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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Kleiber.
Kletterwerkzeuge des Kleibers ganz anders ist, als bei den Spechten, so ist auch die Art seines
Kletterns von der dieser Vögel sehr verschieden. Die letzteren stemmen sich beim Hinaufreiten an dem
Baumstamm stark an den Schwanz und tragen die Brust weit vom Stamme abstehend, der Kleiber
hingegen verläßt sich blos auf seine Füße und hält den Schwanz beinahe ebensoweit als die Brust
vom Baumstamme ab, an welchem er hinaufhüpft. Auch die Fähigkeit unserer Vögel, an den
Bäumen herabzuklettern und sich an ihnen mit niederwärts gerichtetem Kopfe anzuhängen, wird aus
der Beschaffenheit seiner Füße erklärlich. Die Hinterzehe ist mit ihrem großen Nagel sehr geschickt,
weit oben einzuhaken, während die Vorderzehe tief unten eingreift und das Ueberkippen des Körpers
verhindert. Bei den Spechten stehen zwar zwei Zehen hinten, aber sie sind getrennt, und die große
ist mehr seitlich als gerade nach hinten gerichtet; dabei sind die Vorderzehen, mit denen des Kleibers
verglichen, kurz. Wollte sich nun ein Specht verkehrt an den Baum hängen, so würde oben der feste
Anhaltungspunkt, welchen der Kleiber mit dem großen Nagel seiner gerade nach hinten gerichteten,
langen Hinterzehe erreichen kann, fehlen, und die Vorderzehen würden viel zu weit oben eingreifen,
als daß der Vogel ohne die größte Anstrengung in dieser Stellung auszuhalten, geschweige sich leicht
zu bewegen im Stande wäre. Die ihm so wichtige Schwanzstütze müßte natürlich, wenn er sich ihrer
bedienen wollte, sein Ueberkippen befördern. Man sieht, daß ein Vogel, welcher mit gleicher
Geschicklichkeit an den Bäumen hinauf und herabklettern sollte, nicht anders wie der Kleiber gestaltet
sein kann. Die Eigenthümlichkeit seines Fußbaues ermöglicht ihm aber noch eine dritte Bewegung,
ein leichtes Herumhüpfen auf den Zweigen und auf dem Boden."

Soviel bis jetzt bekannt, sind alle Arten der Familie Strichvögel, welche nur außer der Brutzeit
in einem kleinen Gebiete auf- und niederwandern, im ganzen aber jahraus, jahrein an ein und
derselben Stelle sich halten. Wo hohe alte Bäume oder unter Umständen Felswände ihnen genügende
Nahrung bieten, fehlen sie gewiß nicht, denn sie steigen auch ziemlich hoch im Gebirge empor. Jhre
Nahrung besteht aus Kerbthieren und Pflanzenstoffen, namentlich aus Sämereien, welche sie von den
Bäumen, Sträuchern und von Felsenwänden, wie vom Erdboden aufnehmen. Sie nisten in Baum-
oder Felslöchern, deren Eingang fast regelmäßig mit Lehm und Schlamm überkleidet wird: daher der
Name. Das Gelege besteht aus sechs bis neun Eiern, welche auf lichtem Grunde roth gepunktet sind.

Die wichtigste Art der nicht eben zahlreichen Familie ist unser Kleiber oder Blauspecht,
welcher auch wohl Spechtmeise, Holz- oder Baumhacker, Baumpicker, Baumritter,
Baumreuter
und Baumrutscher, Maispecht, Chlän, Gottler oder Tottler genannt wird
(Sitta caesia). Er ist auf der Oberseite bleigrau, auf der Unterseite rostgelb; ein schwarzer Streifen
zieht sich durch die Augen und läuft an den Kopfseiten bis zum Halse herunter; Kinn und Kehle sind
weiß, die seitlichen Weichen- und die Unterschwanzdeckfedern kastanienbraun; die Schwingen sind bräun-
lichschwarzgrau, licht gesäumt, die vordersten auch an der Wurzel weiß; die mittleren Schwanzfedern sind
aschgraublau, die übrigen tiefschwarz mit aschblauer Spitzenzeichnung, die ersten auf der Außenfahne
mit einer weißlichen Stelle vor der grauen Spitze und einem großen, viereckigen weißen Fleck auf der
Jnnenfahne. Das Auge ist nußbraun, der Schnabel oben hornschwarz, unten bleigrau, der Fuß
horngelblich. Die Länge beträgt 6, die Breite 10, die Fittiglänge 31/4, die Schwanzlänge 1 2/3 Zoll.
Das Weibchen unterscheidet sich durch den schmäleren schwarzen Augenstrich, den lichteren Unterkörper
und die geringere Größe.

