Die Regel, wie wir es ja durch Erfahrung fassen, Wird sich zugleich auf heiss' und kalte Cörper passen. Wenn man sie untersucht, wird aller Zweisel weichen, Daß sie sich unter sich nicht sollten völlig gleichen. Die Hitz' und Kält' entstehn, wenn wir es überlegen, Gantz offenbar aus Ruh und aus Bewegen.
Von der Hitze und von der Kälte.
Man spottete vor dem gewisser Weisen Lehre, Die sagten, daß der Schnee nicht weiß: Jngleichen wäre Das Feuer auch nicht heiß. Allein die Meinungen, die ein gemeiner Geist Verwegen, lächerlich, und thöricht heisst, Wenn wir dieselben recht erwegen, Erweisen, daß sie offt die Wahrheit in sich hegen.
Empfindet man die Macht und Wuth Von angeschührter Kohlen-Gluht; Was kan in uns das Fühlen dieser Pein, So uns vom Feur entspringt, doch seyn? Und was ist sonst im Feuer, wenns uns brennet, Als eine Macht, die uns das Fleisch verrückt und trennet? Wenn sich in uns des Feuers Theilchen pressen; So widme man darum dem Feur die Hitze nicht, So wenig, als wenn uns der Stahl zerreist und sticht, Man unsern Schmertz mit Recht dem Stahl sucht beyzumessen.
Die-
Von der Haͤrte und Fluͤßigkeit.
Die Regel, wie wir es ja durch Erfahrung faſſen, Wird ſich zugleich auf heiſſ’ und kalte Coͤrper paſſen. Wenn man ſie unterſucht, wird aller Zweiſel weichen, Daß ſie ſich unter ſich nicht ſollten voͤllig gleichen. Die Hitz’ und Kaͤlt’ entſtehn, wenn wir es uͤberlegen, Gantz offenbar aus Ruh und aus Bewegen.
Von der Hitze und von der Kaͤlte.
Man ſpottete vor dem gewiſſer Weiſen Lehre, Die ſagten, daß der Schnee nicht weiß: Jngleichen waͤre Das Feuer auch nicht heiß. Allein die Meinungen, die ein gemeiner Geiſt Verwegen, laͤcherlich, und thoͤricht heiſſt, Wenn wir dieſelben recht erwegen, Erweiſen, daß ſie offt die Wahrheit in ſich hegen.
Empfindet man die Macht und Wuth Von angeſchuͤhrter Kohlen-Gluht; Was kan in uns das Fuͤhlen dieſer Pein, So uns vom Feur entſpringt, doch ſeyn? Und was iſt ſonſt im Feuer, wenns uns brennet, Als eine Macht, die uns das Fleiſch verruͤckt und trennet? Wenn ſich in uns des Feuers Theilchen preſſen; So widme man darum dem Feur die Hitze nicht, So wenig, als wenn uns der Stahl zerreiſt und ſticht, Man unſern Schmertz mit Recht dem Stahl ſucht beyzumeſſen.
Die-
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Von der Haͤrte und Fluͤßigkeit.
Die Regel, wie wir es ja durch Erfahrung faſſen,
Wird ſich zugleich auf heiſſ’ und kalte Coͤrper paſſen.
Wenn man ſie unterſucht, wird aller Zweiſel weichen,
Daß ſie ſich unter ſich nicht ſollten voͤllig gleichen.
Die Hitz’ und Kaͤlt’ entſtehn, wenn wir es uͤberlegen,
Gantz offenbar aus Ruh und aus Bewegen.
Von der Hitze und von der Kaͤlte.
Man ſpottete vor dem gewiſſer Weiſen Lehre,
Die ſagten, daß der Schnee nicht weiß:
Jngleichen waͤre
Das Feuer auch nicht heiß.
Allein die Meinungen, die ein gemeiner Geiſt
Verwegen, laͤcherlich, und thoͤricht heiſſt,
Wenn wir dieſelben recht erwegen,
Erweiſen, daß ſie offt die Wahrheit in ſich hegen.
Empfindet man die Macht und Wuth
Von angeſchuͤhrter Kohlen-Gluht;
Was kan in uns das Fuͤhlen dieſer Pein,
So uns vom Feur entſpringt, doch ſeyn?
Und was iſt ſonſt im Feuer, wenns uns brennet,
Als eine Macht, die uns das Fleiſch verruͤckt und trennet?
Wenn ſich in uns des Feuers Theilchen preſſen;
So widme man darum dem Feur die Hitze nicht,
So wenig, als wenn uns der Stahl zerreiſt und ſticht,
Man unſern Schmertz mit Recht dem Stahl ſucht beyzumeſſen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/333>, abgerufen am 22.02.2025.
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