Unverantwortliches Zanken über das göttliche Wesen.
Sollt einer nur, von deinen Sinnen, fehlen; Was würde nicht dein Geist, von jetzt bekannten Sachen, Für ungereimt und falsche Ding erzählen, Für irrigen Begriff sich machen! Und eben dieser Geist, der keinen Körper kennt, Und bloß durch Selbstbetrug, sich unbetrieglich nennt, Will sich vermessen unterstehen, Jns undurchdringlich helle Licht Der Gottheit, das die Cherubinen, Kaum anzuschauen, sich erkühnen, So freventlich hinein zu sehen? Ja sucht die aus ihm selbst gesponnene Gedanken, Auch andern Geistern aufzudringen, Und durch ein mehr als hündisch Zanken, Zu seiner Meynung sie zu zwingen! Vermaledeyte Frucht des Hochmuths! kann auf Erden, Was toll-was närrischer, Ja fast was viehischer, Und Gott vergessener gefunden werden? Die wahre Gottheit muß allein, Mit tiefester Erniedrigung, Mit ehrerbietigster Bewunderung, Mit untergebenem Verstand, Und auf den Mund gelegter Hand, Am würdigsten geehrt und angebethet seyn.
Un-
Unverantwortliches Zanken.
Unverantwortliches Zanken uͤber das goͤttliche Weſen.
Sollt einer nur, von deinen Sinnen, fehlen; Was wuͤrde nicht dein Geiſt, von jetzt bekannten Sachen, Fuͤr ungereimt und falſche Ding erzaͤhlen, Fuͤr irrigen Begriff ſich machen! Und eben dieſer Geiſt, der keinen Koͤrper kennt, Und bloß durch Selbſtbetrug, ſich unbetrieglich nennt, Will ſich vermeſſen unterſtehen, Jns undurchdringlich helle Licht Der Gottheit, das die Cherubinen, Kaum anzuſchauen, ſich erkuͤhnen, So freventlich hinein zu ſehen? Ja ſucht die aus ihm ſelbſt geſponnene Gedanken, Auch andern Geiſtern aufzudringen, Und durch ein mehr als huͤndiſch Zanken, Zu ſeiner Meynung ſie zu zwingen! Vermaledeyte Frucht des Hochmuths! kann auf Erden, Was toll-was naͤrriſcher, Ja faſt was viehiſcher, Und Gott vergeſſener gefunden werden? Die wahre Gottheit muß allein, Mit tiefeſter Erniedrigung, Mit ehrerbietigſter Bewunderung, Mit untergebenem Verſtand, Und auf den Mund gelegter Hand, Am wuͤrdigſten geehrt und angebethet ſeyn.
Un-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0552"n="528"/><fwplace="top"type="header">Unverantwortliches Zanken.</fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Unverantwortliches Zanken<lb/>
uͤber das goͤttliche Weſen.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">S</hi>ollt einer nur, von deinen Sinnen, fehlen;</l><lb/><l>Was wuͤrde nicht dein Geiſt, von jetzt bekannten Sachen,</l><lb/><l>Fuͤr ungereimt und falſche Ding erzaͤhlen,</l><lb/><l>Fuͤr irrigen Begriff ſich machen!</l><lb/><l>Und eben dieſer Geiſt, der keinen Koͤrper kennt,</l><lb/><l>Und bloß durch Selbſtbetrug, ſich unbetrieglich nennt,</l><lb/><l>Will ſich vermeſſen unterſtehen,</l><lb/><l>Jns undurchdringlich helle Licht</l><lb/><l>Der Gottheit, das die Cherubinen,</l><lb/><l>Kaum anzuſchauen, ſich erkuͤhnen,</l><lb/><l>So freventlich hinein zu ſehen?</l><lb/><l>Ja ſucht die aus ihm ſelbſt geſponnene Gedanken,</l><lb/><l>Auch andern Geiſtern aufzudringen,</l><lb/><l>Und durch ein mehr als huͤndiſch Zanken,</l><lb/><l>Zu ſeiner Meynung ſie zu zwingen!</l><lb/><l>Vermaledeyte Frucht des Hochmuths! kann auf Erden,</l><lb/><l>Was toll-was naͤrriſcher,</l><lb/><l>Ja faſt was viehiſcher,</l><lb/><l>Und Gott vergeſſener gefunden werden?</l><lb/><l>Die wahre Gottheit muß allein,</l><lb/><l>Mit tiefeſter Erniedrigung,</l><lb/><l>Mit ehrerbietigſter Bewunderung,</l><lb/><l>Mit untergebenem Verſtand,</l><lb/><l>Und auf den Mund gelegter Hand,</l><lb/><l>Am wuͤrdigſten geehrt und angebethet ſeyn.</l></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Un-</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[528/0552]
Unverantwortliches Zanken.
Unverantwortliches Zanken
uͤber das goͤttliche Weſen.
Sollt einer nur, von deinen Sinnen, fehlen;
Was wuͤrde nicht dein Geiſt, von jetzt bekannten Sachen,
Fuͤr ungereimt und falſche Ding erzaͤhlen,
Fuͤr irrigen Begriff ſich machen!
Und eben dieſer Geiſt, der keinen Koͤrper kennt,
Und bloß durch Selbſtbetrug, ſich unbetrieglich nennt,
Will ſich vermeſſen unterſtehen,
Jns undurchdringlich helle Licht
Der Gottheit, das die Cherubinen,
Kaum anzuſchauen, ſich erkuͤhnen,
So freventlich hinein zu ſehen?
Ja ſucht die aus ihm ſelbſt geſponnene Gedanken,
Auch andern Geiſtern aufzudringen,
Und durch ein mehr als huͤndiſch Zanken,
Zu ſeiner Meynung ſie zu zwingen!
Vermaledeyte Frucht des Hochmuths! kann auf Erden,
Was toll-was naͤrriſcher,
Ja faſt was viehiſcher,
Und Gott vergeſſener gefunden werden?
Die wahre Gottheit muß allein,
Mit tiefeſter Erniedrigung,
Mit ehrerbietigſter Bewunderung,
Mit untergebenem Verſtand,
Und auf den Mund gelegter Hand,
Am wuͤrdigſten geehrt und angebethet ſeyn.
Un-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/552>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.