Früher nahm man an, daß Europa nur von einer einzigen Art dieser Sippe, deren Kennzeichen
die oben angegebenen der Familie sind, bewohnt wird; gegenwärtig weiß man, daß mindestens drei
verschiedene Arten in unserm Erdtheil leben: der im Norden vorkommende Kleiber, welchen Linnec
den europäischen nannte (Sitta europaea), der unsrige und der Felsenkleiber (Sitta syriaca), auf
welchen ich zurückkommen werde. Der Kleiber fehlt im Norden Europas, findet sich aber von Jütland
an bis Südeuropa allerorten. Er lebt nirgends in größeren Gesellschaften, sondern immer einzeln,
d. h. paarweise oder in sehr kleinen Familien und endlich mit andern Vögeln vereinigt. Gemischte,

Kleiber.
Kletterwerkzeuge des Kleibers ganz anders iſt, als bei den Spechten, ſo iſt auch die Art ſeines
Kletterns von der dieſer Vögel ſehr verſchieden. Die letzteren ſtemmen ſich beim Hinaufreiten an dem
Baumſtamm ſtark an den Schwanz und tragen die Bruſt weit vom Stamme abſtehend, der Kleiber
hingegen verläßt ſich blos auf ſeine Füße und hält den Schwanz beinahe ebenſoweit als die Bruſt
vom Baumſtamme ab, an welchem er hinaufhüpft. Auch die Fähigkeit unſerer Vögel, an den
Bäumen herabzuklettern und ſich an ihnen mit niederwärts gerichtetem Kopfe anzuhängen, wird aus
der Beſchaffenheit ſeiner Füße erklärlich. Die Hinterzehe iſt mit ihrem großen Nagel ſehr geſchickt,
weit oben einzuhaken, während die Vorderzehe tief unten eingreift und das Ueberkippen des Körpers
verhindert. Bei den Spechten ſtehen zwar zwei Zehen hinten, aber ſie ſind getrennt, und die große
iſt mehr ſeitlich als gerade nach hinten gerichtet; dabei ſind die Vorderzehen, mit denen des Kleibers
verglichen, kurz. Wollte ſich nun ein Specht verkehrt an den Baum hängen, ſo würde oben der feſte
Anhaltungspunkt, welchen der Kleiber mit dem großen Nagel ſeiner gerade nach hinten gerichteten,
langen Hinterzehe erreichen kann, fehlen, und die Vorderzehen würden viel zu weit oben eingreifen,
als daß der Vogel ohne die größte Anſtrengung in dieſer Stellung auszuhalten, geſchweige ſich leicht
zu bewegen im Stande wäre. Die ihm ſo wichtige Schwanzſtütze müßte natürlich, wenn er ſich ihrer
bedienen wollte, ſein Ueberkippen befördern. Man ſieht, daß ein Vogel, welcher mit gleicher
Geſchicklichkeit an den Bäumen hinauf und herabklettern ſollte, nicht anders wie der Kleiber geſtaltet
ſein kann. Die Eigenthümlichkeit ſeines Fußbaues ermöglicht ihm aber noch eine dritte Bewegung,
ein leichtes Herumhüpfen auf den Zweigen und auf dem Boden.“

Soviel bis jetzt bekannt, ſind alle Arten der Familie Strichvögel, welche nur außer der Brutzeit
in einem kleinen Gebiete auf- und niederwandern, im ganzen aber jahraus, jahrein an ein und
derſelben Stelle ſich halten. Wo hohe alte Bäume oder unter Umſtänden Felswände ihnen genügende
Nahrung bieten, fehlen ſie gewiß nicht, denn ſie ſteigen auch ziemlich hoch im Gebirge empor. Jhre
Nahrung beſteht aus Kerbthieren und Pflanzenſtoffen, namentlich aus Sämereien, welche ſie von den
Bäumen, Sträuchern und von Felſenwänden, wie vom Erdboden aufnehmen. Sie niſten in Baum-
oder Felslöchern, deren Eingang faſt regelmäßig mit Lehm und Schlamm überkleidet wird: daher der
Name. Das Gelege beſteht aus ſechs bis neun Eiern, welche auf lichtem Grunde roth gepunktet ſind.

Die wichtigſte Art der nicht eben zahlreichen Familie iſt unſer Kleiber oder Blauſpecht,
welcher auch wohl Spechtmeiſe, Holz- oder Baumhacker, Baumpicker, Baumritter,
Baumreuter
und Baumrutſcher, Maiſpecht, Chlän, Gottler oder Tottler genannt wird
(Sitta caesia). Er iſt auf der Oberſeite bleigrau, auf der Unterſeite roſtgelb; ein ſchwarzer Streifen
zieht ſich durch die Augen und läuft an den Kopfſeiten bis zum Halſe herunter; Kinn und Kehle ſind
weiß, die ſeitlichen Weichen- und die Unterſchwanzdeckfedern kaſtanienbraun; die Schwingen ſind bräun-
lichſchwarzgrau, licht geſäumt, die vorderſten auch an der Wurzel weiß; die mittleren Schwanzfedern ſind
aſchgraublau, die übrigen tiefſchwarz mit aſchblauer Spitzenzeichnung, die erſten auf der Außenfahne
mit einer weißlichen Stelle vor der grauen Spitze und einem großen, viereckigen weißen Fleck auf der
Jnnenfahne. Das Auge iſt nußbraun, der Schnabel oben hornſchwarz, unten bleigrau, der Fuß
horngelblich. Die Länge beträgt 6, die Breite 10, die Fittiglänge 3¼, die Schwanzlänge 1⅔ Zoll.
Das Weibchen unterſcheidet ſich durch den ſchmäleren ſchwarzen Augenſtrich, den lichteren Unterkörper
und die geringere Größe.

Früher nahm man an, daß Europa nur von einer einzigen Art dieſer Sippe, deren Kennzeichen
die oben angegebenen der Familie ſind, bewohnt wird; gegenwärtig weiß man, daß mindeſtens drei
verſchiedene Arten in unſerm Erdtheil leben: der im Norden vorkommende Kleiber, welchen Linnéc
den europäiſchen nannte (Sitta europaea), der unſrige und der Felſenkleiber (Sitta syriaca), auf
welchen ich zurückkommen werde. Der Kleiber fehlt im Norden Europas, findet ſich aber von Jütland
an bis Südeuropa allerorten. Er lebt nirgends in größeren Geſellſchaften, ſondern immer einzeln,
d. h. paarweiſe oder in ſehr kleinen Familien und endlich mit andern Vögeln vereinigt. Gemiſchte,

