Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.Gedanken bey einer Schonkilje. Gedanken bey einer im Februario blühenden Schonkilje. Liebster Gott! kanns möglich seyn! kann der Winter nicht ein- mal Der Natur Formirungskraft, auch bey fernem Sonnenstral, Auch zur allerrauhsten Zeit, mitten im December, tilgen! Also rief ich, als ich jüngst zärtlich blühende Schonkiljen, Ohne Kunst, in meinem Garten, aus der Erde steigen sah. Wie ich ihren unverhofften lieblich-gelben Glanz erblickte; Wie ich sie, mit frohen Händen, um sie aufzuheben, pflückte: Waren mir, ob ihrer Schönheit, fast die Freudenthränen nah. Jch vermochte, wie ich sie so vollkommen fand, so schön, Wie sie so vortrefflich roch, mich daran nicht satt zu sehn, Mich daran nicht satt zu riechen. Meine Seele lenkte sich, Durch den unvermutheten nie gesehnen Glanz gerühret, Zu der Blum und meinem Schöpfer; dankt und lobt ihn inniglich, Daß er, zu der Menschen Anmuth, ein so schön Gewächs for- miret, Daß er, da zur Sommerszeit, leider! durch derselben Menge, Wir, zur Unempfindlichkeit uns unglücklich bringen lassen, Uns zu ungewohnter Zeit, (so daß wir die Art nicht fassen) Durch derselben süssen Balsam, durch ihr schimmerndes Ge- pränge, Ausserordentlich vergnügt. Herr! wenn ich an dieser Gabe, Durch dieselbe, durchs Gesicht, und durch den Geruch, mich labe: Laß dieß liebliche Geschöpf mich zu dir, als Schöpfer, führen; Laß mich ein, in dir gegründet, irdisches Vergnügen spüren! Die
Gedanken bey einer Schonkilje. Gedanken bey einer im Februario bluͤhenden Schonkilje. Liebſter Gott! kanns moͤglich ſeyn! kann der Winter nicht ein- mal Der Natur Formirungskraft, auch bey fernem Sonnenſtral, Auch zur allerrauhſten Zeit, mitten im December, tilgen! Alſo rief ich, als ich juͤngſt zaͤrtlich bluͤhende Schonkiljen, Ohne Kunſt, in meinem Garten, aus der Erde ſteigen ſah. Wie ich ihren unverhofften lieblich-gelben Glanz erblickte; Wie ich ſie, mit frohen Haͤnden, um ſie aufzuheben, pfluͤckte: Waren mir, ob ihrer Schoͤnheit, faſt die Freudenthraͤnen nah. Jch vermochte, wie ich ſie ſo vollkommen fand, ſo ſchoͤn, Wie ſie ſo vortrefflich roch, mich daran nicht ſatt zu ſehn, Mich daran nicht ſatt zu riechen. Meine Seele lenkte ſich, Durch den unvermutheten nie geſehnen Glanz geruͤhret, Zu der Blum und meinem Schoͤpfer; dankt und lobt ihn inniglich, Daß er, zu der Menſchen Anmuth, ein ſo ſchoͤn Gewaͤchs for- miret, Daß er, da zur Sommerszeit, leider! durch derſelben Menge, Wir, zur Unempfindlichkeit uns ungluͤcklich bringen laſſen, Uns zu ungewohnter Zeit, (ſo daß wir die Art nicht faſſen) Durch derſelben ſuͤſſen Balſam, durch ihr ſchimmerndes Ge- praͤnge, Auſſerordentlich vergnuͤgt. Herr! wenn ich an dieſer Gabe, Durch dieſelbe, durchs Geſicht, und durch den Geruch, mich labe: Laß dieß liebliche Geſchoͤpf mich zu dir, als Schoͤpfer, fuͤhren; Laß mich ein, in dir gegruͤndet, irdiſches Vergnuͤgen ſpuͤren! Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0228" n="204"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Gedanken bey einer Schonkilje.</hi> </fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Gedanken bey einer im<lb/> Februario bluͤhenden Schonkilje.