Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Der schimmernde Schnee.
Der schimmernde Schnee.
Es war die starre Welt im Eis' annoch verstecket;
Es hatte sie annoch der weisse Schnee bedecket,
Als welcher überall noch lag;
Da ich an einem heitern Tag',
Um auch, zu GOTTES Ruhm, an stat des grünen,
Des weissen Schmucks der Welt mich fröhlich zu bedienen.
Mich auf das Land verfügte:
Woselbst ich tausend Dinge fand,
An welchen ich mich sehr vergnügte.
Es zeigt der weisse Schnee, der duncklen Aeste,
Verworrne, starre, krumme Knäste,
Viel deutlicher, als sonst. Das aller kleinste Reis
Erscheinet ietzt, da sonsten alles weiß,
Durch seine braune Dunckelheit,
Da es nicht gantz bedeckt, in solcher Deutlichkeit,
Daß alle Bäume ietzt an Zweigen reicher scheinen:
Dadurch sieht alles rauch und kraus,
Verwirrt und wild, und dennoch lieblich aus.
Denn in der falben düstern Lufft
Scheint ieder Wipfel ietzt
Ein Silber-weiß Gewülck, ein heller Dufft.
Am Taxus, der bereifft, scheint nicht nur ieder Ast,
So gar ein iedes Blat, in Silber eingefasst.
Er gleicht dadurch, daß grün und weiß so süß sich mischen,
Von weitem, grün-und weissen Feder-Büschen.
Hier sencket sich das Licht in rauhen Schnee hinein,
Und zeugt ein reines weiß; dort sieht mans rückwärts prallen,
Und,
Der ſchimmernde Schnee.
Der ſchimmernde Schnee.
Es war die ſtarre Welt im Eiſ’ annoch verſtecket;
Es hatte ſie annoch der weiſſe Schnee bedecket,
Als welcher uͤberall noch lag;
Da ich an einem heitern Tag’,
Um auch, zu GOTTES Ruhm, an ſtat des gruͤnen,
Des weiſſen Schmucks der Welt mich froͤhlich zu bedienen.
Mich auf das Land verfuͤgte:
Woſelbſt ich tauſend Dinge fand,
An welchen ich mich ſehr vergnuͤgte.
Es zeigt der weiſſe Schnee, der duncklen Aeſte,
Verworrne, ſtarre, krumme Knaͤſte,
Viel deutlicher, als ſonſt. Das aller kleinſte Reis
Erſcheinet ietzt, da ſonſten alles weiß,
Durch ſeine braune Dunckelheit,
Da es nicht gantz bedeckt, in ſolcher Deutlichkeit,
Daß alle Baͤume ietzt an Zweigen reicher ſcheinen:
Dadurch ſieht alles rauch und kraus,
Verwirrt und wild, und dennoch lieblich aus.
Denn in der falben duͤſtern Lufft
Scheint ieder Wipfel ietzt
Ein Silber-weiß Gewuͤlck, ein heller Dufft.
Am Taxus, der bereifft, ſcheint nicht nur ieder Aſt,
So gar ein iedes Blat, in Silber eingefaſſt.
Er gleicht dadurch, daß gruͤn und weiß ſo ſuͤß ſich miſchen,
Von weitem, gruͤn-und weiſſen Feder-Buͤſchen.
