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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Gelbkehliger Ohrbüschler. Blumenzüngler. Poe.,
er erhielt sogar zwei Nester mit Eiern, welche in den Büschen dieses öffentlichen Gartens gefunden
worden. Er ist ein kühner und lebhafter Vogel, kampflustig in hohem Grade und deshalb Gegner
aller Vögel, welche mit ihm die gleiche Nahrung theilen. Keiner seiner Artverwandten ist lebhafter und
munterer, als er. Jm Sommer setzen sich die Männchen auf freie Zweige und lassen vonhieraus ihre
rauhen, sonderbaren Laute erschallen, welche man nicht unpassend mit den Tönen verglichen hat, die
ein Mensch hervorbringt, wenn er sich erbricht. Die Bewohner haben ihm deshalb den Namen
"Goo-gwar-ruck" gegeben. Während des Schreiens stelzt er den Schwanz, wirft den Kopf nach
hinten und bläst die Kehle auf, sodaß es aussieht, als ob er seine Laute nur mit der größten An-
strengung hervorbringe.

Die Brutzeit beginnt im September und dauert während der drei folgenden Monate fort.
Das sehr kleine Nest, welches aus sehr feinen Zweigen zusammengebaut, mit Würzelchen ausgelegt,
rund und oben offen ist, steht gewöhnlich in der Gabel eines niederen Busches, ost nur wenige Fuß
über dem Boden. Die zwei oder drei Eier sind auf lachsrothem Grunde spärlich dunkelbraun
gefleckt, am dicken Ende am dichtesten.

Die Banksien, welche einen großen Theil des Jahres hindurch blühen, gewähren dem Vogel
Alles, was er bedarf. Er untersucht jede einzelne Blüthe, wenn sie sich öffnet, mit seiner langen
Pinselzunge und zieht den Blüthenstaub oder die Kerbthiere geschickt hervor. Dabei hängt er in
allen nur denkbaren Stellungen auf oder an den Blüthen. Er ist so an die Banksien gebunden, daß
er nur da vorkommt, wo diese Bäume gedeihen: Gould hat ihn niemals fern von ihnen gefunden.
Da nun die Banksien nur auf schlechtem Boden wachsen, so gilt das geschwätzige Geschrei des Vogels
den ansiedlungslustigen Europäern als ein Zeichen, daß da, wo er lebt, für Niederlassungen nicht
die geeignete Oertlichkeit ist.



"Ein durch seine Stimme bezeichnender Bewohner der romantischen Wildnisse Neuseelands", sagt
Rochelas, "ist der Poe oder Tui. Es ist von diesem Wundervogel nicht zu viel gesagt, wenn
man behauptet, daß keiner der Sänger in den europäischen Wäldern sich mit ihm messen kann. Die
Einhelligkeit und die sanfte Lieblichkeit seines Gesanges erscheint mir wirklich unvergleichlich. Den
Schlag der europäischen Nachtigall, wie sehr ich sie auch liebe, finde ich dennoch vom Gesang dieses
Vogels bei weitem übertroffen, und ich gestehe es, nie in meinem Leben habe ich von einem so
bezaubernden, klangreichen Vogel eine Vorstellung gehabt." Die Reisenden, welche später des Poe
Erwähnung thun, spenden ihm zwar kein so begeistertes Lob; aber auch sie rühmen ihn überein-
stimmend als einen der besten Sänger Oceaniens, und deshalb ist es wohl gerechtfertigt, wenn ich
ihn hier so ausführlich beschreibe, als ich es eben kann.

Der Poe (Prosthemadera cireinata) kennzeichnet sich vor allem durch eigenthümliche
Federbüschel, welche zu beiden Seiten des Vorderhalses stehen; im übrigen entspricht er dem
Gepräge der Familie. Die allgemeine Färbung ist ein tiefes metallisches Grün, welches in
gewissem Lichte schwarz, in anderem bronzefarben erscheint; der Rücken ist umberbraun, die Spitzen
der Federn schillern aber ebenfalls; über die Schultern verläuft eine weiße Binde; die verlängerten
Federn des Nackens sind durch weiße Schaftstriche gezeichnet; die Federn der Halsseite sind
verlängert, zerschlissen und muschelförmig gebogen, wodurch ein Büschel gebildet wird, welcher das
andere Gesieder überragt, und weil er blendend weiß gefärbt ist, von ihm prächtig absticht; der Bauch
ist umberbraun; die unteren Schwanzdeckfedern schillern; die Schwingen und Steuerfedern sind
schwarz, oben schillernd, unten glanzlos. Die Länge beträgt ungefähr 12, die Fittiglänge 51/2,
die Schwanzlänge 41/2 Zoll.

Obgleich der Poe sehr häufig nach Sidney gebracht wird und schon wiederholt lebend nach
Europa gekommen ist, haben wir doch erst in der Neuzeit über sein Freileben Einiges erfahren.

