Den rothen, weiss- und wilden Rosen-Strauch Hab ich, durch ihren Schmuck dazu getrieben, Zu ihres Schöpfers Ruhm beschrieben. Jetzt find ich, daß annoch verschiednes übrig blieben, Das eben auch Zum selben Zweck gerühmt zu seyn begehrt, Und welches es nicht minder wehrt.
Es suchen dem Geruch, und dem Gesicht, Die bunten Wein- und Eßig-Rosen, Sowol als jene, liebzukosen. Ein Auge, daß darauf gericht't, Trifft auf denselbigen von neuen, Veränderte besondre Wunder an, Die unser Hertz dnrchs Aug' erfreuen, Und die nach Würden doch kein Kiel beschreiben kan.
Was kan doch mehr das Aug' und auch das Hertze rühren, Als wenn auf einem Blat zugleich Wir die verbundne Zier von weiß und rothen spüren? Es scheinet die Natur, die an Erfindung reich, Noch nicht damit zu frieden, Daß sie die Farben unterschieden, Wenn sie auf dieser weiß, auf jener röhtlich gläntzt. Auf einer andern Art ist sie gedoppelt schön; Und lässt zugleich uns weiss' und rothe Striche sehn, Zwo Farben siehet man recht angenehm vermengt; Hier sieht man sie gestricht, mit Pünetgen, dort besprengt. Auf Tulpen und auf Nelcken Art, Sind Farb und Formen drauf gepaart; Sie scheinen recht mit Fleiß gezeichnet und gemahlet
Vom
Wein- und Eßig-Roſen.
Den rothen, weiſſ- und wilden Roſen-Strauch Hab ich, durch ihren Schmuck dazu getrieben, Zu ihres Schoͤpfers Ruhm beſchrieben. Jetzt find ich, daß annoch verſchiednes uͤbrig blieben, Das eben auch Zum ſelben Zweck geruͤhmt zu ſeyn begehrt, Und welches es nicht minder wehrt.
Es ſuchen dem Geruch, und dem Geſicht, Die bunten Wein- und Eßig-Roſen, Sowol als jene, liebzukoſen. Ein Auge, daß darauf gericht’t, Trifft auf denſelbigen von neuen, Veraͤnderte beſondre Wunder an, Die unſer Hertz dnrchs Aug’ erfreuen, Und die nach Wuͤrden doch kein Kiel beſchreiben kan.
Was kan doch mehr das Aug’ und auch das Hertze ruͤhren, Als wenn auf einem Blat zugleich Wir die verbundne Zier von weiß und rothen ſpuͤren? Es ſcheinet die Natur, die an Erfindung reich, Noch nicht damit zu frieden, Daß ſie die Farben unterſchieden, Wenn ſie auf dieſer weiß, auf jener roͤhtlich glaͤntzt. Auf einer andern Art iſt ſie gedoppelt ſchoͤn; Und laͤſſt zugleich uns weiſſ’ und rothe Striche ſehn, Zwo Farben ſiehet man recht angenehm vermengt; Hier ſieht man ſie geſtricht, mit Puͤnetgen, dort beſprengt. Auf Tulpen und auf Nelcken Art, Sind Farb und Formen drauf gepaart; Sie ſcheinen recht mit Fleiß gezeichnet und gemahlet
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Wein- und Eßig-Roſen.
Den rothen, weiſſ- und wilden Roſen-Strauch
Hab ich, durch ihren Schmuck dazu getrieben,
Zu ihres Schoͤpfers Ruhm beſchrieben.
Jetzt find ich, daß annoch verſchiednes uͤbrig blieben,
Das eben auch
Zum ſelben Zweck geruͤhmt zu ſeyn begehrt,
Und welches es nicht minder wehrt.
Es ſuchen dem Geruch, und dem Geſicht,
Die bunten Wein- und Eßig-Roſen,
Sowol als jene, liebzukoſen.
Ein Auge, daß darauf gericht’t,
Trifft auf denſelbigen von neuen,
Veraͤnderte beſondre Wunder an,
Die unſer Hertz dnrchs Aug’ erfreuen,
Und die nach Wuͤrden doch kein Kiel beſchreiben kan.
Was kan doch mehr das Aug’ und auch das Hertze ruͤhren,
Als wenn auf einem Blat zugleich
Wir die verbundne Zier von weiß und rothen ſpuͤren?
Es ſcheinet die Natur, die an Erfindung reich,
Noch nicht damit zu frieden,
Daß ſie die Farben unterſchieden,
Wenn ſie auf dieſer weiß, auf jener roͤhtlich glaͤntzt.
Auf einer andern Art iſt ſie gedoppelt ſchoͤn;
Und laͤſſt zugleich uns weiſſ’ und rothe Striche ſehn,
Zwo Farben ſiehet man recht angenehm vermengt;
Hier ſieht man ſie geſtricht, mit Puͤnetgen, dort beſprengt.
Auf Tulpen und auf Nelcken Art,
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/646>, abgerufen am 22.02.2025.
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