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">L</hi>iebſter Gott! kanns moͤglich ſeyn! kann der Winter nicht ein-<lb/><hi rendition="#et">mal</hi></l><lb/> <l>Der Natur Formirungskraft, auch bey fernem Sonnenſtral,</l><lb/> <l>Auch zur allerrauhſten Zeit, mitten im December, tilgen!</l><lb/> <l>Alſo rief ich, als ich juͤngſt zaͤrtlich bluͤhende Schonkiljen,</l><lb/> <l>Ohne Kunſt, in meinem Garten, aus der Erde ſteigen ſah.</l><lb/> <l>Wie ich ihren unverhofften lieblich-gelben Glanz erblickte;</l><lb/> <l>Wie ich ſie, mit frohen Haͤnden, um ſie aufzuheben, pfluͤckte:</l><lb/> <l>Waren mir, ob ihrer Schoͤnheit, faſt die Freudenthraͤnen nah.</l><lb/> <l>Jch vermochte, wie ich ſie ſo vollkommen fand, ſo ſchoͤn,</l><lb/> <l>Wie ſie ſo vortrefflich roch, mich daran nicht ſatt zu ſehn,</l><lb/> <l>Mich daran nicht ſatt zu riechen. Meine Seele lenkte ſich,</l><lb/> <l>Durch den unvermutheten nie geſehnen Glanz geruͤhret,</l><lb/> <l>Zu der Blum und meinem Schoͤpfer; dankt und lobt ihn inniglich,</l><lb/> <l>Daß er, zu der Menſchen Anmuth, ein ſo ſchoͤn Gewaͤchs for-<lb/><hi rendition="#et">miret,</hi></l><lb/> <l>Daß er, da zur Sommerszeit, leider! durch derſelben Menge,</l><lb/> <l>Wir, zur Unempfindlichkeit uns ungluͤcklich bringen laſſen,</l><lb/> <l>Uns zu ungewohnter Zeit, (ſo daß wir die Art nicht faſſen)</l><lb/> <l>Durch derſelben ſuͤſſen Balſam, durch ihr ſchimmerndes Ge-<lb/><hi rendition="#et">praͤnge,</hi></l><lb/> <l>Auſſerordentlich vergnuͤgt. Herr! wenn ich an dieſer Gabe,</l><lb/> <l>Durch dieſelbe, durchs Geſicht, und durch den Geruch, mich labe:</l><lb/> <l>Laß dieß liebliche Geſchoͤpf mich zu dir, als Schoͤpfer, fuͤhren;</l><lb/> <l>Laß mich ein, in dir gegruͤndet, irdiſches Vergnuͤgen ſpuͤren!</l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Die</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [204/0228]
Gedanken bey einer Schonkilje.
Gedanken bey einer im
Februario bluͤhenden Schonkilje.
Liebſter Gott! kanns moͤglich ſeyn! kann der Winter nicht ein-
mal
Der Natur Formirungskraft, auch bey fernem Sonnenſtral,
Auch zur allerrauhſten Zeit, mitten im December, tilgen!
Alſo rief ich, als ich juͤngſt zaͤrtlich bluͤhende Schonkiljen,
Ohne Kunſt, in meinem Garten, aus der Erde ſteigen ſah.
Wie ich ihren unverhofften lieblich-gelben Glanz erblickte;
Wie ich ſie, mit frohen Haͤnden, um ſie aufzuheben, pfluͤckte:
Waren mir, ob ihrer Schoͤnheit, faſt die Freudenthraͤnen nah.
Jch vermochte, wie ich ſie ſo vollkommen fand, ſo ſchoͤn,
Wie ſie ſo vortrefflich roch, mich daran nicht ſatt zu ſehn,
Mich daran nicht ſatt zu riechen. Meine Seele lenkte ſich,
Durch den unvermutheten nie geſehnen Glanz geruͤhret,
Zu der Blum und meinem Schoͤpfer; dankt und lobt ihn inniglich,
Daß er, zu der Menſchen Anmuth, ein ſo ſchoͤn Gewaͤchs for-
miret,
Daß er, da zur Sommerszeit, leider! durch derſelben Menge,
Wir, zur Unempfindlichkeit uns ungluͤcklich bringen laſſen,
Uns zu ungewohnter Zeit, (ſo daß wir die Art nicht faſſen)
Durch derſelben ſuͤſſen Balſam, durch ihr ſchimmerndes Ge-
praͤnge,
Auſſerordentlich vergnuͤgt. Herr! wenn ich an dieſer Gabe,
Durch dieſelbe, durchs Geſicht, und durch den Geruch, mich labe:
Laß dieß liebliche Geſchoͤpf mich zu dir, als Schoͤpfer, fuͤhren;
Laß mich ein, in dir gegruͤndet, irdiſches Vergnuͤgen ſpuͤren!
Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |