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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

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Zur Wiese.
Zur Wiese.
Tom. II.
Jndem ich jüngst, im bunt-beblühmten Grase,
Mein auf die Wiesen einst verfertigtes Gedicht,
Bey dem Original, bedachtsam überlase:
Gefiel mir die Copey, bey ihrem Urbild, nicht.
Jch bin gewiß, daß mancher, der allein,
Und ohn Original, dasselbige gelesen,
Vielleicht der Meynung sey gewesen,
Das Malwerk sey zu sehr geziert.
Doch, sollt er sie zusammen sehn:
Wird er gewißlich überführet,
Das Urbild sey noch tausendmal so schön.
Ob nun zu Anfang gleich mich eine Art von Schaam
Hierüber übernahm;
Jedoch, dieweil ich bald entdeckte,
Daß Eigen-Ehr,
Dem Ansehn nach, in diesem Schämen, mehr,
Als wie Vernunft und Andacht steckte:
Vertrieb ich bald den ungerechten Gram,
Durch die Betrachtungen, daß, durch die Malerey,
Die bildende Natur nicht nachzuahmen sey.
Jch wandt indeß die fast entzückten Blicke,
Auf dieser schönen Flur, bald vorwerts, bald zurücke,
Und fand, im bunten Glanz, fast alle Stellen glimmen.
Ein tausendfach gefärbter Schein
Nam meiner Seelen Jnnres ein,
Sie
Zur Wieſe.
Zur Wieſe.
Tom. II.
Jndem ich juͤngſt, im bunt-bebluͤhmten Graſe,
Mein auf die Wieſen einſt verfertigtes Gedicht,
Bey dem Original, bedachtſam uͤberlaſe:
Gefiel mir die Copey, bey ihrem Urbild, nicht.
Jch bin gewiß, daß mancher, der allein,
Und ohn Original, daſſelbige geleſen,
Vielleicht der Meynung ſey geweſen,
Das Malwerk ſey zu ſehr geziert.
Doch, ſollt er ſie zuſammen ſehn:
Wird er gewißlich uͤberfuͤhret,
Das Urbild ſey noch tauſendmal ſo ſchoͤn.
Ob nun zu Anfang gleich mich eine Art von Schaam
Hieruͤber uͤbernahm;
Jedoch, dieweil ich bald entdeckte,
Daß Eigen-Ehr,
Dem Anſehn nach, in dieſem Schaͤmen, mehr,
Als wie Vernunft und Andacht ſteckte:
Vertrieb ich bald den ungerechten Gram,
Durch die Betrachtungen, daß, durch die Malerey,
Die bildende Natur nicht nachzuahmen ſey.
Jch wandt indeß die faſt entzuͤckten Blicke,
Auf dieſer ſchoͤnen Flur, bald vorwerts, bald zuruͤcke,
Und fand, im bunten Glanz, faſt alle Stellen glimmen.
Ein tauſendfach gefaͤrbter Schein
Nam meiner Seelen Jnnres ein,
Sie
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[98/0122] Zur Wieſe. Zur Wieſe. Tom. II. Jndem ich juͤngſt, im bunt-bebluͤhmten Graſe, Mein auf die Wieſen einſt verfertigtes Gedicht, Bey dem Original, bedachtſam uͤberlaſe: Gefiel mir die Copey, bey ihrem Urbild, nicht. Jch bin gewiß, daß mancher, der allein, Und ohn Original, daſſelbige geleſen, Vielleicht der Meynung ſey geweſen, Das Malwerk ſey zu ſehr geziert. Doch, ſollt er ſie zuſammen ſehn: Wird er gewißlich uͤberfuͤhret, Das Urbild ſey noch tauſendmal ſo ſchoͤn. Ob nun zu Anfang gleich mich eine Art von Schaam Hieruͤber uͤbernahm; Jedoch, dieweil ich bald entdeckte, Daß Eigen-Ehr, Dem Anſehn nach, in dieſem Schaͤmen, mehr, Als wie Vernunft und Andacht ſteckte: Vertrieb ich bald den ungerechten Gram, Durch die Betrachtungen, daß, durch die Malerey, Die bildende Natur nicht nachzuahmen ſey. Jch wandt indeß die faſt entzuͤckten Blicke, Auf dieſer ſchoͤnen Flur, bald vorwerts, bald zuruͤcke, Und fand, im bunten Glanz, faſt alle Stellen glimmen. Ein tauſendfach gefaͤrbter Schein Nam meiner Seelen Jnnres ein, Sie

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/122>, abgerufen am 21.11.2024.