Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Bewährtes Mittel für die Augen.
Wenn wir in einer schönen Landschaft, mit Anmuht
rings umgeben, stehn,
Und, durch die Creatur gerühret, aufmerksamer, als sonst
geschehn,
Den Schmuck derselben zu betrachten und eigentlicher ein-
zusehn,
Noch einst vernünft'ge Triebe fühlen; so finden wir, daß
unsre Augen
(Durch die Gewohnheit fast verblendet, und gleichsam
ungeschickt gemacht)
Der Vorwürf' Anzahl, Zierlichkeit, der Farben Harmonie
und Pracht,
Jndem sie sich zu sehr vertheilen, nicht ordentlich zu sehen
taugen.
Es scheint, als ob sich die Gedanken, so wie der Augen
Strahl, zerstreuen,
Und daß dieß der betrübte Grund, wodurch wir uns der
Welt nicht freuen,
Noch GOtt, in Seiner Creatur, mit mehrerm Eifer, ehren
können.
Wir lassen, mit dem hellen Licht, in unsre sehende Kry-
stallen
Zu viele Vorwürf' auf einmahl, und zwar von allen
Seiten, fallen.
Anstatt daß unsere Vernunft, zu einer Einheit sie zu
ziehn,
Sie nach einander zu betrachten, sie zu bewundern, sich
bemühn,
Und
Bewaͤhrtes Mittel fuͤr die Augen.
Wenn wir in einer ſchoͤnen Landſchaft, mit Anmuht
rings umgeben, ſtehn,
Und, durch die Creatur geruͤhret, aufmerkſamer, als ſonſt
geſchehn,
Den Schmuck derſelben zu betrachten und eigentlicher ein-
zuſehn,
Noch einſt vernuͤnft’ge Triebe fuͤhlen; ſo finden wir, daß
unſre Augen
(Durch die Gewohnheit faſt verblendet, und gleichſam
ungeſchickt gemacht)
Der Vorwuͤrf’ Anzahl, Zierlichkeit, der Farben Harmonie
und Pracht,
Jndem ſie ſich zu ſehr vertheilen, nicht ordentlich zu ſehen
taugen.
Es ſcheint, als ob ſich die Gedanken, ſo wie der Augen
Strahl, zerſtreuen,
Und daß dieß der betruͤbte Grund, wodurch wir uns der
Welt nicht freuen,
Noch GOtt, in Seiner Creatur, mit mehrerm Eifer, ehren
koͤnnen.
Wir laſſen, mit dem hellen Licht, in unſre ſehende Kry-
ſtallen
Zu viele Vorwuͤrf’ auf einmahl, und zwar von allen
Seiten, fallen.
Anſtatt daß unſere Vernunft, zu einer Einheit ſie zu
ziehn,
Sie nach einander zu betrachten, ſie zu bewundern, ſich
bemuͤhn,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0678" n="660"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Bewa&#x0364;hrtes Mittel fu&#x0364;r die Augen.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>enn wir in einer &#x017F;cho&#x0364;nen Land&#x017F;chaft, mit Anmuht</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">rings umgeben, &#x017F;tehn,</hi> </l><lb/>
                <l>Und, durch die Creatur geru&#x0364;hret, aufmerk&#x017F;amer, als &#x017F;on&#x017F;t</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ge&#x017F;chehn,</hi> </l><lb/>
                <l>Den Schmuck der&#x017F;elben zu betrachten und eigentlicher ein-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">zu&#x017F;ehn,</hi> </l><lb/>
                <l>Noch ein&#x017F;t vernu&#x0364;nft&#x2019;ge Triebe fu&#x0364;hlen; &#x017F;o finden wir, daß</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">un&#x017F;re Augen</hi> </l><lb/>
                <l>(Durch die Gewohnheit fa&#x017F;t verblendet, und gleich&#x017F;am</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">unge&#x017F;chickt gemacht)</hi> </l><lb/>
                <l>Der Vorwu&#x0364;rf&#x2019; Anzahl, Zierlichkeit, der Farben Harmonie</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">und Pracht,</hi> </l><lb/>
                <l>Jndem &#x017F;ie &#x017F;ich zu &#x017F;ehr vertheilen, nicht ordentlich zu &#x017F;ehen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">taugen.</hi> </l><lb/>
                <l>Es &#x017F;cheint, als ob &#x017F;ich die Gedanken, &#x017F;o wie der Augen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Strahl, zer&#x017F;treuen,</hi> </l><lb/>
                <l>Und daß dieß der betru&#x0364;bte Grund, wodurch wir uns der</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Welt nicht freuen,</hi> </l><lb/>
                <l>Noch GOtt, in Seiner Creatur, mit mehrerm Eifer, ehren</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ko&#x0364;nnen.</hi> </l><lb/>
                <l>Wir la&#x017F;&#x017F;en, mit dem hellen Licht, in un&#x017F;re &#x017F;ehende Kry-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;tallen</hi> </l><lb/>
                <l>Zu viele Vorwu&#x0364;rf&#x2019; auf einmahl, und zwar von allen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Seiten, fallen.</hi> </l><lb/>
                <l>An&#x017F;tatt daß un&#x017F;ere Vernunft, zu einer Einheit &#x017F;ie zu</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ziehn,</hi> </l><lb/>
                <l>Sie nach einander zu betrachten, &#x017F;ie zu bewundern, &#x017F;ich</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">bemu&#x0364;hn,</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[660/0678] Bewaͤhrtes Mittel fuͤr die Augen. Wenn wir in einer ſchoͤnen Landſchaft, mit Anmuht rings umgeben, ſtehn, Und, durch die Creatur geruͤhret, aufmerkſamer, als ſonſt geſchehn, Den Schmuck derſelben zu betrachten und eigentlicher ein- zuſehn, Noch einſt vernuͤnft’ge Triebe fuͤhlen; ſo finden wir, daß unſre Augen (Durch die Gewohnheit faſt verblendet, und gleichſam ungeſchickt gemacht) Der Vorwuͤrf’ Anzahl, Zierlichkeit, der Farben Harmonie und Pracht, Jndem ſie ſich zu ſehr vertheilen, nicht ordentlich zu ſehen taugen. Es ſcheint, als ob ſich die Gedanken, ſo wie der Augen Strahl, zerſtreuen, Und daß dieß der betruͤbte Grund, wodurch wir uns der Welt nicht freuen, Noch GOtt, in Seiner Creatur, mit mehrerm Eifer, ehren koͤnnen. Wir laſſen, mit dem hellen Licht, in unſre ſehende Kry- ſtallen Zu viele Vorwuͤrf’ auf einmahl, und zwar von allen Seiten, fallen. Anſtatt daß unſere Vernunft, zu einer Einheit ſie zu ziehn, Sie nach einander zu betrachten, ſie zu bewundern, ſich bemuͤhn, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/678
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 660. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/678>, abgerufen am 21.12.2024.