Es ist mir oftermal der Zweifel aufgestiegen, Ob auch die Menschheit wohl, der Gottheit zum Vergnügen, Jhm Lob und Ruhm und Preis und Ehre Zu geben, fähig wäre, Da wir so niedrig und so klein, Jm Gegensatz von seiner Größe, seyn? Könnt eine Mücke wohl, gedacht ich, durch ihr Singen, Uns Ruhm und Preis und Ehre bringen? Noch minder wird, durch uns, der Gottheit Ruhm erhöht. Zumal, da unser Dienst im Bethen meist besteht, Jm Bethen, worin wir, wenn wirs recht überlegen, Weit mehr, als unserm Gott, uns selbst zu dienen pflegen. Allein es fiel mir auch hingegen ein, Was wir, durch den Verstand, für Gaben, Für andere Geschöpf, empfangen haben, Ja daß, selbst durchs Gebeth, ob es gleich nicht so scheint, Man Gott mehr dienet, als man meynt. Jch muß es, dir und mir zur Lehr und Trost, erzählen: Wir opfern im Gebeth, nicht nur von unsern Seelen, Der Gottheit einen Theil; wir zeigen noch dabey, Daß wir begreif- und überzeuglich wissen, Wie Gott so groß, und uns zu helfen mächtig sey, Daß wir, allein durch ihn, geholfen werden müssen. Glaub, Hoffnung, Demuth, Lieb und eine Zuversicht, Er werde, wie er kann, auch uns zum Besten, wollen, Steckt alles im Gebeth. So laßt nach unsrer Pflicht, Uns Gott, was ihm gebührt, im brünstgem Bethen, zollen.
Ja
Schuldigkeit der Menſchen Gott zu dienen.
Schuldigkeit der Menſchen Gott zu dienen.
Es iſt mir oftermal der Zweifel aufgeſtiegen, Ob auch die Menſchheit wohl, der Gottheit zum Vergnuͤgen, Jhm Lob und Ruhm und Preis und Ehre Zu geben, faͤhig waͤre, Da wir ſo niedrig und ſo klein, Jm Gegenſatz von ſeiner Groͤße, ſeyn? Koͤnnt eine Muͤcke wohl, gedacht ich, durch ihr Singen, Uns Ruhm und Preis und Ehre bringen? Noch minder wird, durch uns, der Gottheit Ruhm erhoͤht. Zumal, da unſer Dienſt im Bethen meiſt beſteht, Jm Bethen, worin wir, wenn wirs recht uͤberlegen, Weit mehr, als unſerm Gott, uns ſelbſt zu dienen pflegen. Allein es fiel mir auch hingegen ein, Was wir, durch den Verſtand, fuͤr Gaben, Fuͤr andere Geſchoͤpf, empfangen haben, Ja daß, ſelbſt durchs Gebeth, ob es gleich nicht ſo ſcheint, Man Gott mehr dienet, als man meynt. Jch muß es, dir und mir zur Lehr und Troſt, erzaͤhlen: Wir opfern im Gebeth, nicht nur von unſern Seelen, Der Gottheit einen Theil; wir zeigen noch dabey, Daß wir begreif- und uͤberzeuglich wiſſen, Wie Gott ſo groß, und uns zu helfen maͤchtig ſey, Daß wir, allein durch ihn, geholfen werden muͤſſen. Glaub, Hoffnung, Demuth, Lieb und eine Zuverſicht, Er werde, wie er kann, auch uns zum Beſten, wollen, Steckt alles im Gebeth. So laßt nach unſrer Pflicht, Uns Gott, was ihm gebuͤhrt, im bruͤnſtgem Bethen, zollen.
Ja
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Schuldigkeit der Menſchen Gott zu dienen.
Schuldigkeit
der Menſchen Gott zu dienen.
Es iſt mir oftermal der Zweifel aufgeſtiegen,
Ob auch die Menſchheit wohl, der Gottheit zum Vergnuͤgen,
Jhm Lob und Ruhm und Preis und Ehre
Zu geben, faͤhig waͤre,
Da wir ſo niedrig und ſo klein,
Jm Gegenſatz von ſeiner Groͤße, ſeyn?
Koͤnnt eine Muͤcke wohl, gedacht ich, durch ihr Singen,
Uns Ruhm und Preis und Ehre bringen?
Noch minder wird, durch uns, der Gottheit Ruhm erhoͤht.
Zumal, da unſer Dienſt im Bethen meiſt beſteht,
Jm Bethen, worin wir, wenn wirs recht uͤberlegen,
Weit mehr, als unſerm Gott, uns ſelbſt zu dienen pflegen.
Allein es fiel mir auch hingegen ein,
Was wir, durch den Verſtand, fuͤr Gaben,
Fuͤr andere Geſchoͤpf, empfangen haben,
Ja daß, ſelbſt durchs Gebeth, ob es gleich nicht ſo ſcheint,
Man Gott mehr dienet, als man meynt.
Jch muß es, dir und mir zur Lehr und Troſt, erzaͤhlen:
Wir opfern im Gebeth, nicht nur von unſern Seelen,
Der Gottheit einen Theil; wir zeigen noch dabey,
Daß wir begreif- und uͤberzeuglich wiſſen,
Wie Gott ſo groß, und uns zu helfen maͤchtig ſey,
Daß wir, allein durch ihn, geholfen werden muͤſſen.
Glaub, Hoffnung, Demuth, Lieb und eine Zuverſicht,
Er werde, wie er kann, auch uns zum Beſten, wollen,
Steckt alles im Gebeth. So laßt nach unſrer Pflicht,
Uns Gott, was ihm gebuͤhrt, im bruͤnſtgem Bethen, zollen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/412>, abgerufen am 03.03.2025.
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