Der Name, welchen ich hier zur Bezeichnung einer größeren Anzahl anscheinend verwandter Vögel anwende, ist zuerst von Reichenbach, wenn auch nicht ganz in demselben Sinne gebraucht worden. Er will Vögel vereinigen, welche von anderen Naturforschern theilweise in dieser, theil- weise in jener Ordnung eingereiht wurden. Nach Ansicht einiger Naturforscher gehören unsere Späher zu den "Sing-, Schrei-, Schrill- und Klettervögeln", nach Ansicht anderer Thierkundigen, zu den "Dünnschnäblern, Sitzfüßlern und Paarzehern". Gemeinschaftliche Beziehungen der einen zu den andern hat außer Reichenbach kein anderer Systematiker zu erkennen geglaubt.
Jch gestehe zu, daß die Verschiedenheit der von dem genannten Altmeister vereinigten Vögel größer ist, als innerhalb der Reihen, welche wir bisher kennen lernten, schließe mich deshalb aber doch Reichenbach an, weil die Späher, meiner Ansicht nach, unter sich ersichtlichere Aehnlichkeit bekunden, als mit den Angehörigen anderer Ordnungen oder Reihen. Wenn man einen Horn- vogel mit einem Kolibri vergleichen will, wird man davon allerdings schwerlich Etwas gewahren; vergegenwärtigt man sich aber alle die Zwischenglieder, welche es gibt, so erscheint uns die Verwandtschaft beider doch wohl noch eher einleuchtend, als die Zusammengehörigkeit der Kolibris und -- Pisangfresser, welche sogar als Glieder ein und derselben Ordnung angesehen worden sind.
Die Reihe der Fänger zeichnet sich vor allen übrigen gleichwerthigen Abtheilungen der Klasse durch Gestaltenreichthum aus. Einzelne Gestalten wiederholen sich, so zu sagen, hundertfach: ein und dieselbe Grundform scheint in wahrhaft wunderbarer Weise umgestaltet, immer wieder neu- gebildet zu sein, so daß die Trennung schwer wird; andere zeigen mit denen, welche unbestreithar als Verwandte angesehen werden müssen, nur geringe Aehnlichkeit. Sogenannte Bindeglieder finden sich ungemein zahlreich vor, und nicht blos solche, welche nach unseren Anschauungen Familien, sondern auch solche, welche Ordnungen verknüpfen. Der Kolibri, welcher, wenn man die Summe seiner Kennzeichen berücksichtigt, mit keinem anderen Vogel verglichen werden kann, ist, wie wir zu sagen pflegen, in zwei anderen, als Ordnungen aufzufassenden Abtheilungen der Späher ersichtlich vertreten, der Specht, eine durchaus eigenthümliche Gestalt, innerhalb der Reihe, unseren Begriffen nach, wiederholt angedeutet. Das Gepräge des Singvogels verschmilzt mit dem des Dünn- schnäblers; dieser geht allgemach in den Klettervogel über; der Kolibri wird, um mich so auszu- drücken, zum Glanzvogel, dieser zum Eisvogel oder zum Bienenfresser, oder zum Bartvogel, der Bartvogel zu einem in den prachtvollsten Farben prangenden Ziegenmelker oder zum Kukuk und dieser wiederum zum Pfefferfresser, dem neuweltlichen Vertreter des Hornvogels. Die Schwierigkeit, Ordnungen und Familien der Vögel zu bilden, oder zu begrenzen, erreicht innerhalb der Reihe der Späher ihren Gipfelpunkt.
Der Gestaltenreichthum dieser Reihe macht eine Gesammtbeschreibung derselben geradezu unmöglich, falls man nicht eben aller größeren Gruppen im Besonderen gedenken oder mit anderen Worten der Einzelbeschreibung vorgreifen will. Es gibt kein Merkmal, welches allen Spähern gemeinsam wäre. Jeder einzelne Theil des Leibes, jedes Glied, jedes Werkzeug ändert manchfach ab; Befiederung und Färbung sind erstaunlichem Wechsel unterworfen. Damit hängt Verschieden-
Brehm, Thierleben. IV. 1
Dritte Reihe. Späher(Investigatores).
