Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Rehe-Bock.
Der Rehe-Bock
nebst der Geis und ihren Jungen.
Hier weis wirklich unser Geist sich so bald nicht zu ent-
schliessen,

Ob er sehn soll, oder hören. Läßt er seine Blicke schiessen,
Auf die Thiere, die sich regen, auf die Kunst und die Natur,
Die in diesem prächtgen Garten, so durch Farben, als Figur,
Majestätisch sich verbinden; reizt ein angenehmer Schall,
Reizt ein sprudelndes Getös', in dem weissen Wasserfall,
Durchs Gehör sich zu vergnügen. Ja noch mehr, das laute
Saugen,

Und das schmatzende Getön des geschäfftgen Böckleins hemmt
Jhm, durchs Ohr, noch eine zeitlang dem Gebrauch der frohen
Augen.

Endlich aber sieht er wieder. Seht, wie sich das Thierchen stremmt
Und mit kurzen Stößen zieht! Jn der kleinen Schenkel Biegen,
Sieht man eine sanfte Lust. Und ein mütterlichs Vergnügen,
Ein empfindliches Gefühl, in der Geis Zung, Aug und Ohr,
Was ihr Jnnerstes empfindet, giebt sie äußerlich hervor,
Und man siehet, was sie fühlet. Seht, welch einen ernsten Geist
Der gestreckte Rehe-Bock, der der sanften Ruh geneust,
Welchen muntern seine Zucht, in der raschen Stellung, weist.
Aber seht doch auch dabey, wenn ihr diesen Abdruck sehet,
Wie er, nebst dem schönen Urbild, unsers Schöpfers Macht
erhöhet!


Die
Der Rehe-Bock.
Der Rehe-Bock
nebſt der Geis und ihren Jungen.
Hier weis wirklich unſer Geiſt ſich ſo bald nicht zu ent-
ſchlieſſen,

Ob er ſehn ſoll, oder hoͤren. Laͤßt er ſeine Blicke ſchieſſen,
Auf die Thiere, die ſich regen, auf die Kunſt und die Natur,
Die in dieſem praͤchtgen Garten, ſo durch Farben, als Figur,
Majeſtaͤtiſch ſich verbinden; reizt ein angenehmer Schall,
Reizt ein ſprudelndes Getoͤſ’, in dem weiſſen Waſſerfall,
Durchs Gehoͤr ſich zu vergnuͤgen. Ja noch mehr, das laute
Saugen,

Und das ſchmatzende Getoͤn des geſchaͤfftgen Boͤckleins hemmt
Jhm, durchs Ohr, noch eine zeitlang dem Gebrauch der frohen
Augen.

Endlich aber ſieht er wieder. Seht, wie ſich das Thierchen ſtremmt
Und mit kurzen Stoͤßen zieht! Jn der kleinen Schenkel Biegen,
Sieht man eine ſanfte Luſt. Und ein muͤtterlichs Vergnuͤgen,
Ein empfindliches Gefuͤhl, in der Geis Zung, Aug und Ohr,
Was ihr Jnnerſtes empfindet, giebt ſie aͤußerlich hervor,
Und man ſiehet, was ſie fuͤhlet. Seht, welch einen ernſten Geiſt
Der geſtreckte Rehe-Bock, der der ſanften Ruh geneuſt,
Welchen muntern ſeine Zucht, in der raſchen Stellung, weiſt.
Aber ſeht doch auch dabey, wenn ihr dieſen Abdruck ſehet,
Wie er, nebſt dem ſchoͤnen Urbild, unſers Schoͤpfers Macht
erhoͤhet!


Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0258" n="234"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Rehe-Bock.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der Rehe-Bock<lb/>
neb&#x017F;t der Geis und ihren Jungen.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">H</hi>ier weis wirklich un&#x017F;er Gei&#x017F;t &#x017F;ich &#x017F;o bald nicht zu ent-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
            <l>Ob er &#x017F;ehn &#x017F;oll, oder ho&#x0364;ren. La&#x0364;ßt er &#x017F;eine Blicke &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Auf die Thiere, die &#x017F;ich regen, auf die Kun&#x017F;t und die Natur,</l><lb/>
            <l>Die in die&#x017F;em pra&#x0364;chtgen Garten, &#x017F;o durch Farben, als Figur,</l><lb/>
            <l>Maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;ch &#x017F;ich verbinden; reizt ein angenehmer Schall,</l><lb/>
            <l>Reizt ein &#x017F;prudelndes Geto&#x0364;&#x017F;&#x2019;, in dem wei&#x017F;&#x017F;en Wa&#x017F;&#x017F;erfall,</l><lb/>
            <l>Durchs Geho&#x0364;r &#x017F;ich zu vergnu&#x0364;gen. Ja noch mehr, das laute<lb/><hi rendition="#et">Saugen,</hi></l><lb/>
            <l>Und das &#x017F;chmatzende Geto&#x0364;n des ge&#x017F;cha&#x0364;fftgen Bo&#x0364;ckleins hemmt</l><lb/>
            <l>Jhm, durchs Ohr, noch eine zeitlang dem Gebrauch der frohen<lb/><hi rendition="#et">Augen.</hi></l><lb/>
            <l>Endlich aber &#x017F;ieht er wieder. Seht, wie &#x017F;ich das Thierchen &#x017F;tremmt</l><lb/>
            <l>Und mit kurzen Sto&#x0364;ßen zieht! Jn der kleinen Schenkel Biegen,</l><lb/>
            <l>Sieht man eine &#x017F;anfte Lu&#x017F;t. Und ein mu&#x0364;tterlichs Vergnu&#x0364;gen,</l><lb/>
            <l>Ein empfindliches Gefu&#x0364;hl, in der Geis Zung, Aug und Ohr,</l><lb/>
            <l>Was ihr Jnner&#x017F;tes empfindet, giebt &#x017F;ie a&#x0364;ußerlich hervor,</l><lb/>
            <l>Und man &#x017F;iehet, was &#x017F;ie fu&#x0364;hlet. Seht, welch einen ern&#x017F;ten Gei&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Der ge&#x017F;treckte Rehe-Bock, der der &#x017F;anften Ruh geneu&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Welchen muntern &#x017F;eine Zucht, in der ra&#x017F;chen Stellung, wei&#x017F;t.</l><lb/>
            <l>Aber &#x017F;eht doch auch dabey, wenn ihr die&#x017F;en Abdruck &#x017F;ehet,</l><lb/>
            <l>Wie er, neb&#x017F;t dem &#x017F;cho&#x0364;nen Urbild, un&#x017F;ers Scho&#x0364;pfers Macht<lb/><hi rendition="#et">erho&#x0364;het!</hi></l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Die</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0258] Der Rehe-Bock. Der Rehe-Bock nebſt der Geis und ihren Jungen. Hier weis wirklich unſer Geiſt ſich ſo bald nicht zu ent- ſchlieſſen, Ob er ſehn ſoll, oder hoͤren. Laͤßt er ſeine Blicke ſchieſſen, Auf die Thiere, die ſich regen, auf die Kunſt und die Natur, Die in dieſem praͤchtgen Garten, ſo durch Farben, als Figur, Majeſtaͤtiſch ſich verbinden; reizt ein angenehmer Schall, Reizt ein ſprudelndes Getoͤſ’, in dem weiſſen Waſſerfall, Durchs Gehoͤr ſich zu vergnuͤgen. Ja noch mehr, das laute Saugen, Und das ſchmatzende Getoͤn des geſchaͤfftgen Boͤckleins hemmt Jhm, durchs Ohr, noch eine zeitlang dem Gebrauch der frohen Augen. Endlich aber ſieht er wieder. Seht, wie ſich das Thierchen ſtremmt Und mit kurzen Stoͤßen zieht! Jn der kleinen Schenkel Biegen, Sieht man eine ſanfte Luſt. Und ein muͤtterlichs Vergnuͤgen, Ein empfindliches Gefuͤhl, in der Geis Zung, Aug und Ohr, Was ihr Jnnerſtes empfindet, giebt ſie aͤußerlich hervor, Und man ſiehet, was ſie fuͤhlet. Seht, welch einen ernſten Geiſt Der geſtreckte Rehe-Bock, der der ſanften Ruh geneuſt, Welchen muntern ſeine Zucht, in der raſchen Stellung, weiſt. Aber ſeht doch auch dabey, wenn ihr dieſen Abdruck ſehet, Wie er, nebſt dem ſchoͤnen Urbild, unſers Schoͤpfers Macht erhoͤhet! Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/258
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/258>, abgerufen am 21.12.2024.