Hier ſencket ſich das Licht in rauhen Schnee hinein,
Und zeugt ein reines weiß; dort ſieht mans ruͤckwaͤrts prallen,
Und,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0444" n="412"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der &#x017F;chimmernde Schnee.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Der &#x017F;chimmernde Schnee.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">E</hi>s war die &#x017F;tarre Welt im Ei&#x017F;&#x2019; annoch ver&#x017F;tecket;</l><lb/>
              <l>Es hatte &#x017F;ie annoch der wei&#x017F;&#x017F;e Schnee bedecket,</l><lb/>
              <l>Als welcher u&#x0364;berall noch lag;</l><lb/>
              <l>Da ich an einem heitern Tag&#x2019;,</l><lb/>
              <l>Um auch, zu GOTTES Ruhm, an &#x017F;tat des gru&#x0364;nen,</l><lb/>
              <l>Des wei&#x017F;&#x017F;en Schmucks der Welt mich fro&#x0364;hlich zu bedienen.</l><lb/>
              <l>Mich auf das Land verfu&#x0364;gte:</l><lb/>
              <l>Wo&#x017F;elb&#x017F;t ich tau&#x017F;end Dinge fand,</l><lb/>
              <l>An welchen ich mich &#x017F;ehr vergnu&#x0364;gte.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Es zeigt der wei&#x017F;&#x017F;e Schnee, der duncklen Ae&#x017F;te,</l><lb/>
              <l>Verworrne, &#x017F;tarre, krumme Kna&#x0364;&#x017F;te,</l><lb/>
              <l>Viel deutlicher, als &#x017F;on&#x017F;t. Das aller klein&#x017F;te Reis</l><lb/>
              <l>Er&#x017F;cheinet ietzt, da &#x017F;on&#x017F;ten alles weiß,</l><lb/>
              <l>Durch &#x017F;eine braune Dunckelheit,</l><lb/>
              <l>Da es nicht gantz bedeckt, in &#x017F;olcher Deutlichkeit,</l><lb/>
              <l>Daß alle Ba&#x0364;ume ietzt an Zweigen reicher &#x017F;cheinen:</l><lb/>
              <l>Dadurch &#x017F;ieht alles rauch und kraus,</l><lb/>
              <l>Verwirrt und wild, und dennoch lieblich aus.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Denn in der falben du&#x0364;&#x017F;tern Lufft</l><lb/>
              <l>Scheint ieder Wipfel ietzt</l><lb/>
              <l>Ein Silber-weiß Gewu&#x0364;lck, ein heller Dufft.</l><lb/>
              <l>Am Taxus, der bereifft, &#x017F;cheint nicht nur ieder A&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>So gar ein iedes Blat, in Silber eingefa&#x017F;&#x017F;t.</l><lb/>
              <l>Er gleicht dadurch, daß gru&#x0364;n und weiß &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;ß &#x017F;ich mi&#x017F;chen,</l><lb/>
              <l>Von weitem, gru&#x0364;n-und wei&#x017F;&#x017F;en Feder-Bu&#x0364;&#x017F;chen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Hier &#x017F;encket &#x017F;ich das Licht in rauhen Schnee hinein,</l><lb/>
              <l>Und zeugt ein reines weiß; dort &#x017F;ieht mans ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts prallen,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Und,</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[412/0444] Der ſchimmernde Schnee. Der ſchimmernde Schnee. Es war die ſtarre Welt im Eiſ’ annoch verſtecket; Es hatte ſie annoch der weiſſe Schnee bedecket, Als welcher uͤberall noch lag; Da ich an einem heitern Tag’, Um auch, zu GOTTES Ruhm, an ſtat des gruͤnen, Des weiſſen Schmucks der Welt mich froͤhlich zu bedienen. Mich auf das Land verfuͤgte: Woſelbſt ich tauſend Dinge fand, An welchen ich mich ſehr vergnuͤgte. Es zeigt der weiſſe Schnee, der duncklen Aeſte, Verworrne, ſtarre, krumme Knaͤſte, Viel deutlicher, als ſonſt. Das aller kleinſte Reis Erſcheinet ietzt, da ſonſten alles weiß, Durch ſeine braune Dunckelheit, Da es nicht gantz bedeckt, in ſolcher Deutlichkeit, Daß alle Baͤume ietzt an Zweigen reicher ſcheinen: Dadurch ſieht alles rauch und kraus, Verwirrt und wild, und dennoch lieblich aus. Denn in der falben duͤſtern Lufft Scheint ieder Wipfel ietzt Ein Silber-weiß Gewuͤlck, ein heller Dufft. Am Taxus, der bereifft, ſcheint nicht nur ieder Aſt, So gar ein iedes Blat, in Silber eingefaſſt. Er gleicht dadurch, daß gruͤn und weiß ſo ſuͤß ſich miſchen, Von weitem, gruͤn-und weiſſen Feder-Buͤſchen. Hier ſencket ſich das Licht in rauhen Schnee hinein, Und zeugt ein reines weiß; dort ſieht mans ruͤckwaͤrts prallen, Und,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/444
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/444>, abgerufen am 03.12.2024.