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[37/0049] Kleiber. Kletterwerkzeuge des Kleibers ganz anders iſt, als bei den Spechten, ſo iſt auch die Art ſeines Kletterns von der dieſer Vögel ſehr verſchieden. Die letzteren ſtemmen ſich beim Hinaufreiten an dem Baumſtamm ſtark an den Schwanz und tragen die Bruſt weit vom Stamme abſtehend, der Kleiber hingegen verläßt ſich blos auf ſeine Füße und hält den Schwanz beinahe ebenſoweit als die Bruſt vom Baumſtamme ab, an welchem er hinaufhüpft. Auch die Fähigkeit unſerer Vögel, an den Bäumen herabzuklettern und ſich an ihnen mit niederwärts gerichtetem Kopfe anzuhängen, wird aus der Beſchaffenheit ſeiner Füße erklärlich. Die Hinterzehe iſt mit ihrem großen Nagel ſehr geſchickt, weit oben einzuhaken, während die Vorderzehe tief unten eingreift und das Ueberkippen des Körpers verhindert. Bei den Spechten ſtehen zwar zwei Zehen hinten, aber ſie ſind getrennt, und die große iſt mehr ſeitlich als gerade nach hinten gerichtet; dabei ſind die Vorderzehen, mit denen des Kleibers verglichen, kurz. Wollte ſich nun ein Specht verkehrt an den Baum hängen, ſo würde oben der feſte Anhaltungspunkt, welchen der Kleiber mit dem großen Nagel ſeiner gerade nach hinten gerichteten, langen Hinterzehe erreichen kann, fehlen, und die Vorderzehen würden viel zu weit oben eingreifen, als daß der Vogel ohne die größte Anſtrengung in dieſer Stellung auszuhalten, geſchweige ſich leicht zu bewegen im Stande wäre. Die ihm ſo wichtige Schwanzſtütze müßte natürlich, wenn er ſich ihrer bedienen wollte, ſein Ueberkippen befördern. Man ſieht, daß ein Vogel, welcher mit gleicher Geſchicklichkeit an den Bäumen hinauf und herabklettern ſollte, nicht anders wie der Kleiber geſtaltet ſein kann. Die Eigenthümlichkeit ſeines Fußbaues ermöglicht ihm aber noch eine dritte Bewegung, ein leichtes Herumhüpfen auf den Zweigen und auf dem Boden.“ Soviel bis jetzt bekannt, ſind alle Arten der Familie Strichvögel, welche nur außer der Brutzeit in einem kleinen Gebiete auf- und niederwandern, im ganzen aber jahraus, jahrein an ein und derſelben Stelle ſich halten. Wo hohe alte Bäume oder unter Umſtänden Felswände ihnen genügende Nahrung bieten, fehlen ſie gewiß nicht, denn ſie ſteigen auch ziemlich hoch im Gebirge empor. Jhre Nahrung beſteht aus Kerbthieren und Pflanzenſtoffen, namentlich aus Sämereien, welche ſie von den Bäumen, Sträuchern und von Felſenwänden, wie vom Erdboden aufnehmen. Sie niſten in Baum- oder Felslöchern, deren Eingang faſt regelmäßig mit Lehm und Schlamm überkleidet wird: daher der Name. Das Gelege beſteht aus ſechs bis neun Eiern, welche auf lichtem Grunde roth gepunktet ſind. Die wichtigſte Art der nicht eben zahlreichen Familie iſt unſer Kleiber oder Blauſpecht, welcher auch wohl Spechtmeiſe, Holz- oder Baumhacker, Baumpicker, Baumritter, Baumreuter und Baumrutſcher, Maiſpecht, Chlän, Gottler oder Tottler genannt wird (Sitta caesia). Er iſt auf der Oberſeite bleigrau, auf der Unterſeite roſtgelb; ein ſchwarzer Streifen zieht ſich durch die Augen und läuft an den Kopfſeiten bis zum Halſe herunter; Kinn und Kehle ſind weiß, die ſeitlichen Weichen- und die Unterſchwanzdeckfedern kaſtanienbraun; die Schwingen ſind bräun- lichſchwarzgrau, licht geſäumt, die vorderſten auch an der Wurzel weiß; die mittleren Schwanzfedern ſind aſchgraublau, die übrigen tiefſchwarz mit aſchblauer Spitzenzeichnung, die erſten auf der Außenfahne mit einer weißlichen Stelle vor der grauen Spitze und einem großen, viereckigen weißen Fleck auf der Jnnenfahne. Das Auge iſt nußbraun, der Schnabel oben hornſchwarz, unten bleigrau, der Fuß horngelblich. Die Länge beträgt 6, die Breite 10, die Fittiglänge 3¼, die Schwanzlänge 1⅔ Zoll. Das Weibchen unterſcheidet ſich durch den ſchmäleren ſchwarzen Augenſtrich, den lichteren Unterkörper und die geringere Größe. Früher nahm man an, daß Europa nur von einer einzigen Art dieſer Sippe, deren Kennzeichen die oben angegebenen der Familie ſind, bewohnt wird; gegenwärtig weiß man, daß mindeſtens drei verſchiedene Arten in unſerm Erdtheil leben: der im Norden vorkommende Kleiber, welchen Linnéc den europäiſchen nannte (Sitta europaea), der unſrige und der Felſenkleiber (Sitta syriaca), auf welchen ich zurückkommen werde. Der Kleiber fehlt im Norden Europas, findet ſich aber von Jütland an bis Südeuropa allerorten. Er lebt nirgends in größeren Geſellſchaften, ſondern immer einzeln, d. h. paarweiſe oder in ſehr kleinen Familien und endlich mit andern Vögeln vereinigt. Gemiſchte,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/49>, abgerufen am 26.04.2024.