Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Ehe.
Die Ehe.
So wie die Pflicht der Nächsten Liebe die größte fast von
unsern Pflichten,

Die uns Natur und Schrift befiehlt, uns selbst zum Besten, aus-
zurichten:

So ist, von dieser Liebes-Pflicht, die süsse Neigung in der Eh,
Als wie der Kern der Nächsten-Liebe, vor allen die beträcht-
lichste,

Die nöthigste von allen andern, da wir ja überzeuglich finden,
Daß sich die Nächst-und Eigen-Liebe in ihr unmittelbar ver-
binden.
Wie sehr ist es denn zu bedauren, und fast mit Thränen
zu beklagen,

Daß eine von Natur für uns bestimmte Quelle vieler Freuden,
Vergnügens, Lieblichkeit und Anmuth, ein rechter Pfuhl von
Qual und Leiden,

Verdruß, Verzweiflung, Bitterkeit, Haß, Thränen Ekel,
Gram und Plagen,

Durch eigene Bemühung, wird. Wir selber mischen Gall
und Gift,

Jn unsrer Ehe süße Kost, da es uns denn ja selber trifft,
Wenn wir den Tod in Töpfen finden. Die allermeisten Men-
schen meynen,

Sie lieben sich, da sie jedoch, wenn man es wohl erweget,
scheinen,

Ob haßten sie sich selbst am meisten. Dadurch, daß wir am
Nächsten nichts,

Als seine Schwachheit, sein Bergehn, und seine Fehler nur
betrachten,
Und
Die Ehe.
Die Ehe.
So wie die Pflicht der Naͤchſten Liebe die groͤßte faſt von
unſern Pflichten,

Die uns Natur und Schrift befiehlt, uns ſelbſt zum Beſten, aus-
zurichten:

So iſt, von dieſer Liebes-Pflicht, die ſuͤſſe Neigung in der Eh,
Als wie der Kern der Naͤchſten-Liebe, vor allen die betraͤcht-
lichſte,

Die noͤthigſte von allen andern, da wir ja uͤberzeuglich finden,
Daß ſich die Naͤchſt-und Eigen-Liebe in ihr unmittelbar ver-
binden.
Wie ſehr iſt es denn zu bedauren, und faſt mit Thraͤnen
zu beklagen,

Daß eine von Natur fuͤr uns beſtimmte Quelle vieler Freuden,
Vergnuͤgens, Lieblichkeit und Anmuth, ein rechter Pfuhl von
Qual und Leiden,

Verdruß, Verzweiflung, Bitterkeit, Haß, Thraͤnen Ekel,
Gram und Plagen,

Durch eigene Bemuͤhung, wird. Wir ſelber miſchen Gall
und Gift,

Jn unſrer Ehe ſuͤße Koſt, da es uns denn ja ſelber trifft,
Wenn wir den Tod in Toͤpfen finden. Die allermeiſten Men-
ſchen meynen,

