Jndem ich jüngst vergnüget und allein Bey einem Apfel-Baum' in voller Blühte, Der angestralet war vom hellen Sonnen-Schein, Voll fröhlicher Betrachtung stand, Und mein gerühretes Gemüte Zu GOttes Ruhm darin so manchen Vorwurf fand; Ward ich zugleich auf ungezählten Zweigen, Die durch der Bluhmen Meng' und Last sich gleichsam beugen, Von Bienen eine ganze Schar, Voll munt'rer Emsigkeit, gewahr. Jch sah und hör'te sie mit innigem Vergnügen Und lieblichem Gemurmel fliegen. Jch sah sie, theils um sich zu tränken, Theils Honig und theils Wachs heraus zu ziehn, Jn jede Blüht mit emsigem Bemühn Die kleinen rauhen Häupter senken. Jch sah, wie sie die süsse Last, So bald sie etwas aufgefasst, Jndem sie in der Luft mit frohem sumsen schweb'ten, An ihre Füsse künstlich kleb'ten. O wunderbarer GOtt! fing ich vor Freuden an, O wunderbarer GOtt! wer leb't auf dieser Erden, Der Deine weise Macht begreifen kann? Die klein'ste Creatur erheb't des Schöpfers Preis, Ein fliegend Würmgen zeig't Witz, Vorsicht, Kunst und Fleiß. Es hat kein Sterblicher bishero noch entdecket, Was für ein Wunderwerk in einer Biene stecket. Kein Meusch vermag so, wie die kleine Bien',
Aus
C 2
Die Bienen.
Jndem ich juͤngſt vergnuͤget und allein Bey einem Apfel-Baum’ in voller Bluͤhte, Der angeſtralet war vom hellen Sonnen-Schein, Voll froͤhlicher Betrachtung ſtand, Und mein geruͤhretes Gemuͤte Zu GOttes Ruhm darin ſo manchen Vorwurf fand; Ward ich zugleich auf ungezaͤhlten Zweigen, Die durch der Bluhmen Meng’ und Laſt ſich gleichſam beugen, Von Bienen eine ganze Schar, Voll munt’rer Emſigkeit, gewahr. Jch ſah und hoͤr’te ſie mit innigem Vergnuͤgen Und lieblichem Gemurmel fliegen. Jch ſah ſie, theils um ſich zu traͤnken, Theils Honig und theils Wachs heraus zu ziehn, Jn jede Bluͤht mit emſigem Bemuͤhn Die kleinen rauhen Haͤupter ſenken. Jch ſah, wie ſie die ſuͤſſe Laſt, So bald ſie etwas aufgefaſſt, Jndem ſie in der Luft mit frohem ſumſen ſchweb’ten, An ihre Fuͤſſe kuͤnſtlich kleb’ten. O wunderbarer GOtt! fing ich vor Freuden an, O wunderbarer GOtt! wer leb’t auf dieſer Erden, Der Deine weiſe Macht begreifen kann? Die klein’ſte Creatur erheb’t des Schoͤpfers Preis, Ein fliegend Wuͤrmgen zeig’t Witz, Vorſicht, Kunſt und Fleiß. Es hat kein Sterblicher bishero noch entdecket, Was fuͤr ein Wunderwerk in einer Biene ſtecket. Kein Meuſch vermag ſo, wie die kleine Bien’,
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[35/0071]
Die Bienen.
Jndem ich juͤngſt vergnuͤget und allein
Bey einem Apfel-Baum’ in voller Bluͤhte,
Der angeſtralet war vom hellen Sonnen-Schein,
Voll froͤhlicher Betrachtung ſtand,
Und mein geruͤhretes Gemuͤte
Zu GOttes Ruhm darin ſo manchen Vorwurf fand;
Ward ich zugleich auf ungezaͤhlten Zweigen,
Die durch der Bluhmen Meng’ und Laſt ſich gleichſam
beugen,
Von Bienen eine ganze Schar,
Voll munt’rer Emſigkeit, gewahr.
Jch ſah und hoͤr’te ſie mit innigem Vergnuͤgen
Und lieblichem Gemurmel fliegen.
Jch ſah ſie, theils um ſich zu traͤnken,
Theils Honig und theils Wachs heraus zu ziehn,
Jn jede Bluͤht mit emſigem Bemuͤhn
Die kleinen rauhen Haͤupter ſenken.
Jch ſah, wie ſie die ſuͤſſe Laſt,
So bald ſie etwas aufgefaſſt,
Jndem ſie in der Luft mit frohem ſumſen ſchweb’ten,
An ihre Fuͤſſe kuͤnſtlich kleb’ten.
O wunderbarer GOtt! fing ich vor Freuden an,
O wunderbarer GOtt! wer leb’t auf dieſer Erden,
Der Deine weiſe Macht begreifen kann?
Die klein’ſte Creatur erheb’t des Schoͤpfers Preis,
Ein fliegend Wuͤrmgen zeig’t Witz, Vorſicht, Kunſt und Fleiß.
Es hat kein Sterblicher bishero noch entdecket,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/71>, abgerufen am 05.02.2025.
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