2 *

Gelbkehliger Ohrbüſchler. Blumenzüngler. Poë.,
er erhielt ſogar zwei Neſter mit Eiern, welche in den Büſchen dieſes öffentlichen Gartens gefunden
worden. Er iſt ein kühner und lebhafter Vogel, kampfluſtig in hohem Grade und deshalb Gegner
aller Vögel, welche mit ihm die gleiche Nahrung theilen. Keiner ſeiner Artverwandten iſt lebhafter und
munterer, als er. Jm Sommer ſetzen ſich die Männchen auf freie Zweige und laſſen vonhieraus ihre
rauhen, ſonderbaren Laute erſchallen, welche man nicht unpaſſend mit den Tönen verglichen hat, die
ein Menſch hervorbringt, wenn er ſich erbricht. Die Bewohner haben ihm deshalb den Namen
„Goo-gwar-ruck“ gegeben. Während des Schreiens ſtelzt er den Schwanz, wirft den Kopf nach
hinten und bläſt die Kehle auf, ſodaß es ausſieht, als ob er ſeine Laute nur mit der größten An-
ſtrengung hervorbringe.

Die Brutzeit beginnt im September und dauert während der drei folgenden Monate fort.
Das ſehr kleine Neſt, welches aus ſehr feinen Zweigen zuſammengebaut, mit Würzelchen ausgelegt,
rund und oben offen iſt, ſteht gewöhnlich in der Gabel eines niederen Buſches, oſt nur wenige Fuß
über dem Boden. Die zwei oder drei Eier ſind auf lachsrothem Grunde ſpärlich dunkelbraun
gefleckt, am dicken Ende am dichteſten.

Die Bankſien, welche einen großen Theil des Jahres hindurch blühen, gewähren dem Vogel
Alles, was er bedarf. Er unterſucht jede einzelne Blüthe, wenn ſie ſich öffnet, mit ſeiner langen
Pinſelzunge und zieht den Blüthenſtaub oder die Kerbthiere geſchickt hervor. Dabei hängt er in
allen nur denkbaren Stellungen auf oder an den Blüthen. Er iſt ſo an die Bankſien gebunden, daß
er nur da vorkommt, wo dieſe Bäume gedeihen: Gould hat ihn niemals fern von ihnen gefunden.
Da nun die Bankſien nur auf ſchlechtem Boden wachſen, ſo gilt das geſchwätzige Geſchrei des Vogels
den anſiedlungsluſtigen Europäern als ein Zeichen, daß da, wo er lebt, für Niederlaſſungen nicht
die geeignete Oertlichkeit iſt.



„Ein durch ſeine Stimme bezeichnender Bewohner der romantiſchen Wildniſſe Neuſeelands“, ſagt
Rochelas, „iſt der Poë oder Tui. Es iſt von dieſem Wundervogel nicht zu viel geſagt, wenn
man behauptet, daß keiner der Sänger in den europäiſchen Wäldern ſich mit ihm meſſen kann. Die
Einhelligkeit und die ſanfte Lieblichkeit ſeines Geſanges erſcheint mir wirklich unvergleichlich. Den
Schlag der europäiſchen Nachtigall, wie ſehr ich ſie auch liebe, finde ich dennoch vom Geſang dieſes
Vogels bei weitem übertroffen, und ich geſtehe es, nie in meinem Leben habe ich von einem ſo
bezaubernden, klangreichen Vogel eine Vorſtellung gehabt.“ Die Reiſenden, welche ſpäter des Poë
Erwähnung thun, ſpenden ihm zwar kein ſo begeiſtertes Lob; aber auch ſie rühmen ihn überein-
ſtimmend als einen der beſten Sänger Oceaniens, und deshalb iſt es wohl gerechtfertigt, wenn ich
ihn hier ſo ausführlich beſchreibe, als ich es eben kann.

Der Poë (Prosthemadera cireinata) kennzeichnet ſich vor allem durch eigenthümliche
Federbüſchel, welche zu beiden Seiten des Vorderhalſes ſtehen; im übrigen entſpricht er dem
Gepräge der Familie. Die allgemeine Färbung iſt ein tiefes metalliſches Grün, welches in
gewiſſem Lichte ſchwarz, in anderem bronzefarben erſcheint; der Rücken iſt umberbraun, die Spitzen
der Federn ſchillern aber ebenfalls; über die Schultern verläuft eine weiße Binde; die verlängerten
Federn des Nackens ſind durch weiße Schaftſtriche gezeichnet; die Federn der Halsſeite ſind
verlängert, zerſchliſſen und muſchelförmig gebogen, wodurch ein Büſchel gebildet wird, welcher das
andere Geſieder überragt, und weil er blendend weiß gefärbt iſt, von ihm prächtig abſticht; der Bauch
iſt umberbraun; die unteren Schwanzdeckfedern ſchillern; die Schwingen und Steuerfedern ſind
ſchwarz, oben ſchillernd, unten glanzlos. Die Länge beträgt ungefähr 12, die Fittiglänge 5½,
die Schwanzlänge 4½ Zoll.

Obgleich der Poë ſehr häufig nach Sidney gebracht wird und ſchon wiederholt lebend nach
Europa gekommen iſt, haben wir doch erſt in der Neuzeit über ſein Freileben Einiges erfahren.

