Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Atheist.
Der Atheist.
Primus in orbe Deos fecit timor. L.
Primus in orbe Atheos fecit timor. B.

Es lehren alle Creaturen, uns lehrt der Himmel und die Erde,
Derselben Regel-recht Bewegen, Erhaltung, Schönheit,
Ordnung, Pracht,

Es lehren unsre Sinnen uns, daß alles einer weisen Macht
Sein Wesen bloß zu danken hab, erhalten und regieret werde.
Bey so viel überzeuglichen, unwidersprechlich wahren Grün-
den,

Die wir: Es sey gewiß ein Gott, in allen Creaturen
finden,

Hab ich oft bey mir nachgedacht, und voll Betrübniß überlegt:
Was, bey so hellem Licht der Wahrheit, den Atheisten doch be-
wegt,

Daß er, am Wesen einer Gottheit, so Schrecken-reichen Zwei-
fel hegt.

Denn mehr als zweifeln kann er nicht, und wo er noch ein
Mensch will seyn,

Muß seinen Satz der Widerspruch der Menschheit, der fast all-
gemein,

Jhm wenigstens verdächtig machen. Da ich denn überzeug-
lich sehe,

Daß all sein trotzigs Widersprechen, aus einer bloßen Furcht,
geschehe.

Es heisset zwar: Es wären Götter zu allererst durch
Furcht erdacht,

Doch ists erweislich, daß die Furcht die meisten Atheisten macht.
Wenn
Der Atheiſt.
Der Atheiſt.
Primus in orbe Deos fecit timor. L.
Primus in orbe Atheos fecit timor. B.

Es lehren alle Creaturen, uns lehrt der Himmel und die Erde,
Derſelben Regel-recht Bewegen, Erhaltung, Schoͤnheit,
Ordnung, Pracht,

Es lehren unſre Sinnen uns, daß alles einer weiſen Macht
Sein Weſen bloß zu danken hab, erhalten und regieret werde.
Bey ſo viel uͤberzeuglichen, unwiderſprechlich wahren Gruͤn-
den,

Die wir: Es ſey gewiß ein Gott, in allen Creaturen
finden,

Hab ich oft bey mir nachgedacht, und voll Betruͤbniß uͤberlegt:
Was, bey ſo hellem Licht der Wahrheit, den Atheiſten doch be-
wegt,

Daß er, am Weſen einer Gottheit, ſo Schrecken-reichen Zwei-
fel hegt.

Denn mehr als zweifeln kann er nicht, und wo er noch ein
Menſch will ſeyn,

Muß ſeinen Satz der Widerſpruch der Menſchheit, der faſt all-
gemein,

Jhm wenigſtens verdaͤchtig machen. Da ich denn uͤberzeug-
lich ſehe,

Daß all ſein trotzigs Widerſprechen, aus einer bloßen Furcht,
geſchehe.

Es heiſſet zwar: Es waͤren Goͤtter zu allererſt durch
Furcht erdacht,

Doch iſts erweislich, daß die Furcht die meiſten Atheiſten macht.
Wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0396" n="372"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Athei&#x017F;t.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der Athei&#x017F;t.</hi> </head><lb/>
          <cit>
            <quote> <hi rendition="#aq">Primus <hi rendition="#i">in orbe Deos</hi> fecit timor. L.<lb/>
Primus in orbe Atheos fecit timor. B.</hi> </quote>
            <bibl/>
          </cit><lb/>
          <lg n="4">
            <l><hi rendition="#in">E</hi>s lehren alle Creaturen, uns lehrt der Himmel und die Erde,</l><lb/>
            <l>Der&#x017F;elben Regel-recht Bewegen, Erhaltung, Scho&#x0364;nheit,<lb/><hi rendition="#et">Ordnung, Pracht,</hi></l><lb/>
            <l>Es lehren un&#x017F;re Sinnen uns, daß alles einer wei&#x017F;en Macht</l><lb/>
            <l>Sein We&#x017F;en bloß zu danken hab, erhalten und regieret werde.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Bey &#x017F;o viel u&#x0364;berzeuglichen, unwider&#x017F;prechlich wahren Gru&#x0364;n-<lb/><hi rendition="#et">den,</hi></l><lb/>
            <l>Die wir: <hi rendition="#fr">Es &#x017F;ey gewiß ein Gott</hi>, in allen Creaturen<lb/><hi rendition="#et">finden,</hi></l><lb/>
            <l>Hab ich oft bey mir nachgedacht, und voll Betru&#x0364;bniß u&#x0364;berlegt:</l><lb/>
            <l>Was, bey &#x017F;o hellem Licht der Wahrheit, den Athei&#x017F;ten doch be-<lb/><hi rendition="#et">wegt,</hi></l><lb/>
            <l>Daß er, am We&#x017F;en einer Gottheit, &#x017F;o Schrecken-reichen Zwei-<lb/><hi rendition="#et">fel hegt.</hi></l><lb/>
            <l>Denn mehr als zweifeln kann er nicht, und wo er noch ein<lb/><hi rendition="#et">Men&#x017F;ch will &#x017F;eyn,</hi></l><lb/>
            <l>Muß &#x017F;einen Satz der Wider&#x017F;pruch der Men&#x017F;chheit, der fa&#x017F;t all-<lb/><hi rendition="#et">gemein,</hi></l><lb/>
            <l>Jhm wenig&#x017F;tens verda&#x0364;chtig machen. Da ich denn u&#x0364;berzeug-<lb/><hi rendition="#et">lich &#x017F;ehe,</hi></l><lb/>
            <l>Daß all &#x017F;ein trotzigs Wider&#x017F;prechen, aus einer bloßen <hi rendition="#fr">Furcht</hi>,<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;chehe.</hi></l><lb/>
            <l>Es hei&#x017F;&#x017F;et zwar: <hi rendition="#fr">Es wa&#x0364;ren Go&#x0364;tter zu allerer&#x017F;t durch<lb/><hi rendition="#et">Furcht erdacht,</hi></hi></l><lb/>
            <l>Doch i&#x017F;ts erweislich, daß die Furcht die mei&#x017F;ten Athei&#x017F;ten macht.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0396] Der Atheiſt. Der Atheiſt. Primus in orbe Deos fecit timor. L. Primus in orbe Atheos fecit timor. B. Es lehren alle Creaturen, uns lehrt der Himmel und die Erde, Derſelben Regel-recht Bewegen, Erhaltung, Schoͤnheit, Ordnung, Pracht, Es lehren unſre Sinnen uns, daß alles einer weiſen Macht Sein Weſen bloß zu danken hab, erhalten und regieret werde. Bey ſo viel uͤberzeuglichen, unwiderſprechlich wahren Gruͤn- den, Die wir: Es ſey gewiß ein Gott, in allen Creaturen finden, Hab ich oft bey mir nachgedacht, und voll Betruͤbniß uͤberlegt: Was, bey ſo hellem Licht der Wahrheit, den Atheiſten doch be- wegt, Daß er, am Weſen einer Gottheit, ſo Schrecken-reichen Zwei- fel hegt. Denn mehr als zweifeln kann er nicht, und wo er noch ein Menſch will ſeyn, Muß ſeinen Satz der Widerſpruch der Menſchheit, der faſt all- gemein, Jhm wenigſtens verdaͤchtig machen. Da ich denn uͤberzeug- lich ſehe, Daß all ſein trotzigs Widerſprechen, aus einer bloßen Furcht, geſchehe. Es heiſſet zwar: Es waͤren Goͤtter zu allererſt durch Furcht erdacht, Doch iſts erweislich, daß die Furcht die meiſten Atheiſten macht. Wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/396
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/396>, abgerufen am 30.12.2024.