Jch brach ein noch nicht ganz geöffnet Knöspchen ab, Das mir, als ich es recht beschau'te, Von GOttes weiser Macht solch' eine Probe gab, Daß ich zu Seinem Ruhm mich recht dadurch erbau'te. Jch ward daran so mancher Haut gewahr, Die jede wie ein eigen Kleid, Ja wie ein Pelz, der Blühte Zärtlichkeit Für Frost und andere Gefahr Recht Wunder-würdig schützt' und deckte. Die Zahl derselbigen, so sich auf neun erstreckte, Wovon, so bald die Blüht zu ihrem Ausbruch eilet, Sich jede wieder dreyfach teilet, Doch allezeit an solchem Orte, Woselbst der Oeffnung kleine Pforte Ein' and're Haut, so alda ganz, entspriesst, O Wunder! immer wieder schliesst; Bewog mich, auf das neu, das albern' Ungefehr Der Atheisten zu verlachen, Und zwang mich, Freuden-voll den wahren Schluß zu machen: Ein Etwas, das vom Sinn' und allem Denken leer, Das folglich blind und tumm, kann nicht mit Wahrheits- Schein Für eine Sache Sorge tragen, Und klüger, als die Klugheit, seyn.
Hier
Die Knoſpe.
Jch brach ein noch nicht ganz geoͤffnet Knoͤſpchen ab, Das mir, als ich es recht beſchau’te, Von GOttes weiſer Macht ſolch’ eine Probe gab, Daß ich zu Seinem Ruhm mich recht dadurch erbau’te. Jch ward daran ſo mancher Haut gewahr, Die jede wie ein eigen Kleid, Ja wie ein Pelz, der Bluͤhte Zaͤrtlichkeit Fuͤr Froſt und andere Gefahr Recht Wunder-wuͤrdig ſchuͤtzt’ und deckte. Die Zahl derſelbigen, ſo ſich auf neun erſtreckte, Wovon, ſo bald die Bluͤht zu ihrem Ausbruch eilet, Sich jede wieder dreyfach teilet, Doch allezeit an ſolchem Orte, Woſelbſt der Oeffnung kleine Pforte Ein’ and’re Haut, ſo alda ganz, entſprieſſt, O Wunder! immer wieder ſchlieſſt; Bewog mich, auf das neu, das albern’ Ungefehr Der Atheiſten zu verlachen, Und zwang mich, Freuden-voll den wahren Schluß zu machen: Ein Etwas, das vom Sinn’ und allem Denken leer, Das folglich blind und tumm, kann nicht mit Wahrheits- Schein Fuͤr eine Sache Sorge tragen, Und kluͤger, als die Klugheit, ſeyn.
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Die Knoſpe.
Jch brach ein noch nicht ganz geoͤffnet Knoͤſpchen ab,
Das mir, als ich es recht beſchau’te,
Von GOttes weiſer Macht ſolch’ eine Probe gab,
Daß ich zu Seinem Ruhm mich recht dadurch erbau’te.
Jch ward daran ſo mancher Haut gewahr,
Die jede wie ein eigen Kleid,
Ja wie ein Pelz, der Bluͤhte Zaͤrtlichkeit
Fuͤr Froſt und andere Gefahr
Recht Wunder-wuͤrdig ſchuͤtzt’ und deckte.
Die Zahl derſelbigen, ſo ſich auf neun erſtreckte,
Wovon, ſo bald die Bluͤht zu ihrem Ausbruch eilet,
Sich jede wieder dreyfach teilet,
Doch allezeit an ſolchem Orte,
Woſelbſt der Oeffnung kleine Pforte
Ein’ and’re Haut, ſo alda ganz, entſprieſſt,
O Wunder! immer wieder ſchlieſſt;
Bewog mich, auf das neu, das albern’ Ungefehr
Der Atheiſten zu verlachen,
Und zwang mich, Freuden-voll den wahren Schluß zu
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/84>, abgerufen am 22.02.2025.
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