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[19/0031] Gelbkehliger Ohrbüſchler. Blumenzüngler. Poë., er erhielt ſogar zwei Neſter mit Eiern, welche in den Büſchen dieſes öffentlichen Gartens gefunden worden. Er iſt ein kühner und lebhafter Vogel, kampfluſtig in hohem Grade und deshalb Gegner aller Vögel, welche mit ihm die gleiche Nahrung theilen. Keiner ſeiner Artverwandten iſt lebhafter und munterer, als er. Jm Sommer ſetzen ſich die Männchen auf freie Zweige und laſſen vonhieraus ihre rauhen, ſonderbaren Laute erſchallen, welche man nicht unpaſſend mit den Tönen verglichen hat, die ein Menſch hervorbringt, wenn er ſich erbricht. Die Bewohner haben ihm deshalb den Namen „Goo-gwar-ruck“ gegeben. Während des Schreiens ſtelzt er den Schwanz, wirft den Kopf nach hinten und bläſt die Kehle auf, ſodaß es ausſieht, als ob er ſeine Laute nur mit der größten An- ſtrengung hervorbringe. Die Brutzeit beginnt im September und dauert während der drei folgenden Monate fort. Das ſehr kleine Neſt, welches aus ſehr feinen Zweigen zuſammengebaut, mit Würzelchen ausgelegt, rund und oben offen iſt, ſteht gewöhnlich in der Gabel eines niederen Buſches, oſt nur wenige Fuß über dem Boden. Die zwei oder drei Eier ſind auf lachsrothem Grunde ſpärlich dunkelbraun gefleckt, am dicken Ende am dichteſten. Die Bankſien, welche einen großen Theil des Jahres hindurch blühen, gewähren dem Vogel Alles, was er bedarf. Er unterſucht jede einzelne Blüthe, wenn ſie ſich öffnet, mit ſeiner langen Pinſelzunge und zieht den Blüthenſtaub oder die Kerbthiere geſchickt hervor. Dabei hängt er in allen nur denkbaren Stellungen auf oder an den Blüthen. Er iſt ſo an die Bankſien gebunden, daß er nur da vorkommt, wo dieſe Bäume gedeihen: Gould hat ihn niemals fern von ihnen gefunden. Da nun die Bankſien nur auf ſchlechtem Boden wachſen, ſo gilt das geſchwätzige Geſchrei des Vogels den anſiedlungsluſtigen Europäern als ein Zeichen, daß da, wo er lebt, für Niederlaſſungen nicht die geeignete Oertlichkeit iſt. „Ein durch ſeine Stimme bezeichnender Bewohner der romantiſchen Wildniſſe Neuſeelands“, ſagt Rochelas, „iſt der Poë oder Tui. Es iſt von dieſem Wundervogel nicht zu viel geſagt, wenn man behauptet, daß keiner der Sänger in den europäiſchen Wäldern ſich mit ihm meſſen kann. Die Einhelligkeit und die ſanfte Lieblichkeit ſeines Geſanges erſcheint mir wirklich unvergleichlich. Den Schlag der europäiſchen Nachtigall, wie ſehr ich ſie auch liebe, finde ich dennoch vom Geſang dieſes Vogels bei weitem übertroffen, und ich geſtehe es, nie in meinem Leben habe ich von einem ſo bezaubernden, klangreichen Vogel eine Vorſtellung gehabt.“ Die Reiſenden, welche ſpäter des Poë Erwähnung thun, ſpenden ihm zwar kein ſo begeiſtertes Lob; aber auch ſie rühmen ihn überein- ſtimmend als einen der beſten Sänger Oceaniens, und deshalb iſt es wohl gerechtfertigt, wenn ich ihn hier ſo ausführlich beſchreibe, als ich es eben kann. Der Poë (Prosthemadera cireinata) kennzeichnet ſich vor allem durch eigenthümliche Federbüſchel, welche zu beiden Seiten des Vorderhalſes ſtehen; im übrigen entſpricht er dem Gepräge der Familie. Die allgemeine Färbung iſt ein tiefes metalliſches Grün, welches in gewiſſem Lichte ſchwarz, in anderem bronzefarben erſcheint; der Rücken iſt umberbraun, die Spitzen der Federn ſchillern aber ebenfalls; über die Schultern verläuft eine weiße Binde; die verlängerten Federn des Nackens ſind durch weiße Schaftſtriche gezeichnet; die Federn der Halsſeite ſind verlängert, zerſchliſſen und muſchelförmig gebogen, wodurch ein Büſchel gebildet wird, welcher das andere Geſieder überragt, und weil er blendend weiß gefärbt iſt, von ihm prächtig abſticht; der Bauch iſt umberbraun; die unteren Schwanzdeckfedern ſchillern; die Schwingen und Steuerfedern ſind ſchwarz, oben ſchillernd, unten glanzlos. Die Länge beträgt ungefähr 12, die Fittiglänge 5½, die Schwanzlänge 4½ Zoll. Obgleich der Poë ſehr häufig nach Sidney gebracht wird und ſchon wiederholt lebend nach Europa gekommen iſt, haben wir doch erſt in der Neuzeit über ſein Freileben Einiges erfahren. 2 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/31>, abgerufen am 27.04.2024.