Jch habe leider wohl vor dem, von einer Atheisterey, Die man Stratonicam genannt, mit Widerwillen was gelesen, Die lehrete, daß von Natur, der Urstoffstheile wahres Wesen Mit Leben, mit Empfindlichkeit, und Sinnlichkeit begabet sey, Ja, daß ein jedes Theil, ob ihm Vernunft gleich fehlt und Wissenschaft, Sich doch an sich begabet finde, mit einer Denk-und Zeugungs- Kraft. Jch hab auch, nach der Zeit, von der halb klug-halb lächerli- chen Lehr, Von einem Zufall aller Dinge, von einem blinden Ungefehr, Gar viel gehöret und gelesen: So weit sich meine Kräft er- strecken, War ich zuweilen auch bemüht, derselben Schwäche zu entdecken. Heut aber treff ich, gegen beyde, solch einen weisen Lehrer an, Von dem ich, sonder Eitelkeit, mir dieses wohl versprechen kann: Daß er, mit solchen starken Schlüssen, daß sie gefehlet und geirrt, Vielleicht nach eigenem Geständniß, sie völlig überzeugen wird.
Der große Lehrer ist ein Wurm, an dem sich nicht die Theil allein Von ungefähr nur einmal fügen, und ihn zum ganzen Wurm formiren,
Nein
Beſchaͤmung zweyerley Atheiſten.
Beſchaͤmung zweyerley Atheiſten.
Jch habe leider wohl vor dem, von einer Atheiſterey, Die man Stratonicam genannt, mit Widerwillen was geleſen, Die lehrete, daß von Natur, der Urſtoffstheile wahres Weſen Mit Leben, mit Empfindlichkeit, und Sinnlichkeit begabet ſey, Ja, daß ein jedes Theil, ob ihm Vernunft gleich fehlt und Wiſſenſchaft, Sich doch an ſich begabet finde, mit einer Denk-und Zeugungs- Kraft. Jch hab auch, nach der Zeit, von der halb klug-halb laͤcherli- chen Lehr, Von einem Zufall aller Dinge, von einem blinden Ungefehr, Gar viel gehoͤret und geleſen: So weit ſich meine Kraͤft er- ſtrecken, War ich zuweilen auch bemuͤht, derſelben Schwaͤche zu entdecken. Heut aber treff ich, gegen beyde, ſolch einen weiſen Lehrer an, Von dem ich, ſonder Eitelkeit, mir dieſes wohl verſprechen kann: Daß er, mit ſolchen ſtarken Schluͤſſen, daß ſie gefehlet und geirrt, Vielleicht nach eigenem Geſtaͤndniß, ſie voͤllig uͤberzeugen wird.
Der große Lehrer iſt ein Wurm, an dem ſich nicht die Theil allein Von ungefaͤhr nur einmal fuͤgen, und ihn zum ganzen Wurm formiren,
Nein
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0484"n="460"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Beſchaͤmung zweyerley Atheiſten.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Beſchaͤmung<lb/>
zweyerley Atheiſten.</hi></head><lb/><lgn="58"><l><hirendition="#in">J</hi>ch habe leider wohl vor dem, von einer Atheiſterey,</l><lb/><l>Die man Stratonicam genannt, mit Widerwillen was<lb/><hirendition="#et">geleſen,</hi></l><lb/><l>Die lehrete, daß von Natur, der Urſtoffstheile wahres Weſen</l><lb/><l>Mit Leben, mit Empfindlichkeit, und Sinnlichkeit begabet ſey,</l><lb/><l>Ja, daß ein jedes Theil, ob ihm Vernunft gleich fehlt und<lb/><hirendition="#et">Wiſſenſchaft,</hi></l><lb/><l>Sich doch an ſich begabet finde, mit einer Denk-und Zeugungs-<lb/><hirendition="#et">Kraft.</hi></l><lb/><l>Jch hab auch, nach der Zeit, von der halb klug-halb laͤcherli-<lb/><hirendition="#et">chen Lehr,</hi></l><lb/><l>Von einem Zufall aller Dinge, von einem blinden Ungefehr,</l><lb/><l>Gar viel gehoͤret und geleſen: So weit ſich meine Kraͤft er-<lb/><hirendition="#et">ſtrecken,</hi></l><lb/><l>War ich zuweilen auch bemuͤht, derſelben Schwaͤche zu entdecken.</l><lb/><l>Heut aber treff ich, gegen beyde, ſolch einen weiſen Lehrer an,</l><lb/><l>Von dem ich, ſonder Eitelkeit, mir dieſes wohl verſprechen<lb/><hirendition="#et">kann:</hi></l><lb/><l>Daß er, mit ſolchen ſtarken Schluͤſſen, daß ſie gefehlet und<lb/><hirendition="#et">geirrt,</hi></l><lb/><l>Vielleicht nach eigenem Geſtaͤndniß, ſie voͤllig uͤberzeugen wird.</l></lg><lb/><lgn="59"><l>Der große Lehrer iſt ein Wurm, an dem ſich nicht die<lb/><hirendition="#et">Theil allein</hi></l><lb/><l>Von ungefaͤhr nur einmal fuͤgen, und ihn zum ganzen Wurm<lb/><hirendition="#et">formiren,</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Nein</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[460/0484]
Beſchaͤmung zweyerley Atheiſten.
Beſchaͤmung
zweyerley Atheiſten.
Jch habe leider wohl vor dem, von einer Atheiſterey,
Die man Stratonicam genannt, mit Widerwillen was
geleſen,
Die lehrete, daß von Natur, der Urſtoffstheile wahres Weſen
Mit Leben, mit Empfindlichkeit, und Sinnlichkeit begabet ſey,
Ja, daß ein jedes Theil, ob ihm Vernunft gleich fehlt und
Wiſſenſchaft,
Sich doch an ſich begabet finde, mit einer Denk-und Zeugungs-
Kraft.
Jch hab auch, nach der Zeit, von der halb klug-halb laͤcherli-
chen Lehr,
Von einem Zufall aller Dinge, von einem blinden Ungefehr,
Gar viel gehoͤret und geleſen: So weit ſich meine Kraͤft er-
ſtrecken,
War ich zuweilen auch bemuͤht, derſelben Schwaͤche zu entdecken.
Heut aber treff ich, gegen beyde, ſolch einen weiſen Lehrer an,
Von dem ich, ſonder Eitelkeit, mir dieſes wohl verſprechen
kann:
Daß er, mit ſolchen ſtarken Schluͤſſen, daß ſie gefehlet und
geirrt,
Vielleicht nach eigenem Geſtaͤndniß, ſie voͤllig uͤberzeugen wird.
Der große Lehrer iſt ein Wurm, an dem ſich nicht die
Theil allein
Von ungefaͤhr nur einmal fuͤgen, und ihn zum ganzen Wurm
formiren,
Nein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/484>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.