Jch habe, mit vergnügter Lust, Und innrer Regung meiner Brust, Gar oft vor dem die Heu-Erndt' angesehen. Jch sah das frische Gras, nicht sonder Anmuht, mähen, Jch sah es, mit empfindlichem Vergnügen, So ordentlich in Schwaden liegen, Jch roch, recht inniglich gerührt, den süssen Duft Der, durch das frische Heu recht balsamierten, Luft, Und dankte GOtt, daß, auch im frischen Heu, Uns Seine Güte jährlich neu: Obgleich von allem, was mich rührte, Was ich mit Augen sah, und durch die Nase spührte, Gar nichts mein eigen war. Jtzt, da mir so viel Wiesen, Durch GOttes Huld, geschenkt, daß, von denselben, man An Fudern mehr, als hundert, machen kann; Hab ich Jhn lange nicht so brünstiglich gepriesen, Als ich gesollt, und als ich schuldig wär. Gewohnheit hat bisher, Mit den fast nicht zu widerstehnden Kräften, Nebst einigen geringen Amts-Geschäften, Von meiner Schuldigkeit mich abgezogen.
Ach, schäme dich, mein Geist, eröffne dein Gesicht, Und, durch so grosse Huld dazu bewogen, Vergiß, für so viel Guts, des Dankens ferner nicht.
Jch
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Vorwuͤrfe an mich ſelbſt zur Zeit der Heu-Erndte.
Jch habe, mit vergnuͤgter Luſt, Und innrer Regung meiner Bruſt, Gar oft vor dem die Heu-Erndt’ angeſehen. Jch ſah das friſche Gras, nicht ſonder Anmuht, maͤhen, Jch ſah es, mit empfindlichem Vergnuͤgen, So ordentlich in Schwaden liegen, Jch roch, recht inniglich geruͤhrt, den ſuͤſſen Duft Der, durch das friſche Heu recht balſamierten, Luft, Und dankte GOtt, daß, auch im friſchen Heu, Uns Seine Guͤte jaͤhrlich neu: Obgleich von allem, was mich ruͤhrte, Was ich mit Augen ſah, und durch die Naſe ſpuͤhrte, Gar nichts mein eigen war. Jtzt, da mir ſo viel Wieſen, Durch GOttes Huld, geſchenkt, daß, von denſelben, man An Fudern mehr, als hundert, machen kann; Hab ich Jhn lange nicht ſo bruͤnſtiglich geprieſen, Als ich geſollt, und als ich ſchuldig waͤr. Gewohnheit hat bisher, Mit den faſt nicht zu widerſtehnden Kraͤften, Nebſt einigen geringen Amts-Geſchaͤften, Von meiner Schuldigkeit mich abgezogen.
Ach, ſchaͤme dich, mein Geiſt, eroͤffne dein Geſicht, Und, durch ſo groſſe Huld dazu bewogen, Vergiß, fuͤr ſo viel Guts, des Dankens ferner nicht.
Jch
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Vorwuͤrfe an mich ſelbſt
zur
Zeit der Heu-Erndte.
Jch habe, mit vergnuͤgter Luſt,
Und innrer Regung meiner Bruſt,
Gar oft vor dem die Heu-Erndt’ angeſehen.
Jch ſah das friſche Gras, nicht ſonder Anmuht, maͤhen,
Jch ſah es, mit empfindlichem Vergnuͤgen,
So ordentlich in Schwaden liegen,
Jch roch, recht inniglich geruͤhrt, den ſuͤſſen Duft
Der, durch das friſche Heu recht balſamierten, Luft,
Und dankte GOtt, daß, auch im friſchen Heu,
Uns Seine Guͤte jaͤhrlich neu:
Obgleich von allem, was mich ruͤhrte,
Was ich mit Augen ſah, und durch die Naſe ſpuͤhrte,
Gar nichts mein eigen war. Jtzt, da mir ſo viel Wieſen,
Durch GOttes Huld, geſchenkt, daß, von denſelben, man
An Fudern mehr, als hundert, machen kann;
Hab ich Jhn lange nicht ſo bruͤnſtiglich geprieſen,
Als ich geſollt, und als ich ſchuldig waͤr.
Gewohnheit hat bisher,
Mit den faſt nicht zu widerſtehnden Kraͤften,
Nebſt einigen geringen Amts-Geſchaͤften,
Von meiner Schuldigkeit mich abgezogen.
Ach, ſchaͤme dich, mein Geiſt, eroͤffne dein Geſicht,
Und, durch ſo groſſe Huld dazu bewogen,
Vergiß, fuͤr ſo viel Guts, des Dankens ferner nicht.
Jch
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/235>, abgerufen am 22.12.2024.
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