Jch habe, durch des Höchsten Huld, erlaubte Lüste dieser Welt, Jm Ueberfluß, geschmeckt, auf manche Art empfunden: Allein ich hab auch oft gefunden, Daß sie, eh ich mirs vorgestellt, Und meistens unvermerkt, verschwunden.
Jch dachte oftermal hiebey, Ob denn die Freuden fest zu binden, Die Anmuth länger zu empfinden, So gar kein einzigs Mittel sey? Und fand zuletzt, daß bloß das Denken Uns fähig, eine Lust, von längrer Daur, zu schenken.
Durch Denken kann und mag allein Uns der Genuß der Lust nur zugeeignet seyn. Wir werden, wenn wir uns ergründen, Beym Künftigen, bey uns, ein Denken finden, Das wir gemeiniglich die Hoffnung nennen. Wir finden vom Vergangnen auch, Daß wir uns sein erinnern können; Und dieses Denken ist bey uns der Brauch, Daß wir es das Gedächtniß nennen.
Soll denn die Gegenwart allein Ohn alles Denken seyn? Dieß Denken ist, wenn wir auf etwas achten, Und heisset billig, das Betrachten. Jndem uns nun in diesem Leben, Die Gegenwart allein, zu unserm Brauch gegeben: So ist es ja Bedaurens-werth,
Daß
Verlaͤngerung des Vergnuͤgens.
Verlaͤngerung des Vergnuͤgens.
Jch habe, durch des Hoͤchſten Huld, erlaubte Luͤſte dieſer Welt, Jm Ueberfluß, geſchmeckt, auf manche Art empfunden: Allein ich hab auch oft gefunden, Daß ſie, eh ich mirs vorgeſtellt, Und meiſtens unvermerkt, verſchwunden.
Jch dachte oftermal hiebey, Ob denn die Freuden feſt zu binden, Die Anmuth laͤnger zu empfinden, So gar kein einzigs Mittel ſey? Und fand zuletzt, daß bloß das Denken Uns faͤhig, eine Luſt, von laͤngrer Daur, zu ſchenken.
Durch Denken kann und mag allein Uns der Genuß der Luſt nur zugeeignet ſeyn. Wir werden, wenn wir uns ergruͤnden, Beym Kuͤnftigen, bey uns, ein Denken finden, Das wir gemeiniglich die Hoffnung nennen. Wir finden vom Vergangnen auch, Daß wir uns ſein erinnern koͤnnen; Und dieſes Denken iſt bey uns der Brauch, Daß wir es das Gedaͤchtniß nennen.
Soll denn die Gegenwart allein Ohn alles Denken ſeyn? Dieß Denken iſt, wenn wir auf etwas achten, Und heiſſet billig, das Betrachten. Jndem uns nun in dieſem Leben, Die Gegenwart allein, zu unſerm Brauch gegeben: So iſt es ja Bedaurens-werth,
Daß
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Verlaͤngerung des Vergnuͤgens.
Verlaͤngerung des Vergnuͤgens.
Jch habe, durch des Hoͤchſten Huld, erlaubte Luͤſte dieſer Welt,
Jm Ueberfluß, geſchmeckt, auf manche Art empfunden:
Allein ich hab auch oft gefunden,
Daß ſie, eh ich mirs vorgeſtellt,
Und meiſtens unvermerkt, verſchwunden.
Jch dachte oftermal hiebey,
Ob denn die Freuden feſt zu binden,
Die Anmuth laͤnger zu empfinden,
So gar kein einzigs Mittel ſey?
Und fand zuletzt, daß bloß das Denken
Uns faͤhig, eine Luſt, von laͤngrer Daur, zu ſchenken.
Durch Denken kann und mag allein
Uns der Genuß der Luſt nur zugeeignet ſeyn.
Wir werden, wenn wir uns ergruͤnden,
Beym Kuͤnftigen, bey uns, ein Denken finden,
Das wir gemeiniglich die Hoffnung nennen.
Wir finden vom Vergangnen auch,
Daß wir uns ſein erinnern koͤnnen;
Und dieſes Denken iſt bey uns der Brauch,
Daß wir es das Gedaͤchtniß nennen.
Soll denn die Gegenwart allein
Ohn alles Denken ſeyn?
Dieß Denken iſt, wenn wir auf etwas achten,
Und heiſſet billig, das Betrachten.
Jndem uns nun in dieſem Leben,
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So iſt es ja Bedaurens-werth,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/432>, abgerufen am 21.12.2024.
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