Grosser GOtt! ich kann mit Freuden, Auch beym Frost, die Augen weiden Jn der weiß beschney'ten Welt, Die, wenn's klar ist oder schneyet, Mich auf beyde Weis' erfreuet, Und, zu Deinem Ruhm, gefäll't.
Es scheinet, wenn es schneyt, die ganze Luft beleb't.
Hier flieg't, dort spiel't, hier schiesst, dort schweb't, Hier steigt, dort fällt, da wirbelt sich Ein krauser Flocken-Schwarm; dort wird er grimmiglich Jn einem Sturm vorbey gerissen, So daß wir uns verwundern müssen, Wenn wir halb bang, und halb vergnüget sehn, Wie so viel tausend Teile, Mit solcher Emsigkeit und Eile, Verwirret durch einander gehn.
Wie wenn verschied'ne Ström' ergrimmt zusammen fliessen, Und als ein rascher Pfeil schnell auf einander schiessen, Ein jeder mit Gewalt sich gegen jenen spreisst, Mit strengem dunk'len Strich den weissen Schaum zerreisst, Den ihm sein Gegner macht, und, daß das Ufer brüllet, Mit heulendem Geräusch die Wirbel teilt und füllet; So sieht man in der Luft am Schnee, wie grimmiglich Ein Wind-Strom jenen bricht, Jndem die Flocken sich
Bald
Der Winter.
Groſſer GOtt! ich kann mit Freuden, Auch beym Froſt, die Augen weiden Jn der weiß beſchney’ten Welt, Die, wenn’s klar iſt oder ſchneyet, Mich auf beyde Weiſ’ erfreuet, Und, zu Deinem Ruhm, gefaͤll’t.
Es ſcheinet, wenn es ſchneyt, die ganze Luft beleb’t.
Hier flieg’t, dort ſpiel’t, hier ſchieſſt, dort ſchweb’t, Hier ſteigt, dort faͤllt, da wirbelt ſich Ein krauſer Flocken-Schwarm; dort wird er grimmiglich Jn einem Sturm vorbey geriſſen, So daß wir uns verwundern muͤſſen, Wenn wir halb bang, und halb vergnuͤget ſehn, Wie ſo viel tauſend Teile, Mit ſolcher Emſigkeit und Eile, Verwirret durch einander gehn.
Wie wenn verſchied’ne Stroͤm’ ergrimmt zuſammen flieſſen, Und als ein raſcher Pfeil ſchnell auf einander ſchieſſen, Ein jeder mit Gewalt ſich gegen jenen ſpreiſſt, Mit ſtrengem dunk’len Strich den weiſſen Schaum zerreiſſt, Den ihm ſein Gegner macht, und, daß das Ufer bruͤllet, Mit heulendem Geraͤuſch die Wirbel teilt und fuͤllet; So ſieht man in der Luft am Schnee, wie grimmiglich Ein Wind-Strom jenen bricht, Jndem die Flocken ſich
Bald
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Der Winter.
Groſſer GOtt! ich kann mit Freuden,
Auch beym Froſt, die Augen weiden
Jn der weiß beſchney’ten Welt,
Die, wenn’s klar iſt oder ſchneyet,
Mich auf beyde Weiſ’ erfreuet,
Und, zu Deinem Ruhm, gefaͤll’t.
Es ſcheinet, wenn es ſchneyt, die ganze Luft beleb’t.
Hier flieg’t, dort ſpiel’t, hier ſchieſſt, dort ſchweb’t,
Hier ſteigt, dort faͤllt, da wirbelt ſich
Ein krauſer Flocken-Schwarm; dort wird er grimmiglich
Jn einem Sturm vorbey geriſſen,
So daß wir uns verwundern muͤſſen,
Wenn wir halb bang, und halb vergnuͤget ſehn,
Wie ſo viel tauſend Teile,
Mit ſolcher Emſigkeit und Eile,
Verwirret durch einander gehn.
Wie wenn verſchied’ne Stroͤm’ ergrimmt zuſammen flieſſen,
Und als ein raſcher Pfeil ſchnell auf einander ſchieſſen,
Ein jeder mit Gewalt ſich gegen jenen ſpreiſſt,
Mit ſtrengem dunk’len Strich den weiſſen Schaum zerreiſſt,
Den ihm ſein Gegner macht, und, daß das Ufer bruͤllet,
Mit heulendem Geraͤuſch die Wirbel teilt und fuͤllet;
So ſieht man in der Luft am Schnee, wie grimmiglich
Ein Wind-Strom jenen bricht,
Jndem die Flocken ſich
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/442>, abgerufen am 22.02.2025.
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