Sie lieben ſich, da ſie jedoch, wenn man es wohl erweget,
ſcheinen,

Ob haßten ſie ſich ſelbſt am meiſten. Dadurch, daß wir am
Naͤchſten nichts,

Als ſeine Schwachheit, ſein Bergehn, und ſeine Fehler nur
betrachten,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0582" n="558"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Ehe.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Ehe.</hi> </head><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">S</hi>o wie die Pflicht der Na&#x0364;ch&#x017F;ten Liebe die gro&#x0364;ßte fa&#x017F;t von<lb/><hi rendition="#et">un&#x017F;ern Pflichten,</hi></l><lb/>
            <l>Die uns Natur und Schrift befiehlt, uns &#x017F;elb&#x017F;t zum Be&#x017F;ten, aus-<lb/><hi rendition="#et">zurichten:</hi></l><lb/>
            <l>So i&#x017F;t, von die&#x017F;er Liebes-Pflicht, die &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Neigung in der Eh,</l><lb/>
            <l>Als wie der Kern der Na&#x0364;ch&#x017F;ten-Liebe, vor allen die betra&#x0364;cht-<lb/><hi rendition="#et">lich&#x017F;te,</hi></l><lb/>
            <l>Die no&#x0364;thig&#x017F;te von allen andern, da wir ja u&#x0364;berzeuglich finden,</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ich die Na&#x0364;ch&#x017F;t-und Eigen-Liebe in ihr unmittelbar ver-<lb/><hi rendition="#et">binden.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Wie &#x017F;ehr i&#x017F;t es denn zu bedauren, und fa&#x017F;t mit Thra&#x0364;nen<lb/><hi rendition="#et">zu beklagen,</hi></l><lb/>
            <l>Daß eine von Natur fu&#x0364;r uns be&#x017F;timmte Quelle vieler Freuden,</l><lb/>
            <l>Vergnu&#x0364;gens, Lieblichkeit und Anmuth, ein rechter Pfuhl von<lb/><hi rendition="#et">Qual und Leiden,</hi></l><lb/>
            <l>Verdruß, Verzweiflung, Bitterkeit, Haß, Thra&#x0364;nen Ekel,<lb/><hi rendition="#et">Gram und Plagen,</hi></l><lb/>
            <l>Durch eigene Bemu&#x0364;hung, wird. Wir &#x017F;elber mi&#x017F;chen Gall<lb/><hi rendition="#et">und Gift,</hi></l><lb/>
            <l>Jn un&#x017F;rer Ehe &#x017F;u&#x0364;ße Ko&#x017F;t, da es uns denn ja &#x017F;elber trifft,</l><lb/>
            <l>Wenn wir den Tod in To&#x0364;pfen finden. Die allermei&#x017F;ten Men-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chen meynen,</hi></l><lb/>
            <l>Sie lieben &#x017F;ich, da &#x017F;ie jedoch, wenn man es wohl erweget,<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;cheinen,</hi></l><lb/>
            <l>Ob haßten &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t am mei&#x017F;ten. Dadurch, daß wir am<lb/><hi rendition="#et">Na&#x0364;ch&#x017F;ten nichts,</hi></l><lb/>
            <l>Als &#x017F;eine Schwachheit, &#x017F;ein Bergehn, und &#x017F;eine Fehler nur<lb/><hi rendition="#et">betrachten,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[558/0582] Die Ehe. Die Ehe. So wie die Pflicht der Naͤchſten Liebe die groͤßte faſt von unſern Pflichten, Die uns Natur und Schrift befiehlt, uns ſelbſt zum Beſten, aus- zurichten: So iſt, von dieſer Liebes-Pflicht, die ſuͤſſe Neigung in der Eh, Als wie der Kern der Naͤchſten-Liebe, vor allen die betraͤcht- lichſte, Die noͤthigſte von allen andern, da wir ja uͤberzeuglich finden, Daß ſich die Naͤchſt-und Eigen-Liebe in ihr unmittelbar ver- binden. Wie ſehr iſt es denn zu bedauren, und faſt mit Thraͤnen zu beklagen, Daß eine von Natur fuͤr uns beſtimmte Quelle vieler Freuden, Vergnuͤgens, Lieblichkeit und Anmuth, ein rechter Pfuhl von Qual und Leiden, Verdruß, Verzweiflung, Bitterkeit, Haß, Thraͤnen Ekel, Gram und Plagen, Durch eigene Bemuͤhung, wird. Wir ſelber miſchen Gall und Gift, Jn unſrer Ehe ſuͤße Koſt, da es uns denn ja ſelber trifft, Wenn wir den Tod in Toͤpfen finden. Die allermeiſten Men- ſchen meynen, Sie lieben ſich, da ſie jedoch, wenn man es wohl erweget, ſcheinen, Ob haßten ſie ſich ſelbſt am meiſten. Dadurch, daß wir am Naͤchſten nichts, Als ſeine Schwachheit, ſein Bergehn, und ſeine Fehler nur betrachten, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/582
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/582>, abgerufen am 21.11.2024.