Die Tulipanen waren welk; der funkelnden Ranun- keln Roth Entfärbt; die bunten Anemonen von aller Pracht beraubt, und todt. Und kurz: Der jüngst so bunte Garten, der recht bewun- dernswürdig schön, War, ganz von seinem Schmuck entblöst, fast öd' und traurig anzusehn. Mich rührte die Veränderung. Jch dacht': Ach! ist doch alles nichtig! Dieß ist ein Sinnbild aller Dinge. Wir selbst seyn, wie die Bluhmen, flüchtig.
Allein, ich kam, nach wenig Tagen, in eben diesen meinen Garten, Und stutzte, wie ich ihn, von neuem, mit Bluhmen ungezählter Arten, Fast mehr bedecket, als geschmückt, Für unverhoffter Lust und Anmuth mit Recht darob erstaunt, erblickt.
Vor andern aber funkelten, in einer nicht zu zählnden Menge, Jn einer Anmuth-reichen Röthe, und purpurfarbenem Gepränge, Viel aufgeblühte Rosen-Büsche. Es drang ihr lieblich röthlichs Licht, Als wie ein helles Freuden-Feuer, mir in die Seele, durchs Gesicht.
Sie
Die Roſen.
Die Tulipanen waren welk; der funkelnden Ranun- keln Roth Entfaͤrbt; die bunten Anemonen von aller Pracht beraubt, und todt. Und kurz: Der juͤngſt ſo bunte Garten, der recht bewun- dernswuͤrdig ſchoͤn, War, ganz von ſeinem Schmuck entbloͤſt, faſt oͤd’ und traurig anzuſehn. Mich ruͤhrte die Veraͤnderung. Jch dacht’: Ach! iſt doch alles nichtig! Dieß iſt ein Sinnbild aller Dinge. Wir ſelbſt ſeyn, wie die Bluhmen, fluͤchtig.
Allein, ich kam, nach wenig Tagen, in eben dieſen meinen Garten, Und ſtutzte, wie ich ihn, von neuem, mit Bluhmen ungezaͤhlter Arten, Faſt mehr bedecket, als geſchmuͤckt, Fuͤr unverhoffter Luſt und Anmuth mit Recht darob erſtaunt, erblickt.
Vor andern aber funkelten, in einer nicht zu zaͤhlnden Menge, Jn einer Anmuth-reichen Roͤthe, und purpurfarbenem Gepraͤnge, Viel aufgebluͤhte Roſen-Buͤſche. Es drang ihr lieblich roͤthlichs Licht, Als wie ein helles Freuden-Feuer, mir in die Seele, durchs Geſicht.
Sie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0121"n="107"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Die Roſen.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">D</hi>ie Tulipanen waren welk; der funkelnden Ranun-<lb/><hirendition="#et">keln Roth</hi></l><lb/><l>Entfaͤrbt; die bunten Anemonen von aller Pracht<lb/><hirendition="#et">beraubt, und todt.</hi></l><lb/><l>Und kurz: Der juͤngſt ſo bunte Garten, der recht bewun-<lb/><hirendition="#et">dernswuͤrdig ſchoͤn,</hi></l><lb/><l>War, ganz von ſeinem Schmuck entbloͤſt, faſt oͤd’ und<lb/><hirendition="#et">traurig anzuſehn.</hi></l><lb/><l>Mich ruͤhrte die Veraͤnderung. Jch dacht’: Ach!<lb/><hirendition="#et">iſt doch alles nichtig!</hi></l><lb/><l>Dieß iſt ein Sinnbild aller Dinge. <hirendition="#fr">Wir ſelbſt ſeyn,</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr"><hirendition="#et">wie die Bluhmen, fluͤchtig.</hi></hi></l></lg><lb/><lgn="2"><l>Allein, ich kam, nach wenig Tagen, in eben dieſen<lb/><hirendition="#et">meinen Garten,</hi></l><lb/><l>Und ſtutzte, wie ich ihn, von neuem, mit Bluhmen<lb/><hirendition="#et">ungezaͤhlter Arten,</hi></l><lb/><l>Faſt mehr bedecket, als geſchmuͤckt,</l><lb/><l>Fuͤr unverhoffter Luſt und Anmuth mit Recht darob<lb/><hirendition="#et">erſtaunt, erblickt.</hi></l></lg><lb/><lgn="3"><l>Vor andern aber funkelten, in einer nicht zu zaͤhlnden<lb/><hirendition="#et">Menge,</hi></l><lb/><l>Jn einer Anmuth-reichen Roͤthe, und purpurfarbenem<lb/><hirendition="#et">Gepraͤnge,</hi></l><lb/><l>Viel aufgebluͤhte Roſen-Buͤſche. Es drang ihr lieblich<lb/><hirendition="#et">roͤthlichs Licht,</hi></l><lb/><l>Als wie ein helles Freuden-Feuer, mir in die Seele,<lb/><hirendition="#et">durchs Geſicht.</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sie</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[107/0121]
Die Roſen.
Die Tulipanen waren welk; der funkelnden Ranun-
keln Roth
Entfaͤrbt; die bunten Anemonen von aller Pracht
beraubt, und todt.
Und kurz: Der juͤngſt ſo bunte Garten, der recht bewun-
dernswuͤrdig ſchoͤn,
War, ganz von ſeinem Schmuck entbloͤſt, faſt oͤd’ und
traurig anzuſehn.
Mich ruͤhrte die Veraͤnderung. Jch dacht’: Ach!
iſt doch alles nichtig!
Dieß iſt ein Sinnbild aller Dinge. Wir ſelbſt ſeyn,
wie die Bluhmen, fluͤchtig.
Allein, ich kam, nach wenig Tagen, in eben dieſen
meinen Garten,
Und ſtutzte, wie ich ihn, von neuem, mit Bluhmen
ungezaͤhlter Arten,
Faſt mehr bedecket, als geſchmuͤckt,
Fuͤr unverhoffter Luſt und Anmuth mit Recht darob
erſtaunt, erblickt.
Vor andern aber funkelten, in einer nicht zu zaͤhlnden
Menge,
Jn einer Anmuth-reichen Roͤthe, und purpurfarbenem
Gepraͤnge,
Viel aufgebluͤhte Roſen-Buͤſche. Es drang ihr lieblich
roͤthlichs Licht,
Als wie ein helles Freuden-Feuer, mir in die Seele,
durchs Geſicht.
Sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/121>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.