Der Name, welchen ich hier zur Bezeichnung einer größeren Anzahl anſcheinend verwandter Vögel anwende, iſt zuerſt von Reichenbach, wenn auch nicht ganz in demſelben Sinne gebraucht worden. Er will Vögel vereinigen, welche von anderen Naturforſchern theilweiſe in dieſer, theil- weiſe in jener Ordnung eingereiht wurden. Nach Anſicht einiger Naturforſcher gehören unſere Späher zu den „Sing-, Schrei-, Schrill- und Klettervögeln“, nach Anſicht anderer Thierkundigen, zu den „Dünnſchnäblern, Sitzfüßlern und Paarzehern“. Gemeinſchaftliche Beziehungen der einen zu den andern hat außer Reichenbach kein anderer Syſtematiker zu erkennen geglaubt.
Jch geſtehe zu, daß die Verſchiedenheit der von dem genannten Altmeiſter vereinigten Vögel größer iſt, als innerhalb der Reihen, welche wir bisher kennen lernten, ſchließe mich deshalb aber doch Reichenbach an, weil die Späher, meiner Anſicht nach, unter ſich erſichtlichere Aehnlichkeit bekunden, als mit den Angehörigen anderer Ordnungen oder Reihen. Wenn man einen Horn- vogel mit einem Kolibri vergleichen will, wird man davon allerdings ſchwerlich Etwas gewahren; vergegenwärtigt man ſich aber alle die Zwiſchenglieder, welche es gibt, ſo erſcheint uns die Verwandtſchaft beider doch wohl noch eher einleuchtend, als die Zuſammengehörigkeit der Kolibris und — Piſangfreſſer, welche ſogar als Glieder ein und derſelben Ordnung angeſehen worden ſind.
Die Reihe der Fänger zeichnet ſich vor allen übrigen gleichwerthigen Abtheilungen der Klaſſe durch Geſtaltenreichthum aus. Einzelne Geſtalten wiederholen ſich, ſo zu ſagen, hundertfach: ein und dieſelbe Grundform ſcheint in wahrhaft wunderbarer Weiſe umgeſtaltet, immer wieder neu- gebildet zu ſein, ſo daß die Trennung ſchwer wird; andere zeigen mit denen, welche unbeſtreithar als Verwandte angeſehen werden müſſen, nur geringe Aehnlichkeit. Sogenannte Bindeglieder finden ſich ungemein zahlreich vor, und nicht blos ſolche, welche nach unſeren Anſchauungen Familien, ſondern auch ſolche, welche Ordnungen verknüpfen. Der Kolibri, welcher, wenn man die Summe ſeiner Kennzeichen berückſichtigt, mit keinem anderen Vogel verglichen werden kann, iſt, wie wir zu ſagen pflegen, in zwei anderen, als Ordnungen aufzufaſſenden Abtheilungen der Späher erſichtlich vertreten, der Specht, eine durchaus eigenthümliche Geſtalt, innerhalb der Reihe, unſeren Begriffen nach, wiederholt angedeutet. Das Gepräge des Singvogels verſchmilzt mit dem des Dünn- ſchnäblers; dieſer geht allgemach in den Klettervogel über; der Kolibri wird, um mich ſo auszu- drücken, zum Glanzvogel, dieſer zum Eisvogel oder zum Bienenfreſſer, oder zum Bartvogel, der Bartvogel zu einem in den prachtvollſten Farben prangenden Ziegenmelker oder zum Kukuk und dieſer wiederum zum Pfefferfreſſer, dem neuweltlichen Vertreter des Hornvogels. Die Schwierigkeit, Ordnungen und Familien der Vögel zu bilden, oder zu begrenzen, erreicht innerhalb der Reihe der Späher ihren Gipfelpunkt.
Der Geſtaltenreichthum dieſer Reihe macht eine Geſammtbeſchreibung derſelben geradezu unmöglich, falls man nicht eben aller größeren Gruppen im Beſonderen gedenken oder mit anderen Worten der Einzelbeſchreibung vorgreifen will. Es gibt kein Merkmal, welches allen Spähern gemeinſam wäre. Jeder einzelne Theil des Leibes, jedes Glied, jedes Werkzeug ändert manchfach ab; Befiederung und Färbung ſind erſtaunlichem Wechſel unterworfen. Damit hängt Verſchieden-
Brehm, Thierleben. IV. 1
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Späher (Investigatores).
