Des Himmels Zier, der Erden Sel' und Geist, Die Sonn', aus der des Lichts und Lebens Flut, Als einer nie versieg'nen Qvelle, fleusst, Traf mit geradem Stral die Wälder, Feld und Matten, Erfüllete die Welt mit süsser Gluht, Macht kleine, ja fast keine, Schatten, Als Tirsis, um der Külung Lust zu finden, Bey seiner Heerd', im Schatten einer Linden Sich, frey von eit'len Sorgen, setzte, Und bald sich an dem Busch, bald an dem Feld', ergetzte. Das murmelnde Getöse, so das Vieh Mit wiederkäuenden, nie stillen Mäulern machte, Schien eine sanft gedämpfte Harmonie. Die stille Heerde schien, als ob sie lag und dachte. Es ließ der sanfte Lärm, der murmelnd gleichsam rollte, Als ob sie uns dadurch zur Lehre sagen wollte:
ARIA.
Künft'ger Zeiten eit'ler Kummer Stör't nicht unsern sanften Schlummer; Ehrgeiz hat uns nie besiegt. Mit dem unbesorgten Leben, Das der Schöpfer uns gegeben, Sind wir ruhig und vergnüg't.
Da Capo.
Jndem er nun, so wie er pfleg'te, Noch ferner bey sich überleg'te: Wie unstet doch der Mensch, wie unvergnüg't sein Wille, Wie sehr vergnüg't hingegen und wie stille
Ein
K 2
DritteCantata.
Des Himmels Zier, der Erden Sel’ und Geiſt, Die Sonn’, aus der des Lichts und Lebens Flut, Als einer nie verſieg’nen Qvelle, fleuſſt, Traf mit geradem Stral die Waͤlder, Feld und Matten, Erfuͤllete die Welt mit ſuͤſſer Gluht, Macht kleine, ja faſt keine, Schatten, Als Tirſis, um der Kuͤlung Luſt zu finden, Bey ſeiner Heerd’, im Schatten einer Linden Sich, frey von eit’len Sorgen, ſetzte, Und bald ſich an dem Buſch, bald an dem Feld’, ergetzte. Das murmelnde Getoͤſe, ſo das Vieh Mit wiederkaͤuenden, nie ſtillen Maͤulern machte, Schien eine ſanft gedaͤmpfte Harmonie. Die ſtille Heerde ſchien, als ob ſie lag und dachte. Es ließ der ſanfte Laͤrm, der murmelnd gleichſam rollte, Als ob ſie uns dadurch zur Lehre ſagen wollte:
ARIA.
Kuͤnft’ger Zeiten eit’ler Kummer Stoͤr’t nicht unſern ſanften Schlummer; Ehrgeiz hat uns nie beſiegt. Mit dem unbeſorgten Leben, Das der Schoͤpfer uns gegeben, Sind wir ruhig und vergnuͤg’t.
Da Capo.
Jndem er nun, ſo wie er pfleg’te, Noch ferner bey ſich uͤberleg’te: Wie unſtet doch der Menſch, wie unvergnuͤg’t ſein Wille, Wie ſehr vergnuͤg’t hingegen und wie ſtille
Ein
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Dritte Cantata.
Des Himmels Zier, der Erden Sel’ und Geiſt,
Die Sonn’, aus der des Lichts und Lebens Flut,
Als einer nie verſieg’nen Qvelle, fleuſſt,
Traf mit geradem Stral die Waͤlder, Feld und Matten,
Erfuͤllete die Welt mit ſuͤſſer Gluht,
Macht kleine, ja faſt keine, Schatten,
Als Tirſis, um der Kuͤlung Luſt zu finden,
Bey ſeiner Heerd’, im Schatten einer Linden
Sich, frey von eit’len Sorgen, ſetzte,
Und bald ſich an dem Buſch, bald an dem Feld’, ergetzte.
Das murmelnde Getoͤſe, ſo das Vieh
Mit wiederkaͤuenden, nie ſtillen Maͤulern machte,
Schien eine ſanft gedaͤmpfte Harmonie.
Die ſtille Heerde ſchien, als ob ſie lag und dachte.
Es ließ der ſanfte Laͤrm, der murmelnd gleichſam rollte,
Als ob ſie uns dadurch zur Lehre ſagen wollte:
ARIA.
Kuͤnft’ger Zeiten eit’ler Kummer
Stoͤr’t nicht unſern ſanften Schlummer;
Ehrgeiz hat uns nie beſiegt.
Mit dem unbeſorgten Leben,
Das der Schoͤpfer uns gegeben,
Sind wir ruhig und vergnuͤg’t.
Da Capo.
Jndem er nun, ſo wie er pfleg’te,
Noch ferner bey ſich uͤberleg’te:
Wie unſtet doch der Menſch, wie unvergnuͤg’t ſein Wille,
Wie ſehr vergnuͤg’t hingegen und wie ſtille
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/183>, abgerufen am 22.02.2025.
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