Wie wir unsre frische Jugend mit der Frühlings-Zeit vergleichen, Die erwachsne Zeit dem Sommer, mit dem Herbst den al- ten Tag; Also deucht mich, daß dem Winter unser sterben und er- bleichen Sich mit Recht vergleichen mag. Wie des Winters kalter Hauch unsrer Bäume Decke ranbet; Also wird auch unsrer Seele, durch des Todes kalte Macht, Jhres Cörpers Deck' entnommen, und sie gleichsam auch entlaubet. Gleicht die lange Nacht des Grabes nicht des Winters lan- ger Nacht? Feld und Wald scheint todt im Frost, alle Creatur gestor- ben: Unser Cörper scheint im Grabe morsch, verweset und ver- dorben: Es verfaulen, wie die Blätter, Haut und Sehnen, Fleisch und Bein, Da Wust, Moder und Verwesung, die sowol, als jene drücken.
Wie wir aber für den Winter uns zwar schen'n, und bange seyn; Doch, dieweil er unvermeidlich, uns gelassen auf ihn schi- cken,
Und
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Der Tod, Winter des Lebens.
Der Tod, Winter des Lebens.
Wie wir unſre friſche Jugend mit der Fruͤhlings-Zeit vergleichen, Die erwachsne Zeit dem Sommer, mit dem Herbſt den al- ten Tag; Alſo deucht mich, daß dem Winter unſer ſterben und er- bleichen Sich mit Recht vergleichen mag. Wie des Winters kalter Hauch unſrer Baͤume Decke ranbet; Alſo wird auch unſrer Seele, durch des Todes kalte Macht, Jhres Coͤrpers Deck’ entnommen, und ſie gleichſam auch entlaubet. Gleicht die lange Nacht des Grabes nicht des Winters lan- ger Nacht? Feld und Wald ſcheint todt im Froſt, alle Creatur geſtor- ben: Unſer Coͤrper ſcheint im Grabe morſch, verweſet und ver- dorben: Es verfaulen, wie die Blaͤtter, Haut und Sehnen, Fleiſch und Bein, Da Wuſt, Moder und Verweſung, die ſowol, als jene druͤcken.
Wie wir aber fuͤr den Winter uns zwar ſchen’n, und bange ſeyn; Doch, dieweil er unvermeidlich, uns gelaſſen auf ihn ſchi- cken,
Und
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Der Tod, Winter des Lebens.
Der Tod, Winter des Lebens.
Wie wir unſre friſche Jugend mit der Fruͤhlings-Zeit
vergleichen,
Die erwachsne Zeit dem Sommer, mit dem Herbſt den al-
ten Tag;
Alſo deucht mich, daß dem Winter unſer ſterben und er-
bleichen
Sich mit Recht vergleichen mag.
Wie des Winters kalter Hauch unſrer Baͤume Decke
ranbet;
Alſo wird auch unſrer Seele, durch des Todes kalte
Macht,
Jhres Coͤrpers Deck’ entnommen, und ſie gleichſam auch
entlaubet.
Gleicht die lange Nacht des Grabes nicht des Winters lan-
ger Nacht?
Feld und Wald ſcheint todt im Froſt, alle Creatur geſtor-
ben:
Unſer Coͤrper ſcheint im Grabe morſch, verweſet und ver-
dorben:
Es verfaulen, wie die Blaͤtter, Haut und Sehnen, Fleiſch
und Bein,
Da Wuſt, Moder und Verweſung, die ſowol, als jene
druͤcken.
Wie wir aber fuͤr den Winter uns zwar ſchen’n, und
bange ſeyn;
Doch, dieweil er unvermeidlich, uns gelaſſen auf ihn ſchi-
cken,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/455>, abgerufen am 23.07.2024.
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