Hier weis wirklich unser Geist sich so bald nicht zu ent- schliessen, Ob er sehn soll, oder hören. Läßt er seine Blicke schiessen, Auf die Thiere, die sich regen, auf die Kunst und die Natur, Die in diesem prächtgen Garten, so durch Farben, als Figur, Majestätisch sich verbinden; reizt ein angenehmer Schall, Reizt ein sprudelndes Getös', in dem weissen Wasserfall, Durchs Gehör sich zu vergnügen. Ja noch mehr, das laute Saugen, Und das schmatzende Getön des geschäfftgen Böckleins hemmt Jhm, durchs Ohr, noch eine zeitlang dem Gebrauch der frohen Augen. Endlich aber sieht er wieder. Seht, wie sich das Thierchen stremmt Und mit kurzen Stößen zieht! Jn der kleinen Schenkel Biegen, Sieht man eine sanfte Lust. Und ein mütterlichs Vergnügen, Ein empfindliches Gefühl, in der Geis Zung, Aug und Ohr, Was ihr Jnnerstes empfindet, giebt sie äußerlich hervor, Und man siehet, was sie fühlet. Seht, welch einen ernsten Geist Der gestreckte Rehe-Bock, der der sanften Ruh geneust, Welchen muntern seine Zucht, in der raschen Stellung, weist. Aber seht doch auch dabey, wenn ihr diesen Abdruck sehet, Wie er, nebst dem schönen Urbild, unsers Schöpfers Macht erhöhet!
Die
Der Rehe-Bock.
Der Rehe-Bock nebſt der Geis und ihren Jungen.
Hier weis wirklich unſer Geiſt ſich ſo bald nicht zu ent- ſchlieſſen, Ob er ſehn ſoll, oder hoͤren. Laͤßt er ſeine Blicke ſchieſſen, Auf die Thiere, die ſich regen, auf die Kunſt und die Natur, Die in dieſem praͤchtgen Garten, ſo durch Farben, als Figur, Majeſtaͤtiſch ſich verbinden; reizt ein angenehmer Schall, Reizt ein ſprudelndes Getoͤſ’, in dem weiſſen Waſſerfall, Durchs Gehoͤr ſich zu vergnuͤgen. Ja noch mehr, das laute Saugen, Und das ſchmatzende Getoͤn des geſchaͤfftgen Boͤckleins hemmt Jhm, durchs Ohr, noch eine zeitlang dem Gebrauch der frohen Augen. Endlich aber ſieht er wieder. Seht, wie ſich das Thierchen ſtremmt Und mit kurzen Stoͤßen zieht! Jn der kleinen Schenkel Biegen, Sieht man eine ſanfte Luſt. Und ein muͤtterlichs Vergnuͤgen, Ein empfindliches Gefuͤhl, in der Geis Zung, Aug und Ohr, Was ihr Jnnerſtes empfindet, giebt ſie aͤußerlich hervor, Und man ſiehet, was ſie fuͤhlet. Seht, welch einen ernſten Geiſt Der geſtreckte Rehe-Bock, der der ſanften Ruh geneuſt, Welchen muntern ſeine Zucht, in der raſchen Stellung, weiſt. Aber ſeht doch auch dabey, wenn ihr dieſen Abdruck ſehet, Wie er, nebſt dem ſchoͤnen Urbild, unſers Schoͤpfers Macht erhoͤhet!
