Unverantwortliche Unempfindlichkeit der Menschen, über entferntes Unglück.
Gefühl-los menschliches Geschlechte, Mehr unempfindlich, als ein Stein! Mit welchem Fug, mit welchem Rechte Verlangest du beglückt zu seyn? Vortrefflich sind dir alle Dinge, So lange du sie nur nicht hast: Kaum sind sie dein, sind sie geringe, Ja werden dir offt gar zur Last. Ein Mittel, uns ein Ding zu nehmen, Jst, wenn man uns dasselbe schenckt. Denn, wenn wir alles überkämen, Verliert mans, wenn man dran nicht denckt. Um dieser Plag' uns zu entziehen, Um danckbar und vergnügt zu seyn; Will ich anietzo mich bemühen, Nur erstlich die entfernte Pein, Die uns iedoch betreffen können: Auch nachmahls das, so in der That Des Schöpfers Güt' uns wollen gönnen, Und man von Jhm empfangen hat, Mit frohem Ernst zu überlegen. Vom Unglück will ich viererley, Wofür uns GOTT bewahrt, erwegen: Krieg, Hunger, Kranckheit, Selaverey.
Gieb
T 2
Unverantwortliche Unempfindlichkeit ꝛc.
Unverantwortliche Unempfindlichkeit der Menſchen, uͤber entferntes Ungluͤck.
Gefuͤhl-los menſchliches Geſchlechte, Mehr unempfindlich, als ein Stein! Mit welchem Fug, mit welchem Rechte Verlangeſt du begluͤckt zu ſeyn? Vortrefflich ſind dir alle Dinge, So lange du ſie nur nicht haſt: Kaum ſind ſie dein, ſind ſie geringe, Ja werden dir offt gar zur Laſt. Ein Mittel, uns ein Ding zu nehmen, Jſt, wenn man uns daſſelbe ſchenckt. Denn, wenn wir alles uͤberkaͤmen, Verliert mans, wenn man dran nicht denckt. Um dieſer Plag’ uns zu entziehen, Um danckbar und vergnuͤgt zu ſeyn; Will ich anietzo mich bemuͤhen, Nur erſtlich die entfernte Pein, Die uns iedoch betreffen koͤnnen: Auch nachmahls das, ſo in der That Des Schoͤpfers Guͤt’ uns wollen goͤnnen, Und man von Jhm empfangen hat, Mit frohem Ernſt zu uͤberlegen. Vom Ungluͤck will ich viererley, Wofuͤr uns GOTT bewahrt, erwegen: Krieg, Hunger, Kranckheit, Selaverey.
Gieb
T 2
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Unverantwortliche Unempfindlichkeit ꝛc.
Unverantwortliche Unempfindlichkeit
der Menſchen, uͤber entferntes
Ungluͤck.
Gefuͤhl-los menſchliches Geſchlechte,
Mehr unempfindlich, als ein Stein!
Mit welchem Fug, mit welchem Rechte
Verlangeſt du begluͤckt zu ſeyn?
Vortrefflich ſind dir alle Dinge,
So lange du ſie nur nicht haſt:
Kaum ſind ſie dein, ſind ſie geringe,
Ja werden dir offt gar zur Laſt.
Ein Mittel, uns ein Ding zu nehmen,
Jſt, wenn man uns daſſelbe ſchenckt.
Denn, wenn wir alles uͤberkaͤmen,
Verliert mans, wenn man dran nicht denckt.
Um dieſer Plag’ uns zu entziehen,
Um danckbar und vergnuͤgt zu ſeyn;
Will ich anietzo mich bemuͤhen,
Nur erſtlich die entfernte Pein,
Die uns iedoch betreffen koͤnnen:
Auch nachmahls das, ſo in der That
Des Schoͤpfers Guͤt’ uns wollen goͤnnen,
Und man von Jhm empfangen hat,
Mit frohem Ernſt zu uͤberlegen.
Vom Ungluͤck will ich viererley,
Wofuͤr uns GOTT bewahrt, erwegen:
Krieg, Hunger, Kranckheit, Selaverey.
Gieb
T 2
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/323>, abgerufen am 05.02.2025.
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