Einsamkeit, in ungestöhrter Ruh,
Jm kühl- und feuchten Grase lage;
Sah' ich, in Pflanzen, Kräutern, Stauden, den Werken
unsers Schöpfers zu.
Der Farben Schmuck, der Formen Zierlichkeit,
Der Form- und Farben Unterscheid,
Erfülleten, durchs Auge, meine Brust,
Mit einer Fülle reiner Lust;
Weil ihr gehäufter Schmuck der Seelen Jnnres rührte,
Und mich zum Ursprung aller Schönheit, zur Quell
von allen Wundern, führte.
Vergnügen, Ehrfurcht, Lust, nebst einem heilgen
Grauen,

Den Schöpfer gleichsam Selbst, in unsichtbarem Schein,
Mit Blicken meines Geists, zu schauen,
Nahm mein Gemüth, mein ganzes Wesen, ein.
Jch fühlte, wie mein Geist zu einer Stille kam,
Die unbeschreiblich süß. Mich füllt' und übernahm
Ein rein Vergnügen, eine Lust,
Die denen nur, die Gott sich nahn, bewußt.
Ein sanftes Feur, voll einer Gluht,
Die aus Bewunderung und Andacht stammte,
Begeisterte, beweget' und beflammte
Mein für Vergnügen wallend Blut.
Um
Das Kletten-Kraut.
Wie ich, an einem heitern Tage,
Jn ſtiller Einſamkeit, in ungeſtoͤhrter Ruh,
Jm kuͤhl- und feuchten Graſe lage;
Sah’ ich, in Pflanzen, Kraͤutern, Stauden, den Werken
unſers Schoͤpfers zu.
Der Farben Schmuck, der Formen Zierlichkeit,
Der Form- und Farben Unterſcheid,
Erfuͤlleten, durchs Auge, meine Bruſt,
Mit einer Fuͤlle reiner Luſt;
Weil ihr gehaͤufter Schmuck der Seelen Jnnres ruͤhrte,
Und mich zum Urſprung aller Schoͤnheit, zur Quell
von allen Wundern, fuͤhrte.
Vergnuͤgen, Ehrfurcht, Luſt, nebſt einem heilgen
Grauen,

Den Schoͤpfer gleichſam Selbſt, in unſichtbarem Schein,
Mit Blicken meines Geiſts, zu ſchauen,
Nahm mein Gemuͤth, mein ganzes Weſen, ein.
Jch fuͤhlte, wie mein Geiſt zu einer Stille kam,
Die unbeſchreiblich ſuͤß. Mich fuͤllt’ und uͤbernahm
Ein rein Vergnuͤgen, eine Luſt,
Die denen nur, die Gott ſich nahn, bewußt.
Ein ſanftes Feur, voll einer Gluht,
Die aus Bewunderung und Andacht ſtammte,
Begeiſterte, beweget’ und beflammte
Mein fuͤr Vergnuͤgen wallend Blut.
Um
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0142" n="128"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Das Kletten-Kraut.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>ie ich, an einem heitern Tage,</l><lb/>
                <l>Jn &#x017F;tiller Ein&#x017F;amkeit, in unge&#x017F;to&#x0364;hrter Ruh,</l><lb/>
                <l>Jm ku&#x0364;hl- und feuchten Gra&#x017F;e lage;</l><lb/>
                <l>Sah&#x2019; ich, in Pflanzen, Kra&#x0364;utern, Stauden, den Werken<lb/><hi rendition="#et">un&#x017F;ers Scho&#x0364;pfers zu.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Der Farben Schmuck, der Formen Zierlichkeit,</l><lb/>
                <l>Der Form- und Farben Unter&#x017F;cheid,</l><lb/>
                <l>Erfu&#x0364;lleten, durchs Auge, meine Bru&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Mit einer Fu&#x0364;lle reiner Lu&#x017F;t;</l><lb/>
                <l>Weil ihr geha&#x0364;ufter Schmuck der Seelen Jnnres ru&#x0364;hrte,</l><lb/>
                <l>Und mich zum Ur&#x017F;prung aller Scho&#x0364;nheit, zur Quell<lb/><hi rendition="#et">von allen Wundern, fu&#x0364;hrte.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>Vergnu&#x0364;gen, Ehrfurcht, Lu&#x017F;t, neb&#x017F;t einem heilgen<lb/><hi rendition="#et">Grauen,</hi></l><lb/>
                <l>Den Scho&#x0364;pfer gleich&#x017F;am Selb&#x017F;t, in un&#x017F;ichtbarem Schein,</l><lb/>
                <l>Mit Blicken meines Gei&#x017F;ts, zu &#x017F;chauen,</l><lb/>
                <l>Nahm mein Gemu&#x0364;th, mein ganzes We&#x017F;en, ein.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="4">
                <l>Jch fu&#x0364;hlte, wie mein Gei&#x017F;t zu einer Stille kam,</l><lb/>
                <l>Die unbe&#x017F;chreiblich &#x017F;u&#x0364;ß. Mich fu&#x0364;llt&#x2019; und u&#x0364;bernahm</l><lb/>
                <l>Ein rein Vergnu&#x0364;gen, eine Lu&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Die denen nur, die Gott &#x017F;ich nahn, bewußt.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="5">
                <l>Ein &#x017F;anftes Feur, voll einer Gluht,</l><lb/>
                <l>Die aus Bewunderung und Andacht &#x017F;tammte,</l><lb/>
                <l>Begei&#x017F;terte, beweget&#x2019; und beflammte</l><lb/>
                <l>Mein fu&#x0364;r Vergnu&#x0364;gen wallend Blut.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Um</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0142] Das Kletten-Kraut. Wie ich, an einem heitern Tage, Jn ſtiller Einſamkeit, in ungeſtoͤhrter Ruh, Jm kuͤhl- und feuchten Graſe lage; Sah’ ich, in Pflanzen, Kraͤutern, Stauden, den Werken unſers Schoͤpfers zu. Der Farben Schmuck, der Formen Zierlichkeit, Der Form- und Farben Unterſcheid, Erfuͤlleten, durchs Auge, meine Bruſt, Mit einer Fuͤlle reiner Luſt; Weil ihr gehaͤufter Schmuck der Seelen Jnnres ruͤhrte, Und mich zum Urſprung aller Schoͤnheit, zur Quell von allen Wundern, fuͤhrte. Vergnuͤgen, Ehrfurcht, Luſt, nebſt einem heilgen Grauen, Den Schoͤpfer gleichſam Selbſt, in unſichtbarem Schein, Mit Blicken meines Geiſts, zu ſchauen, Nahm mein Gemuͤth, mein ganzes Weſen, ein. Jch fuͤhlte, wie mein Geiſt zu einer Stille kam, Die unbeſchreiblich ſuͤß. Mich fuͤllt’ und uͤbernahm Ein rein Vergnuͤgen, eine Luſt, Die denen nur, die Gott ſich nahn, bewußt. Ein ſanftes Feur, voll einer Gluht, Die aus Bewunderung und Andacht ſtammte, Begeiſterte, beweget’ und beflammte Mein fuͤr Vergnuͤgen wallend Blut. Um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/142
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/142>, abgerufen am 30.12.2024.