Die
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0258"n="234"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der Rehe-Bock.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Der Rehe-Bock<lb/>
nebſt der Geis und ihren Jungen.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">H</hi>ier weis wirklich unſer Geiſt ſich ſo bald nicht zu ent-<lb/><hirendition="#et">ſchlieſſen,</hi></l><lb/><l>Ob er ſehn ſoll, oder hoͤren. Laͤßt er ſeine Blicke ſchieſſen,</l><lb/><l>Auf die Thiere, die ſich regen, auf die Kunſt und die Natur,</l><lb/><l>Die in dieſem praͤchtgen Garten, ſo durch Farben, als Figur,</l><lb/><l>Majeſtaͤtiſch ſich verbinden; reizt ein angenehmer Schall,</l><lb/><l>Reizt ein ſprudelndes Getoͤſ’, in dem weiſſen Waſſerfall,</l><lb/><l>Durchs Gehoͤr ſich zu vergnuͤgen. Ja noch mehr, das laute<lb/><hirendition="#et">Saugen,</hi></l><lb/><l>Und das ſchmatzende Getoͤn des geſchaͤfftgen Boͤckleins hemmt</l><lb/><l>Jhm, durchs Ohr, noch eine zeitlang dem Gebrauch der frohen<lb/><hirendition="#et">Augen.</hi></l><lb/><l>Endlich aber ſieht er wieder. Seht, wie ſich das Thierchen ſtremmt</l><lb/><l>Und mit kurzen Stoͤßen zieht! Jn der kleinen Schenkel Biegen,</l><lb/><l>Sieht man eine ſanfte Luſt. Und ein muͤtterlichs Vergnuͤgen,</l><lb/><l>Ein empfindliches Gefuͤhl, in der Geis Zung, Aug und Ohr,</l><lb/><l>Was ihr Jnnerſtes empfindet, giebt ſie aͤußerlich hervor,</l><lb/><l>Und man ſiehet, was ſie fuͤhlet. Seht, welch einen ernſten Geiſt</l><lb/><l>Der geſtreckte Rehe-Bock, der der ſanften Ruh geneuſt,</l><lb/><l>Welchen muntern ſeine Zucht, in der raſchen Stellung, weiſt.</l><lb/><l>Aber ſeht doch auch dabey, wenn ihr dieſen Abdruck ſehet,</l><lb/><l>Wie er, nebſt dem ſchoͤnen Urbild, unſers Schoͤpfers Macht<lb/><hirendition="#et">erhoͤhet!</hi></l></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Die</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[234/0258]
Der Rehe-Bock.
Der Rehe-Bock
nebſt der Geis und ihren Jungen.
Hier weis wirklich unſer Geiſt ſich ſo bald nicht zu ent-
ſchlieſſen,
Ob er ſehn ſoll, oder hoͤren. Laͤßt er ſeine Blicke ſchieſſen,
Auf die Thiere, die ſich regen, auf die Kunſt und die Natur,
Die in dieſem praͤchtgen Garten, ſo durch Farben, als Figur,
Majeſtaͤtiſch ſich verbinden; reizt ein angenehmer Schall,
Reizt ein ſprudelndes Getoͤſ’, in dem weiſſen Waſſerfall,
Durchs Gehoͤr ſich zu vergnuͤgen. Ja noch mehr, das laute
Saugen,
Und das ſchmatzende Getoͤn des geſchaͤfftgen Boͤckleins hemmt
Jhm, durchs Ohr, noch eine zeitlang dem Gebrauch der frohen
Augen.
Endlich aber ſieht er wieder. Seht, wie ſich das Thierchen ſtremmt
Und mit kurzen Stoͤßen zieht! Jn der kleinen Schenkel Biegen,
Sieht man eine ſanfte Luſt. Und ein muͤtterlichs Vergnuͤgen,
Ein empfindliches Gefuͤhl, in der Geis Zung, Aug und Ohr,
Was ihr Jnnerſtes empfindet, giebt ſie aͤußerlich hervor,
Und man ſiehet, was ſie fuͤhlet. Seht, welch einen ernſten Geiſt
Der geſtreckte Rehe-Bock, der der ſanften Ruh geneuſt,
Welchen muntern ſeine Zucht, in der raſchen Stellung, weiſt.
Aber ſeht doch auch dabey, wenn ihr dieſen Abdruck ſehet,
Wie er, nebſt dem ſchoͤnen Urbild, unſers Schoͤpfers Macht
erhoͤhet!
Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/258>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.