Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Der gestirnte Baum.
Der gestirnte Baum.
Die Zweige, welche sonst durch grünes Laub verdecket,
Sind auch anietzt aufs nen verstecket.
Ein rauher Reiff, der alles ietzt erfüllet,
Hat auch die kleinsten Zweig' ümgeben und verhüllet;
So, daß der Bäume Wipfel sich
Jn ihren gross- und kleinen Zweigen,
Absonderlich von weiten, eigentlich,
Als wären sie aufs neu belaubet, zeigen:
Zumahl wenn sich der Reiff mit Sternen-förm'gen
Schnee,

Der mit den Spitzen sich an seine Theilchen hänget,
Und ihn dadurch noch luckrer macht, vermenget.
Jch habe solchen Baum einst Wunder-Wunder-schön,
Jn einer Winter-Nacht, gesehn:
Als der entwölckte Mond auf die gefrornen Spitzen,
Jndem es eben starck gereifft,
Und der gefrorne Schnee sich überall gehäufft,
Mit hellem Schimmer fiel. Man sah' ein helles blitzen
So kräfftig, starck und hell, daß sie nicht anders schienen,
Als Sterne erster Gröss' an den Sapphirnen Bühnen.
Jch ward recht in der That dadurch betrogen.
Denn, wie ich mein Gesicht von unten aufwärts wandt',
Um, durch den Baum, des Himmels blauen Bogen
Bewundernd anzusehn, und ihn voll Sterne fand,
Die
Der geſtirnte Baum.
Der geſtirnte Baum.
Die Zweige, welche ſonſt durch gruͤnes Laub verdecket,
Sind auch anietzt aufs nen verſtecket.
Ein rauher Reiff, der alles ietzt erfuͤllet,
Hat auch die kleinſten Zweig’ uͤmgeben und verhuͤllet;
So, daß der Baͤume Wipfel ſich
Jn ihren groſſ- und kleinen Zweigen,
Abſonderlich von weiten, eigentlich,
Als waͤren ſie aufs neu belaubet, zeigen:
Zumahl wenn ſich der Reiff mit Sternen-foͤrm’gen
Schnee,

Der mit den Spitzen ſich an ſeine Theilchen haͤnget,
Und ihn dadurch noch luckrer macht, vermenget.
Jch habe ſolchen Baum einſt Wunder-Wunder-ſchoͤn,
Jn einer Winter-Nacht, geſehn:
Als der entwoͤlckte Mond auf die gefrornen Spitzen,
Jndem es eben ſtarck gereifft,
Und der gefrorne Schnee ſich uͤberall gehaͤufft,
Mit hellem Schimmer fiel. Man ſah’ ein helles blitzen
So kraͤfftig, ſtarck und hell, daß ſie nicht anders ſchienen,
Als Sterne erſter Groͤſſ’ an den Sapphirnen Buͤhnen.
Jch ward recht in der That dadurch betrogen.
Denn, wie ich mein Geſicht von unten aufwaͤrts wandt’,
Um, durch den Baum, des Himmels blauen Bogen
Bewundernd anzuſehn, und ihn voll Sterne fand,
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0440" n="408"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der ge&#x017F;tirnte Baum.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Der ge&#x017F;tirnte Baum.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Zweige, welche &#x017F;on&#x017F;t durch gru&#x0364;nes Laub verdecket,</l><lb/>
              <l>Sind auch anietzt aufs nen ver&#x017F;tecket.</l><lb/>
              <l>Ein rauher Reiff, der alles ietzt erfu&#x0364;llet,</l><lb/>
              <l>Hat auch die klein&#x017F;ten Zweig&#x2019; u&#x0364;mgeben und verhu&#x0364;llet;</l><lb/>
              <l>So, daß der Ba&#x0364;ume Wipfel &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>Jn ihren gro&#x017F;&#x017F;- und kleinen Zweigen,</l><lb/>
              <l>Ab&#x017F;onderlich von weiten, eigentlich,</l><lb/>
              <l>Als wa&#x0364;ren &#x017F;ie aufs neu belaubet, zeigen:</l><lb/>
              <l>Zumahl wenn &#x017F;ich der Reiff mit Sternen-fo&#x0364;rm&#x2019;gen<lb/><hi rendition="#et">Schnee,</hi></l><lb/>
              <l>Der mit den Spitzen &#x017F;ich an &#x017F;eine Theilchen ha&#x0364;nget,</l><lb/>
              <l>Und ihn dadurch noch luckrer macht, vermenget.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Jch habe &#x017F;olchen Baum ein&#x017F;t Wunder-Wunder-&#x017F;cho&#x0364;n,</l><lb/>
              <l>Jn einer Winter-Nacht, ge&#x017F;ehn:</l><lb/>
              <l>Als der entwo&#x0364;lckte Mond auf die gefrornen Spitzen,</l><lb/>
              <l>Jndem es eben &#x017F;tarck gereifft,</l><lb/>
              <l>Und der gefrorne Schnee &#x017F;ich u&#x0364;berall geha&#x0364;ufft,</l><lb/>
              <l>Mit hellem Schimmer fiel. Man &#x017F;ah&#x2019; ein helles blitzen</l><lb/>
              <l>So kra&#x0364;fftig, &#x017F;tarck und hell, daß &#x017F;ie nicht anders &#x017F;chienen,</l><lb/>
              <l>Als Sterne er&#x017F;ter Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;&#x2019; an den Sapphirnen Bu&#x0364;hnen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Jch ward recht in der That dadurch betrogen.</l><lb/>
              <l>Denn, wie ich mein Ge&#x017F;icht von unten aufwa&#x0364;rts wandt&#x2019;,</l><lb/>
              <l>Um, durch den Baum, des Himmels blauen Bogen</l><lb/>
              <l>Bewundernd anzu&#x017F;ehn, und ihn voll Sterne fand,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[408/0440] Der geſtirnte Baum. Der geſtirnte Baum. Die Zweige, welche ſonſt durch gruͤnes Laub verdecket, Sind auch anietzt aufs nen verſtecket. Ein rauher Reiff, der alles ietzt erfuͤllet, Hat auch die kleinſten Zweig’ uͤmgeben und verhuͤllet; So, daß der Baͤume Wipfel ſich Jn ihren groſſ- und kleinen Zweigen, Abſonderlich von weiten, eigentlich, Als waͤren ſie aufs neu belaubet, zeigen: Zumahl wenn ſich der Reiff mit Sternen-foͤrm’gen Schnee, Der mit den Spitzen ſich an ſeine Theilchen haͤnget, Und ihn dadurch noch luckrer macht, vermenget. Jch habe ſolchen Baum einſt Wunder-Wunder-ſchoͤn, Jn einer Winter-Nacht, geſehn: Als der entwoͤlckte Mond auf die gefrornen Spitzen, Jndem es eben ſtarck gereifft, Und der gefrorne Schnee ſich uͤberall gehaͤufft, Mit hellem Schimmer fiel. Man ſah’ ein helles blitzen So kraͤfftig, ſtarck und hell, daß ſie nicht anders ſchienen, Als Sterne erſter Groͤſſ’ an den Sapphirnen Buͤhnen. Jch ward recht in der That dadurch betrogen. Denn, wie ich mein Geſicht von unten aufwaͤrts wandt’, Um, durch den Baum, des Himmels blauen Bogen Bewundernd anzuſehn, und ihn voll Sterne fand, Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/440
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/440>, abgerufen am 21.12.2024.