Da, seitdem ich in der Welt, abermahl ein Jahr ver- schwunden, Und nunmehr des sechszigsten erster Tag sich eingefunden; Zieh ich billig die Gedanken ganz von andern Dingen ab, Um, in Andacht, Dem zu danken, welcher mir mein Wesen gab, Welcher mich bisher erhalten, mich beschirmet, mich ernährt, Welcher mir Gesundheit, Frieden, und so manche Lust beschehrt!
Aber, welch ein Trägheits-Nebel suchet mein Gemüht zu füllen, Und das helle Licht der Freuden mit Gewalt fast zu ver- hüllen! Die, bey diesem frohen Tag, sonst verspührte Munterkeit, Das empfindliche Vergnügen, bey der oft erlebten Zeit, Jst so feurig nicht, wie sonst, nicht so fühlbar, nicht so rege, Die sonst fertigen Gedanken sind mehr, als sie pflegten, träge. Ach, mir ist nicht ihre Quell', noch die Ursach' unbekannt! Jch empfinde, wie so leicht hier auf Erden unser Stand Der Verändrung unterworfen, wie so leicht des Unfalls Wellen, Die sich überall erheben, auf den Ocean der Welt, Auch sich gegen einen jeden mit beschäumtem Brausen schwellen, Und zu stürzen drohen können, wär er noch so fest gestellt.
Recht
An meinem Gebuhrts-Tage 1739.
Da, ſeitdem ich in der Welt, abermahl ein Jahr ver- ſchwunden, Und nunmehr des ſechszigſten erſter Tag ſich eingefunden; Zieh ich billig die Gedanken ganz von andern Dingen ab, Um, in Andacht, Dem zu danken, welcher mir mein Weſen gab, Welcher mich bisher erhalten, mich beſchirmet, mich ernaͤhrt, Welcher mir Geſundheit, Frieden, und ſo manche Luſt beſchehrt!
Aber, welch ein Traͤgheits-Nebel ſuchet mein Gemuͤht zu fuͤllen, Und das helle Licht der Freuden mit Gewalt faſt zu ver- huͤllen! Die, bey dieſem frohen Tag, ſonſt verſpuͤhrte Munterkeit, Das empfindliche Vergnuͤgen, bey der oft erlebten Zeit, Jſt ſo feurig nicht, wie ſonſt, nicht ſo fuͤhlbar, nicht ſo rege, Die ſonſt fertigen Gedanken ſind mehr, als ſie pflegten, traͤge. Ach, mir iſt nicht ihre Quell’, noch die Urſach’ unbekannt! Jch empfinde, wie ſo leicht hier auf Erden unſer Stand Der Veraͤndrung unterworfen, wie ſo leicht des Unfalls Wellen, Die ſich uͤberall erheben, auf den Ocean der Welt, Auch ſich gegen einen jeden mit beſchaͤumtem Brauſen ſchwellen, Und zu ſtuͤrzen drohen koͤnnen, waͤr er noch ſo feſt geſtellt.
Recht
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An meinem Gebuhrts-Tage
1739.
Da, ſeitdem ich in der Welt, abermahl ein Jahr ver-
ſchwunden,
Und nunmehr des ſechszigſten erſter Tag ſich eingefunden;
Zieh ich billig die Gedanken ganz von andern Dingen ab,
Um, in Andacht, Dem zu danken, welcher mir mein Weſen
gab,
Welcher mich bisher erhalten, mich beſchirmet, mich ernaͤhrt,
Welcher mir Geſundheit, Frieden, und ſo manche Luſt
beſchehrt!
Aber, welch ein Traͤgheits-Nebel ſuchet mein Gemuͤht
zu fuͤllen,
Und das helle Licht der Freuden mit Gewalt faſt zu ver-
huͤllen!
Die, bey dieſem frohen Tag, ſonſt verſpuͤhrte Munterkeit,
Das empfindliche Vergnuͤgen, bey der oft erlebten Zeit,
Jſt ſo feurig nicht, wie ſonſt, nicht ſo fuͤhlbar, nicht ſo rege,
Die ſonſt fertigen Gedanken ſind mehr, als ſie pflegten, traͤge.
Ach, mir iſt nicht ihre Quell’, noch die Urſach’ unbekannt!
Jch empfinde, wie ſo leicht hier auf Erden unſer Stand
Der Veraͤndrung unterworfen, wie ſo leicht des Unfalls
Wellen,
Die ſich uͤberall erheben, auf den Ocean der Welt,
Auch ſich gegen einen jeden mit beſchaͤumtem Brauſen
ſchwellen,
Und zu ſtuͤrzen drohen koͤnnen, waͤr er noch ſo feſt geſtellt.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/493>, abgerufen am 30.12.2024.
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