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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

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caprifolivm.
CAPRIFOLIVM.
Jch kann, von deiner Zier und Farh, und deiner Balsam-
Kraft, zu sprechen,

O holdes Caprifolium, durch dich gerührt, mich nicht ent-
brechen.

Es bildete von fremdrer Form, von sonderlicherer Figur,
Und von so schön gebrochnen Farben, die alles bildende Natur
Fast kein so seltenes Gewächs. Aus einem Stengel, der zu-
gleich

Gerade, krumm, gestreckt und biegsam, halb grün, halb trucken,
hart und weich,

Daß er sich gleich um alles schrenkt, was er berührt, bald in
die Höhe,

Bald unter sich, bald seitenwerts, sich schlängelt, steiget, dreht
und bieget,

Um Stämme, Zweig und Laub sich schlingt, und oft entfernte
Zweige füget,

Bald hohe Gipfel übersteiget,
Ja bald sich wieder unter sie hinab, bis zu der Wurzel, neiget,
Und, recht als wie das Herz der Menschen, auf einmal Hoch-
und Demuth zeiget.
Aus solchem Stengel wachsen Blätter, die dunkelgrün und
lieblich-glatt,

Wodurch das zierliche Gewächs ein recht besondres Ansehn
hat.

An vielen Orten drenget sich ein grün-sehr netter Knopf
heraus,
Der
caprifolivm.
CAPRIFOLIVM.
Jch kann, von deiner Zier und Farh, und deiner Balſam-
Kraft, zu ſprechen,

O holdes Caprifolium, durch dich geruͤhrt, mich nicht ent-
brechen.

Es bildete von fremdrer Form, von ſonderlicherer Figur,
Und von ſo ſchoͤn gebrochnen Farben, die alles bildende Natur
Faſt kein ſo ſeltenes Gewaͤchs. Aus einem Stengel, der zu-
gleich

Gerade, krumm, geſtreckt und biegſam, halb gruͤn, halb trucken,
hart und weich,

Daß er ſich gleich um alles ſchrenkt, was er beruͤhrt, bald in
die Hoͤhe,

Bald unter ſich, bald ſeitenwerts, ſich ſchlaͤngelt, ſteiget, dreht
und bieget,

Um Staͤmme, Zweig und Laub ſich ſchlingt, und oft entfernte
Zweige fuͤget,

Bald hohe Gipfel uͤberſteiget,
Ja bald ſich wieder unter ſie hinab, bis zu der Wurzel, neiget,
Und, recht als wie das Herz der Menſchen, auf einmal Hoch-
und Demuth zeiget.
Aus ſolchem Stengel wachſen Blaͤtter, die dunkelgruͤn und
lieblich-glatt,

Wodurch das zierliche Gewaͤchs ein recht beſondres Anſehn
hat.

An vielen Orten drenget ſich ein gruͤn-ſehr netter Knopf
heraus,
Der
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[142/0166] caprifolivm. CAPRIFOLIVM. Jch kann, von deiner Zier und Farh, und deiner Balſam- Kraft, zu ſprechen, O holdes Caprifolium, durch dich geruͤhrt, mich nicht ent- brechen. Es bildete von fremdrer Form, von ſonderlicherer Figur, Und von ſo ſchoͤn gebrochnen Farben, die alles bildende Natur Faſt kein ſo ſeltenes Gewaͤchs. Aus einem Stengel, der zu- gleich Gerade, krumm, geſtreckt und biegſam, halb gruͤn, halb trucken, hart und weich, Daß er ſich gleich um alles ſchrenkt, was er beruͤhrt, bald in die Hoͤhe, Bald unter ſich, bald ſeitenwerts, ſich ſchlaͤngelt, ſteiget, dreht und bieget, Um Staͤmme, Zweig und Laub ſich ſchlingt, und oft entfernte Zweige fuͤget, Bald hohe Gipfel uͤberſteiget, Ja bald ſich wieder unter ſie hinab, bis zu der Wurzel, neiget, Und, recht als wie das Herz der Menſchen, auf einmal Hoch- und Demuth zeiget. Aus ſolchem Stengel wachſen Blaͤtter, die dunkelgruͤn und lieblich-glatt, Wodurch das zierliche Gewaͤchs ein recht beſondres Anſehn hat. An vielen Orten drenget ſich ein gruͤn-ſehr netter Knopf heraus, Der

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/166>, abgerufen am 21.12.2024.