Nachdem ich nun, mit allen Kräften, die große Wahrheit vorgetragen, Daß wir des Schöpfers Creatur, wie sie so herrlich und so schön, So künst-und wunderlich gebildet (um seine Weisheit zu er- höhn,) Mit einem aufmerksamen Blick, verpflichtet seyn, oft anzu- sehn: So hör ich viele meiner Leser, hierauf vermuthlich dieses sagen: Wir finden, daß es alles wahr, wir sehen unsre Schul- digkeit, Wir sind von der Geschöpfe Pracht, von ihrer Vollenkom- menheit, Zum Ruhm des Schöpfers, überzeuget. Wir haben oft auch angefangen, Auf sie zu unsers Gottes Ehren, die Augen ernsthaft hinzu- lenken, Und, daß sie wirklich schön, vortrefflich, und sehr beträchtlich, zu bedenken: Allein es ist uns unser' Absicht nur gar zu schlecht von statten gangen. Wir sachen Gras und Kräuter an, auch Feld und Wald: Allein es schien Uns alles meistens einerley. Gras, Kraut, und Feld und Wald war grün, Die Erde braun, der Himmel blau. Daher wir bald zu Ende waren,
Und
Die Kunſt vernuͤnftig ſehen zu lernen.
Die Kunſt vernuͤnftig ſehen zu lernen.
Nachdem ich nun, mit allen Kraͤften, die große Wahrheit vorgetragen, Daß wir des Schoͤpfers Creatur, wie ſie ſo herrlich und ſo ſchoͤn, So kuͤnſt-und wunderlich gebildet (um ſeine Weisheit zu er- hoͤhn,) Mit einem aufmerkſamen Blick, verpflichtet ſeyn, oft anzu- ſehn: So hoͤr ich viele meiner Leſer, hierauf vermuthlich dieſes ſagen: Wir finden, daß es alles wahr, wir ſehen unſre Schul- digkeit, Wir ſind von der Geſchoͤpfe Pracht, von ihrer Vollenkom- menheit, Zum Ruhm des Schoͤpfers, uͤberzeuget. Wir haben oft auch angefangen, Auf ſie zu unſers Gottes Ehren, die Augen ernſthaft hinzu- lenken, Und, daß ſie wirklich ſchoͤn, vortrefflich, und ſehr betraͤchtlich, zu bedenken: Allein es iſt uns unſer’ Abſicht nur gar zu ſchlecht von ſtatten gangen. Wir ſachen Gras und Kraͤuter an, auch Feld und Wald: Allein es ſchien Uns alles meiſtens einerley. Gras, Kraut, und Feld und Wald war gruͤn, Die Erde braun, der Himmel blau. Daher wir bald zu Ende waren,
Und
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Die Kunſt vernuͤnftig ſehen zu lernen.
Die Kunſt
vernuͤnftig ſehen zu lernen.
Nachdem ich nun, mit allen Kraͤften, die große Wahrheit
vorgetragen,
Daß wir des Schoͤpfers Creatur, wie ſie ſo herrlich und ſo
ſchoͤn,
So kuͤnſt-und wunderlich gebildet (um ſeine Weisheit zu er-
hoͤhn,)
Mit einem aufmerkſamen Blick, verpflichtet ſeyn, oft anzu-
ſehn:
So hoͤr ich viele meiner Leſer, hierauf vermuthlich dieſes ſagen:
Wir finden, daß es alles wahr, wir ſehen unſre Schul-
digkeit,
Wir ſind von der Geſchoͤpfe Pracht, von ihrer Vollenkom-
menheit,
Zum Ruhm des Schoͤpfers, uͤberzeuget. Wir haben oft auch
angefangen,
Auf ſie zu unſers Gottes Ehren, die Augen ernſthaft hinzu-
lenken,
Und, daß ſie wirklich ſchoͤn, vortrefflich, und ſehr betraͤchtlich,
zu bedenken:
Allein es iſt uns unſer’ Abſicht nur gar zu ſchlecht von ſtatten
gangen.
Wir ſachen Gras und Kraͤuter an, auch Feld und Wald: Allein
es ſchien
Uns alles meiſtens einerley. Gras, Kraut, und Feld und
Wald war gruͤn,
Die Erde braun, der Himmel blau. Daher wir bald zu Ende
waren,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/355>, abgerufen am 21.12.2024.
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