Seht bewundernd, wie die Pflanze, deren Frucht ein Thier verzehret, Und dadurch genähret worden, von demselben Thier sich nähret, Wenn es nemlich an dem Ort, wo dieselbe Pflanze steht, Etwan stirbet, fault, vermodert, und an ihrem Fuß vergeht, Da sie denn, wenn sie dadurch, auf das neu gestärket, grünet, Einem Thier von gleicher Art wiederum zur Nahrung dienet.
Dieses ist der große Zirkel, welchen Gott zur Daur der Welt, Wundernswürdig einst geordnet, und in seinem Stand erhält. Währte dieser Zirkel nicht: Müßten wir im Schlamm ersaufen, Und es würde, sonder Zweifel, der jetzt schöne Bau der Erden, Als ein Mist- und Unrath-Hausen, Leer und unbewohnet werden.
Wun-
L 2
Der große Zirkel.
Der große Zirkel.
Seht bewundernd, wie die Pflanze, deren Frucht ein Thier verzehret, Und dadurch genaͤhret worden, von demſelben Thier ſich naͤhret, Wenn es nemlich an dem Ort, wo dieſelbe Pflanze ſteht, Etwan ſtirbet, fault, vermodert, und an ihrem Fuß vergeht, Da ſie denn, wenn ſie dadurch, auf das neu geſtaͤrket, gruͤnet, Einem Thier von gleicher Art wiederum zur Nahrung dienet.
Dieſes iſt der große Zirkel, welchen Gott zur Daur der Welt, Wundernswuͤrdig einſt geordnet, und in ſeinem Stand erhaͤlt. Waͤhrte dieſer Zirkel nicht: Muͤßten wir im Schlamm erſaufen, Und es wuͤrde, ſonder Zweifel, der jetzt ſchoͤne Bau der Erden, Als ein Miſt- und Unrath-Hauſen, Leer und unbewohnet werden.
Wun-
L 2
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0555"n="531"/><fwplace="top"type="header">Der große Zirkel.</fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Der große Zirkel.</hi></head><lb/><lgn="1"><l><hirendition="#in">S</hi>eht bewundernd, wie die Pflanze, deren Frucht ein Thier<lb/><hirendition="#et">verzehret,</hi></l><lb/><l>Und dadurch genaͤhret worden, von demſelben Thier ſich naͤhret,</l><lb/><l>Wenn es nemlich an dem Ort, wo dieſelbe Pflanze ſteht,</l><lb/><l>Etwan ſtirbet, fault, vermodert, und an ihrem Fuß vergeht,</l><lb/><l>Da ſie denn, wenn ſie dadurch, auf das neu geſtaͤrket, gruͤnet,</l><lb/><l>Einem Thier von gleicher Art wiederum zur Nahrung dienet.</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Dieſes iſt der große Zirkel, welchen Gott zur Daur der Welt,</l><lb/><l>Wundernswuͤrdig einſt geordnet, und in ſeinem Stand erhaͤlt.</l><lb/><l>Waͤhrte dieſer Zirkel nicht: Muͤßten wir im Schlamm erſaufen,</l><lb/><l>Und es wuͤrde, ſonder Zweifel, der jetzt ſchoͤne Bau der Erden,</l><lb/><l>Als ein Miſt- und Unrath-Hauſen,</l><lb/><l>Leer und unbewohnet werden.</l></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Wun-</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[531/0555]
Der große Zirkel.
Der große Zirkel.
Seht bewundernd, wie die Pflanze, deren Frucht ein Thier
verzehret,
Und dadurch genaͤhret worden, von demſelben Thier ſich naͤhret,
Wenn es nemlich an dem Ort, wo dieſelbe Pflanze ſteht,
Etwan ſtirbet, fault, vermodert, und an ihrem Fuß vergeht,
Da ſie denn, wenn ſie dadurch, auf das neu geſtaͤrket, gruͤnet,
Einem Thier von gleicher Art wiederum zur Nahrung dienet.
Dieſes iſt der große Zirkel, welchen Gott zur Daur der Welt,
Wundernswuͤrdig einſt geordnet, und in ſeinem Stand erhaͤlt.
Waͤhrte dieſer Zirkel nicht: Muͤßten wir im Schlamm erſaufen,
Und es wuͤrde, ſonder Zweifel, der jetzt ſchoͤne Bau der Erden,
Als ein Miſt- und Unrath-Hauſen,
Leer und unbewohnet werden.
Wun-
L 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/555>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.