Wenn wir in einer schönen Landschaft, mit Anmuht rings umgeben, stehn, Und, durch die Creatur gerühret, aufmerksamer, als sonst geschehn, Den Schmuck derselben zu betrachten und eigentlicher ein- zusehn, Noch einst vernünft'ge Triebe fühlen; so finden wir, daß unsre Augen (Durch die Gewohnheit fast verblendet, und gleichsam ungeschickt gemacht) Der Vorwürf' Anzahl, Zierlichkeit, der Farben Harmonie und Pracht, Jndem sie sich zu sehr vertheilen, nicht ordentlich zu sehen taugen. Es scheint, als ob sich die Gedanken, so wie der Augen Strahl, zerstreuen, Und daß dieß der betrübte Grund, wodurch wir uns der Welt nicht freuen, Noch GOtt, in Seiner Creatur, mit mehrerm Eifer, ehren können. Wir lassen, mit dem hellen Licht, in unsre sehende Kry- stallen Zu viele Vorwürf' auf einmahl, und zwar von allen Seiten, fallen. Anstatt daß unsere Vernunft, zu einer Einheit sie zu ziehn, Sie nach einander zu betrachten, sie zu bewundern, sich bemühn,
Und
Bewaͤhrtes Mittel fuͤr die Augen.
Wenn wir in einer ſchoͤnen Landſchaft, mit Anmuht rings umgeben, ſtehn, Und, durch die Creatur geruͤhret, aufmerkſamer, als ſonſt geſchehn, Den Schmuck derſelben zu betrachten und eigentlicher ein- zuſehn, Noch einſt vernuͤnft’ge Triebe fuͤhlen; ſo finden wir, daß unſre Augen (Durch die Gewohnheit faſt verblendet, und gleichſam ungeſchickt gemacht) Der Vorwuͤrf’ Anzahl, Zierlichkeit, der Farben Harmonie und Pracht, Jndem ſie ſich zu ſehr vertheilen, nicht ordentlich zu ſehen taugen. Es ſcheint, als ob ſich die Gedanken, ſo wie der Augen Strahl, zerſtreuen, Und daß dieß der betruͤbte Grund, wodurch wir uns der Welt nicht freuen, Noch GOtt, in Seiner Creatur, mit mehrerm Eifer, ehren koͤnnen. Wir laſſen, mit dem hellen Licht, in unſre ſehende Kry- ſtallen Zu viele Vorwuͤrf’ auf einmahl, und zwar von allen Seiten, fallen. Anſtatt daß unſere Vernunft, zu einer Einheit ſie zu ziehn, Sie nach einander zu betrachten, ſie zu bewundern, ſich bemuͤhn,
Und
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Bewaͤhrtes Mittel fuͤr die Augen.
Wenn wir in einer ſchoͤnen Landſchaft, mit Anmuht
rings umgeben, ſtehn,
Und, durch die Creatur geruͤhret, aufmerkſamer, als ſonſt
geſchehn,
Den Schmuck derſelben zu betrachten und eigentlicher ein-
zuſehn,
Noch einſt vernuͤnft’ge Triebe fuͤhlen; ſo finden wir, daß
unſre Augen
(Durch die Gewohnheit faſt verblendet, und gleichſam
ungeſchickt gemacht)
Der Vorwuͤrf’ Anzahl, Zierlichkeit, der Farben Harmonie
und Pracht,
Jndem ſie ſich zu ſehr vertheilen, nicht ordentlich zu ſehen
taugen.
Es ſcheint, als ob ſich die Gedanken, ſo wie der Augen
Strahl, zerſtreuen,
Und daß dieß der betruͤbte Grund, wodurch wir uns der
Welt nicht freuen,
Noch GOtt, in Seiner Creatur, mit mehrerm Eifer, ehren
koͤnnen.
Wir laſſen, mit dem hellen Licht, in unſre ſehende Kry-
ſtallen
Zu viele Vorwuͤrf’ auf einmahl, und zwar von allen
Seiten, fallen.
Anſtatt daß unſere Vernunft, zu einer Einheit ſie zu
ziehn,
Sie nach einander zu betrachten, ſie zu bewundern, ſich
bemuͤhn,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 660. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/678>, abgerufen am 21.12.2024.
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