Es war die laue Frühlings-Zeit Jn ihren höchsten Flor gekommen; Der Monat Junius hatt' allbereit, Mit Rosen ausgeschmückt, den Anfang jüngst genommen; Als Gottlieb, da der Tag sich etwas abgekühlt, Und man bereits ein Abend-Lüfftchen fühlt', An einem klaren Bach spatzierte, Au dessen Ufer rechter Seits Ein grünes Wäldchen stand, Das seiner Fluth Crystall mit einem Bilde zierte, Das selbst ein Wäldchen schien. Es gläntzt' in seiner Hand Ein schöner Rosen-Strauß, der rings ümher die Lufft Erfüllete mit einem Balsam-Dufft', Und welcher den Geruch erquickt. Ein Apfel, den uns China schickt, Den er von ungefehr in seiner Tasche fand, Erfrischte seinen Gaum. Der Silber-reine Schall Von einer in beblühmten Hecken Hell musicirenden verliebten Nachtigall Drang ihm durchs Ohr ans Hertz. Mit einem süssen Schrecken, Mit halb entzücktem Blick, ward er zugleich, wie klar, Wie gülden, wie voll Glantz, wie Wunder-Wunder-schön Die Licht- und Lebens-Quell, die Sonn', im untergehn, Jn unvergleichlicher Vollkommenheit, Durch das noch zarte grün, gewahr.
Er
Vergnuͤgte Sinnen.
Vergnuͤgte Sinnen.
Es war die laue Fruͤhlings-Zeit Jn ihren hoͤchſten Flor gekommen; Der Monat Junius hatt’ allbereit, Mit Roſen ausgeſchmuͤckt, den Anfang juͤngſt genommen; Als Gottlieb, da der Tag ſich etwas abgekuͤhlt, Und man bereits ein Abend-Luͤfftchen fuͤhlt’, An einem klaren Bach ſpatzierte, Au deſſen Ufer rechter Seits Ein gruͤnes Waͤldchen ſtand, Das ſeiner Fluth Cryſtall mit einem Bilde zierte, Das ſelbſt ein Waͤldchen ſchien. Es glaͤntzt’ in ſeiner Hand Ein ſchoͤner Roſen-Strauß, der rings uͤmher die Lufft Erfuͤllete mit einem Balſam-Dufft’, Und welcher den Geruch erquickt. Ein Apfel, den uns China ſchickt, Den er von ungefehr in ſeiner Taſche fand, Erfriſchte ſeinen Gaum. Der Silber-reine Schall Von einer in bebluͤhmten Hecken Hell muſicirenden verliebten Nachtigall Drang ihm durchs Ohr ans Hertz. Mit einem ſuͤſſen Schrecken, Mit halb entzuͤcktem Blick, ward er zugleich, wie klar, Wie guͤlden, wie voll Glantz, wie Wunder-Wunder-ſchoͤn Die Licht- und Lebens-Quell, die Sonn’, im untergehn, Jn unvergleichlicher Vollkommenheit, Durch das noch zarte gruͤn, gewahr.
Er
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Vergnuͤgte Sinnen.
Vergnuͤgte Sinnen.
Es war die laue Fruͤhlings-Zeit
Jn ihren hoͤchſten Flor gekommen;
Der Monat Junius hatt’ allbereit,
Mit Roſen ausgeſchmuͤckt, den Anfang juͤngſt genommen;
Als Gottlieb, da der Tag ſich etwas abgekuͤhlt,
Und man bereits ein Abend-Luͤfftchen fuͤhlt’,
An einem klaren Bach ſpatzierte,
Au deſſen Ufer rechter Seits
Ein gruͤnes Waͤldchen ſtand,
Das ſeiner Fluth Cryſtall mit einem Bilde zierte,
Das ſelbſt ein Waͤldchen ſchien. Es glaͤntzt’ in ſeiner Hand
Ein ſchoͤner Roſen-Strauß, der rings uͤmher die Lufft
Erfuͤllete mit einem Balſam-Dufft’,
Und welcher den Geruch erquickt.
Ein Apfel, den uns China ſchickt,
Den er von ungefehr in ſeiner Taſche fand,
Erfriſchte ſeinen Gaum. Der Silber-reine Schall
Von einer in bebluͤhmten Hecken
Hell muſicirenden verliebten Nachtigall
Drang ihm durchs Ohr ans Hertz. Mit einem ſuͤſſen
Schrecken,
Mit halb entzuͤcktem Blick, ward er zugleich, wie klar,
Wie guͤlden, wie voll Glantz, wie Wunder-Wunder-ſchoͤn
Die Licht- und Lebens-Quell, die Sonn’, im untergehn,
Jn unvergleichlicher Vollkommenheit,
Durch das noch zarte gruͤn, gewahr.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/139>, abgerufen am 03.07.2024.
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