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worden. Er will Vögel vereinigen, welche von anderen Naturforſchern theilweiſe in dieſer, theil-
weiſe in jener Ordnung eingereiht wurden. Nach Anſicht einiger Naturforſcher gehören unſere
Späher zu den „Sing-, Schrei-, Schrill- und Klettervögeln“, nach Anſicht anderer Thierkundigen,
zu den „Dünnſchnäblern, Sitzfüßlern und Paarzehern“. Gemeinſchaftliche Beziehungen der einen
zu den andern hat außer Reichenbach kein anderer Syſtematiker zu erkennen geglaubt.
Jch geſtehe zu, daß die Verſchiedenheit der von dem genannten Altmeiſter vereinigten Vögel
größer iſt, als innerhalb der Reihen, welche wir bisher kennen lernten, ſchließe mich deshalb aber
doch Reichenbach an, weil die Späher, meiner Anſicht nach, unter ſich erſichtlichere Aehnlichkeit
bekunden, als mit den Angehörigen anderer Ordnungen oder Reihen. Wenn man einen Horn-
vogel mit einem Kolibri vergleichen will, wird man davon allerdings ſchwerlich Etwas gewahren;
vergegenwärtigt man ſich aber alle die Zwiſchenglieder, welche es gibt, ſo erſcheint uns die
Verwandtſchaft beider doch wohl noch eher einleuchtend, als die Zuſammengehörigkeit der Kolibris
und — Piſangfreſſer, welche ſogar als Glieder ein und derſelben Ordnung angeſehen worden ſind.
Die Reihe der Fänger zeichnet ſich vor allen übrigen gleichwerthigen Abtheilungen der Klaſſe
durch Geſtaltenreichthum aus. Einzelne Geſtalten wiederholen ſich, ſo zu ſagen, hundertfach: ein
und dieſelbe Grundform ſcheint in wahrhaft wunderbarer Weiſe umgeſtaltet, immer wieder neu-
gebildet zu ſein, ſo daß die Trennung ſchwer wird; andere zeigen mit denen, welche unbeſtreithar als
Verwandte angeſehen werden müſſen, nur geringe Aehnlichkeit. Sogenannte Bindeglieder finden
ſich ungemein zahlreich vor, und nicht blos ſolche, welche nach unſeren Anſchauungen Familien,
ſondern auch ſolche, welche Ordnungen verknüpfen. Der Kolibri, welcher, wenn man die Summe
ſeiner Kennzeichen berückſichtigt, mit keinem anderen Vogel verglichen werden kann, iſt, wie wir zu
ſagen pflegen, in zwei anderen, als Ordnungen aufzufaſſenden Abtheilungen der Späher erſichtlich
vertreten, der Specht, eine durchaus eigenthümliche Geſtalt, innerhalb der Reihe, unſeren Begriffen
nach, wiederholt angedeutet. Das Gepräge des Singvogels verſchmilzt mit dem des Dünn-
ſchnäblers; dieſer geht allgemach in den Klettervogel über; der Kolibri wird, um mich ſo auszu-
drücken, zum Glanzvogel, dieſer zum Eisvogel oder zum Bienenfreſſer, oder zum Bartvogel, der
Bartvogel zu einem in den prachtvollſten Farben prangenden Ziegenmelker oder zum Kukuk und
dieſer wiederum zum Pfefferfreſſer, dem neuweltlichen Vertreter des Hornvogels. Die
Schwierigkeit, Ordnungen und Familien der Vögel zu bilden, oder zu begrenzen, erreicht innerhalb
der Reihe der Späher ihren Gipfelpunkt.
Der Geſtaltenreichthum dieſer Reihe macht eine Geſammtbeſchreibung derſelben geradezu
unmöglich, falls man nicht eben aller größeren Gruppen im Beſonderen gedenken oder mit anderen
Worten der Einzelbeſchreibung vorgreifen will. Es gibt kein Merkmal, welches allen Spähern
gemeinſam wäre. Jeder einzelne Theil des Leibes, jedes Glied, jedes Werkzeug ändert manchfach
ab; Befiederung und Färbung ſind erſtaunlichem Wechſel unterworfen. Damit hängt Verſchieden-
Brehm, Thierleben. IV. 1
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/13>, abgerufen am 19.11.2024.
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