Jch sahe mit betrachtendem Gemüte Jüngst einen Kirsch-Baum, welcher blüh'te, Jn küler Nacht beym Monden-Schein; Jch glaubt', es könne nichts von gröss'rer Weisse seyn. Es schien, ob wär' ein Schnee gefallen. Ein jeder, auch der klein'ste, Ast Trug gleichsam eine rechte Last Von zierlich-weissen runden Ballen. Es ist kein Schwan so weiß, da nemlich jedes Blat, Jndem daselbst des Mondes sanftes Licht Selbst durch die zarten Blätter bricht, So gar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat. Unmöglich, dacht' ich, kann auf Erden Was weissers ausgefunden werden. Jndem ich nun bald hin bald her Jm Schatten dieses Baumes gehe: Sah' ich von ungefehr Durch alle Bluhmen in die Höhe Und ward noch einen weissern Schein, Der tausend mal so weiß, der tausend mal so klar, Fast halb darob erstaunt, gewahr. Der Blühte Schnee schien schwarz zu seyn Bey diesem weissen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht Von einem hellen Stern ein weisses Licht, Das mir recht in die Sele stral'te.
Wie sehr ich mich an GOtt im Jrdischen ergetze, Dacht' ich, hat Er dennoch weit grös're Schätze. Die gröste Schönheit dieser Erden Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.
Noch
Kirſch-Bluͤhte bey der Nacht.
Jch ſahe mit betrachtendem Gemuͤte Juͤngſt einen Kirſch-Baum, welcher bluͤh’te, Jn kuͤler Nacht beym Monden-Schein; Jch glaubt’, es koͤnne nichts von groͤſſ’rer Weiſſe ſeyn. Es ſchien, ob waͤr’ ein Schnee gefallen. Ein jeder, auch der klein’ſte, Aſt Trug gleichſam eine rechte Laſt Von zierlich-weiſſen runden Ballen. Es iſt kein Schwan ſo weiß, da nemlich jedes Blat, Jndem daſelbſt des Mondes ſanftes Licht Selbſt durch die zarten Blaͤtter bricht, So gar den Schatten weiß und ſonder Schwaͤrze hat. Unmoͤglich, dacht’ ich, kann auf Erden Was weiſſers ausgefunden werden. Jndem ich nun bald hin bald her Jm Schatten dieſes Baumes gehe: Sah’ ich von ungefehr Durch alle Bluhmen in die Hoͤhe Und ward noch einen weiſſern Schein, Der tauſend mal ſo weiß, der tauſend mal ſo klar, Faſt halb darob erſtaunt, gewahr. Der Bluͤhte Schnee ſchien ſchwarz zu ſeyn Bey dieſem weiſſen Glanz. Es fiel mir ins Geſicht Von einem hellen Stern ein weiſſes Licht, Das mir recht in die Sele ſtral’te.
Wie ſehr ich mich an GOtt im Jrdiſchen ergetze, Dacht’ ich, hat Er dennoch weit groͤſ’re Schaͤtze. Die groͤſte Schoͤnheit dieſer Erden Kann mit der himmliſchen doch nicht verglichen werden.
Noch
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Kirſch-Bluͤhte bey der Nacht.
Jch ſahe mit betrachtendem Gemuͤte
Juͤngſt einen Kirſch-Baum, welcher bluͤh’te,
Jn kuͤler Nacht beym Monden-Schein;
Jch glaubt’, es koͤnne nichts von groͤſſ’rer Weiſſe ſeyn.
Es ſchien, ob waͤr’ ein Schnee gefallen.
Ein jeder, auch der klein’ſte, Aſt
Trug gleichſam eine rechte Laſt
Von zierlich-weiſſen runden Ballen.
Es iſt kein Schwan ſo weiß, da nemlich jedes Blat,
Jndem daſelbſt des Mondes ſanftes Licht
Selbſt durch die zarten Blaͤtter bricht,
So gar den Schatten weiß und ſonder Schwaͤrze hat.
Unmoͤglich, dacht’ ich, kann auf Erden
Was weiſſers ausgefunden werden.
Jndem ich nun bald hin bald her
Jm Schatten dieſes Baumes gehe:
Sah’ ich von ungefehr
Durch alle Bluhmen in die Hoͤhe
Und ward noch einen weiſſern Schein,
Der tauſend mal ſo weiß, der tauſend mal ſo klar,
Faſt halb darob erſtaunt, gewahr.
Der Bluͤhte Schnee ſchien ſchwarz zu ſeyn
Bey dieſem weiſſen Glanz. Es fiel mir ins Geſicht
Von einem hellen Stern ein weiſſes Licht,
Das mir recht in die Sele ſtral’te.
Wie ſehr ich mich an GOtt im Jrdiſchen ergetze,
Dacht’ ich, hat Er dennoch weit groͤſ’re Schaͤtze.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/65>, abgerufen am 22.02.2025.
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