Wer auch im Winter will des Sommers Schönheit sehn, Kann, ohne Kostbarkeit, gar leicht dazu gelangen. Er darf, wenn alles Laub und andres Grün vergangen, Nur etwas Petrosil und Kerbel, der noch schön, Nebst etwas Sellery, auch Nessel-Blätter pflücken, Und sie, mit etwas Speichel, naß Ans klare Glas Der feuchten Fenster-Scheiben drücken, Nach ordentlichem Rang und selbst beliebter Wahl. Da wir darauf Figuren, Sterne, Cronen, Gebüsche, Bluhmen, ja Festonen, Und nette Kränze selbst, durch leichtes Fügen, Trennen, Ohn' alle Mühe, bilden können. Die Schönheit bleibet stets an Farbe frisch und grün, Wenn es auch gleich befriert, So gar daß selbst das Eis es noch erhält und ziert, Jndem oft ohne Zahl Des Eises zarte Spitzen, Es sey bey Licht, es sey beym Sonnen-Strahl, Als ein bestrahlter Thau im Grünen funkeln, blitzen. Ob auch gleich oftermahl Der Sonnen Feur auf diese Blätter schien, Verwelken sie doch nicht, vielmehr wird, durch das Licht, Das Schöne noch erhöht; und ist es nicht zu gläuben, Und weniger noch zu beschreiben, Welch' Anmuht dieser Schein dem fröhlichen Gesicht Jm ganzen Zimmer zeugt. Es wird ein Glanz verspühret, Als wär es ganz illuminiret.
Mein
Sommer-Luſt im Winter.
Wer auch im Winter will des Sommers Schoͤnheit ſehn, Kann, ohne Koſtbarkeit, gar leicht dazu gelangen. Er darf, wenn alles Laub und andres Gruͤn vergangen, Nur etwas Petroſil und Kerbel, der noch ſchoͤn, Nebſt etwas Sellery, auch Neſſel-Blaͤtter pfluͤcken, Und ſie, mit etwas Speichel, naß Ans klare Glas Der feuchten Fenſter-Scheiben druͤcken, Nach ordentlichem Rang und ſelbſt beliebter Wahl. Da wir darauf Figuren, Sterne, Cronen, Gebuͤſche, Bluhmen, ja Feſtonen, Und nette Kraͤnze ſelbſt, durch leichtes Fuͤgen, Trennen, Ohn’ alle Muͤhe, bilden koͤnnen. Die Schoͤnheit bleibet ſtets an Farbe friſch und gruͤn, Wenn es auch gleich befriert, So gar daß ſelbſt das Eis es noch erhaͤlt und ziert, Jndem oft ohne Zahl Des Eiſes zarte Spitzen, Es ſey bey Licht, es ſey beym Sonnen-Strahl, Als ein beſtrahlter Thau im Gruͤnen funkeln, blitzen. Ob auch gleich oftermahl Der Sonnen Feur auf dieſe Blaͤtter ſchien, Verwelken ſie doch nicht, vielmehr wird, durch das Licht, Das Schoͤne noch erhoͤht; und iſt es nicht zu glaͤuben, Und weniger noch zu beſchreiben, Welch’ Anmuht dieſer Schein dem froͤhlichen Geſicht Jm ganzen Zimmer zeugt. Es wird ein Glanz verſpuͤhret, Als waͤr es ganz illuminiret.
Mein
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[584/0602]
Sommer-Luſt im Winter.
Wer auch im Winter will des Sommers Schoͤnheit
ſehn,
Kann, ohne Koſtbarkeit, gar leicht dazu gelangen.
Er darf, wenn alles Laub und andres Gruͤn vergangen,
Nur etwas Petroſil und Kerbel, der noch ſchoͤn,
Nebſt etwas Sellery, auch Neſſel-Blaͤtter pfluͤcken,
Und ſie, mit etwas Speichel, naß
Ans klare Glas
Der feuchten Fenſter-Scheiben druͤcken,
Nach ordentlichem Rang und ſelbſt beliebter Wahl.
Da wir darauf Figuren, Sterne, Cronen,
Gebuͤſche, Bluhmen, ja Feſtonen,
Und nette Kraͤnze ſelbſt, durch leichtes Fuͤgen, Trennen,
Ohn’ alle Muͤhe, bilden koͤnnen.
Die Schoͤnheit bleibet ſtets an Farbe friſch und gruͤn,
Wenn es auch gleich befriert,
So gar daß ſelbſt das Eis es noch erhaͤlt und ziert,
Jndem oft ohne Zahl
Des Eiſes zarte Spitzen,
Es ſey bey Licht, es ſey beym Sonnen-Strahl,
Als ein beſtrahlter Thau im Gruͤnen funkeln, blitzen.
Ob auch gleich oftermahl
Der Sonnen Feur auf dieſe Blaͤtter ſchien,
Verwelken ſie doch nicht, vielmehr wird, durch das Licht,
Das Schoͤne noch erhoͤht; und iſt es nicht zu glaͤuben,
Und weniger noch zu beſchreiben,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/602>, abgerufen am 21.12.2024.
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